Das Bundesverkehrsministerium plant mit steigenden Verkehrszahlen. Bis 2051 soll der Personenverkehr um 13 Prozent wachsen, der Güterverkehr auf Straßen um 46 Prozent zunehmen. Die Auswirkungen dieser Prognosen diskutierten Vertreter von Wissenschaft, Städten und Unternehmen im Haus der Wirtschaft. Ihr Fazit: mehr Infrastruktur tut Not.
Wolfgang H. Schulz, Professor an der Zeppelin Universität Friedrichshafen, ordnete die Verkehrsprognose des Bundes ein: „Deutschland benötigt für sein Geschäftsmodell Straßen, Schienen und Häfen. Nur dann gelingt Export, nur dann können Unternehmen ihre Waren zu den Absatzmärkten bringen.“ Gleichzeitig hätten alle Verkehrswege massiven Investitionsbedarf: „Die gesamte Infrastruktur ist unterfinanziert! Das wird vor allem bei den Straßen zum Problem.“ Denn hier werde auch in den nächsten 20 Jahren der Großteil des Güterverkehrs transportiert werden, weil die Schiene nicht konkurrenzfähig sei.
IHK-Vizepräsidentin Bettina Schuler-Kargoll unterstrich in ihrer Einführung, dass gerade die produzierenden Unternehmen auf mehr Kapazität warten: „Viele Betriebe würden gerne mehr Güter auf die Schiene bringen. Leider werden unternehmenseigene Bahnanschlüsse und Verladeterminals nur unzureichend bedient.“ In der Summe bliebe Unternehmen mangels Alternativen oft nur der Transport über die Straße. Dort, wo diese verstopft oder marode seien, wirke sich dies negativ auf die Standortzufriedenheit aus. Diese habe in den letzten Jahren abgenommen, wie die jüngste Standortumfrage der IHK gezeigt habe.
Hintergrund
Die IHK setzt sich für den Ausbau der Infrastruktur ein. Hintergrund ist unter anderem ihre jüngste Standortumfrage, die die Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur für die Standortzufriedenheit bestätigte. Im Bereich der Schiene erwartet die IHK einen zeitnahen Ausbau der Gäubahn sowie den Aufbau dezentraler Verkehrsterminals. Im Bereich der Straße wirbt sie für die zeitnahe Umsetzung aller regionalen Projekte aus dem Bundesverkehrsplan. Dazu gehören die Talstadtumfahrung in Schramberg sowie der Lückenschluss zwischen der B523 und der B33.
Mehrwert für Umwelt und Betriebe
Marius Neininger, Vorsitzender des IHK-Ausschusses für Verkehr und Infrastruktur, bekräftigte: „Alle Verkehrswege sind unter Druck. Auch die nächsten 20 Jahre.“ Umso ärgerlicher sei, dass politisch keine Entlastung forciert werde. „Der Einsatz von Lang-Lkw würde beispielsweise unmittelbar zu weniger Verkehr bei gleichem Transportgewicht führen.“ Während Brücken und Asphaltschichten keine Zusatzbelastung aufnehmen müssten, hätten Umwelt und Betriebe einen direkten Mehrwert: „Zwei Fahrten mit einem Lang-Lkw sparen nämlich drei Fahrten mit einem gewöhnlichen Lkw.“
Während die großen Verkehrsachsen von Bund und Land finanziert werden, stünden auch Kommunen vor Zielkonflikten. Ralf Heinzelmann skizzierte als Vertreter des Städtetages Baden-Württemberg den lokalen Investitionsbedarf bei Straßen und Brücken. Gleichzeitig unterstreiche die Verkehrsprognose, dass die Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan stringent und zeitnah umzusetzen sind. Ralf Heinzelmann, der auch den Eigenbetrieb der Wirtschaftsförderung in Schramberg, leitet, meint dazu: „Ohne die dort geplanten Umfahrungen und Ausbaustrecken wird sich der überregionale Verkehr seinen Weg auch durch die Innenstädte suchen. Zu Lasten der Aufenthaltsqualität und der Bewohner.“
Aus Sicht der Verkehrswegebauer unterstrich Georg Graf Kesselstatt die Potenziale zur Beschleunigung bei Genehmigungsverfahren und Bauarbeiten. „Beispielhaft wird aktuell bei größeren Baustellen jedes Gewerk (Leistungen im Bauwesen) einzeln ausgeschrieben, vergeben und terminiert“, so der Geschäftsführer von J. Friedrich Storz Verkehrswegebau aus Tuttlingen. „Das führt auf Baustellen zu unnötigem Verzug, weil zwischen den Gewerken Puffer eingebaut sind, Zeiten, wo niemand auf der Baustelle arbeitet.“ Gleichzeitig unterstrich er den Wunsch nach einer langfristigen Verkehrswegeplanung der Kommunen: „Straßen oder Brücken werden oft bis zur letzten Asphaltschicht verschlissen. Und dann wird es richtig teuer.“ Weil viele Kommunen nicht regelmäßig und in ausreichendem Maße in ihre Infrastruktur investieren, gebe es einen gigantischen Investitionsstau, der kaum noch abzuarbeiten sei.
Text: Hi
Bild: pixl-Agentur, Hüfingen
Bild: Kamen auf dem Podium ins Gespräch (von links): Marius Neininger (Vorsitzender IHK-Verkehrsausschuss), Ralf Heinzelmann (Städtetag BW), Stefan Kühlein (Moderator), Werner H. Schulz (Zeppelin Universität) und Georg Graf von Kesselstatt (J. Friedrich Storz Verkehrswegebau).
Philipp Hilsenbek, Fachbereich Standortpolitik
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