Beim Besuch von Muhterem Aras auf IHK-Einladung tauschte sich die Landtagspräsidentin bei einem Unternehmerinnen-Lunch in Donaueschingen-Aasen mit Frauen in Führungspositionen und in IHK-Funktionen aus. Dabei diskutierte die Runde über die Notwendigkeit einer Frauenquote und zeigte Verbesserungsansätze für mehr Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung im Berufsleben auf. Frauen sind in der gewerblich-technischen Ausbildung und in Führungspositionen noch immer eher selten anzutreffen. „Das muss nicht sein“, betonten IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos und Muhterem Aras unisono.
Birgit Hakenjos begleitete die Runde mit Unternehmerinnen, die sich mit dem Thema „Frauen in Führungspositionen“ befasste, sich aber auch mit der Frage auseinandersetzte, wie es gelingen kann, mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern. Dabei stand auch die Frauenquote zur Diskussion. „Wir brauchen die Quote dringend, damit wir Vorbilder bekommen“, sagte Muhterem Aras. Hakenjos sprach sich dagegen deutlich gegen eine Quote im Mittelstand aus. „Das wäre nicht zu leisten. Wir müssen bessere Möglichkeiten für die Beschäftigung von Frauen schaffen. Viele kehren nach der Elternzeit nicht in den Beruf zurück, obwohl ihre Qualifikation dringend gebraucht wird. Wir brauchen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf flexiblere Teilzeitmöglichkeiten und ein modernes Einkommensteuerrecht, das auch Teilzeitbeschäftigungen steuerlich besserstellt“, so Hakenjos.
Warum eine Auszubildende einen technischen Beruf ergreift
Eine Auszubildende erzählte, dass sie bereits im Kindergarten am sogenannten Technolino-Projekt teilgenommen hatte und sie damals schon begeistert gewesen sei, dass sie forschen und tüfteln durfte. Ihr Interesse für die Technik blieb. Über die Firma, in der ihre Mutter arbeite, habe sie immer wieder Ferienjobs bekommen, sich schließlich in der achten Klasse für ein Schulpraktikum im technischen Bereich entschieden und wollte eine Ausbildung zur Industriemechanikerin beginnen. Doch da in diesem Bereich keine Stelle frei war, entschied sie sich für die Ausbildung zur Werkzeugmechanikerin. „Ich wollte richtig was arbeiten, Büro kam für mich nicht in Frage“, sagte sie. Und auch ihre Mit-Azubis zeichneten ähnliche Werdegänge.
Mehr Selbstbewusstsein vermitteln
Sie sieht eine Lösung darin, den jungen Frauen bereits in der Schule mehr Selbstbewusstsein für ihre Talente und Fähigkeiten zu vermitteln. „Junge Frauen sind meist fleißiger, schreiben oft bessere Noten, haben eine gute Auffassungsgabe und großes Talent für Technik. Und trotzdem hinken sie im Berufsleben meist hinterher. Männer steigen auf. Frauen nicht. Und das müssen wir ändern“, forderte sie und erntete dafür viel Zustimmung.
„Wir brauchen Quotenfrauen definitiv – als Türöffner und Botschafterinnen für andere“, fügte Aras an. Angesichts des Fachkräftemangels gelte es, nicht nur das Einwanderungsgesetz nach kanadischem Modell zu modernisieren, „sondern auch zu schauen, wo es noch Potenziale in der Gesellschaft gibt. Wir haben gut ausgebildete Frauen, diese Potenziale müssen wir heben. Es darf kein Potenzial verloren gehen“, so die Landtagspräsidentin.
In der Diskussionsrunde der Landtagspräsidentin mit MINT-Auszubildenden und Ausbildungsleitenden wurde schnell deutlich, dass es Vorbilder oder Botschafter brauche, die den jungen Frauen diese Berufe vorstellen und deren Inhalte schmackhaft machen. Bettina Schuler-Kargoll, Patin für das Ressort „Bildung“, betonte, dass man unbedingt mehr Mädchen begeistern wolle und die IHK ja bereits in den Kindergärten Projekte anbiete, bei denen Berufe – auch technische Berufe – Thema sind. „Wir brauchen Sie als Werbeträger und um andere zu begeistern“, machte Muhterem Aras den jungen Frauen Mut, sich für die Ausbildung im technischen Bereich stark zu machen und weitere Mädchen für die Berufe zu interessieren.
Bettina Schuler-Kargoll bezeichnete Praktika als „A und O für die spätere Berufswahl“ und hob hervor, „dass die Ausbildung Grundstein für die Zukunft“ sei. Denn in Branchen mit besonders vielen MINT-Fachleuten, beispielsweise bei den IT-Dienstleistern und in der Pharmazeutischen Industrie, würden mehr als die Hälfte der Unternehmen massive Probleme bei Stellenbesetzungen melden. Insgesamt fehlen laut MINT-Frühjahrsreport 2022 derzeit bundesweit rund 320.000 Fachleute in diesem Sektor. „Um diesem Bedarf an Mitarbeitenden zu begegnen, dürfen wir kein Fachkräftepotenzial außer Acht lassen. Deshalb werben wir gerade bei Frauen für eine Karriere in den MINT-Berufen“, so Schuler-Kargoll. Es habe sich gezeigt, dass man die Jugend ohne Ausbildungsmessen, ohne Berufsberatung und persönliche Vorbilder „verliere“. Deswegen sei es mehr denn je wichtig, jungen Menschen die Chancen einer dualen Ausbildung aufzuzeigen und das Ansehen der Berufsausbildung zu stärken.
Duale Ausbildung als Exportschlager
„Die duale Ausbildung könnte man zum Exportschlager machen. Viele Länder beneiden uns darum. Wir haben hier einen riesigen Schatz. Aber wir brauchen unbedingt mehr Botschafter, die das nach außen tragen“, sagte Muhterem Aras mit Blick zu den jungen Frauen und fragte sie zugleich, wie man sie unterstützen könne. „Es ist leider noch immer so, dass viele Frauen denken, dass die technischen Berufe ‚dreckige‘ Berufe sind. Sie sind sehr klischeebehaftet“, bedauert eine Auszubildende.
Um den Wert der Ausbildung wieder mehr in den Fokus zu rücken, brauche es zum einen Kampagnen, aber auch Ausbildungsbotschafter, waren sich die Akteure schließlich einig. Die Schulen und die Eltern unbedingt mit ins Boot zu nehmen, das habe oberste Priorität. „Außerdem müssen wir Wege finden, wie wir junge Menschen erreichen, die bisher nicht zum Zug kamen, und wie wir die Berufsorientierung an den Schulen weiter stärken“, so Aras.
Text und Bild: SIEG
Bild: Unternehmerinnen-Lunch mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Fünfte von links)
Miriam Kammerer, Bildung | Qualifizierung
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