„Wir hängen fest in einer Talsohle“, sagte der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Alwin Wagner bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Frühsommer 2024 in Freiburg. Wie in ganz Deutschland blicken auch die Unternehmerinnen und Unternehmer im Kammerbezirk mit wenig Zuversicht in die Zukunft. Der Standort verliere an Attraktivität, so Wagner, der vor einer „schleichenden Abwanderung“ des Mittelstandes warnt.
Die aktuelle Geschäftslage bewerten 26 Prozent der an der IHK-Umfrage teilnehmenden Unternehmen als gut und 14 Prozent als schlecht. Insgesamt überwiegen zwar die positiven Lagebewertungen, allerdings gibt es vor allem in der Industrie und im Baugewerbe seit 2020 einen Trend zur Unzufriedenheit. Passend dazu liegt in der industriell geprägten Ortenau der Negativ-Wert bei 17 Prozent – also drei Prozentpunkte über dem Durchschnitt. Neben der schwachen Nachfrage mache den Betrieben die Lohnzuwächse und der Bürokratieaufwand zu schaffen, sagte Alwin Wagner. Er warnt vor einer „schleichenden Abwanderung“. Bei größeren Mittelständlern könne man zum Teil schon beobachten, wie sie Produktion aus der Region ins Ausland verlagerten, wo die Arbeitskosten geringer seien.
Wenig optimistisch fällt auch der Blick in die Zukunft aus. Nur 13 Prozent der befragten Unternehmen erwarten, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen in den kommenden zwölf Monaten verbessern werden. Das sind fünf Prozentpunkte weniger als in der Frühjahrsbefragung. Mit einer Verschlechterung ihrer Lage rechnen 24 Prozent; im Frühjahr lag dieser Wert sogar noch leicht höher bei 26 Prozent. „Wie in ganz Deutschland gibt es in der Region keinerlei Aufbruchstimmung“, so Wagner. Trübe Aussichten herrschen vor allem im Baugewerbe, wo 43 Prozent der Befragten pessimistisch in die Zukunft schauen. Auch bei den Erwartungen gibt es einen klaren Negativtrend: Seit zwei Jahren überwiegt der Anteil der Pessimisten den der Optimisten.
Kombiniert man die Werte aus der aktuellen Geschäftslage mit denen aus den Erwartungen, ergibt das den Konjunkturklimaindex, der aktuell bei 102 Punkten liegt, und damit gleichauf mit dem Landesdurchschnitt. „Im Grunde haben wir ein Nullwachstum“, sagte Wagner. Im Frühjahr lag der Index noch bei 108 Zählern. Damals war die Stimmung am südlichen Oberrhein noch etwas besser als im übrigen Baden-Württemberg, jetzt gibt es keinen Unterschied mehr. Der Konjunkturklimaindex kann Werte auf einer Skala von 0 bis 200 Zählern annehmen. Bei Werten über 100 spricht man von Wachstum, darunter von Rezession. Zur Einordnung: Als die Konjunktur in den Jahren zwischen 2013 und 2019 brummte, lag der Index konstant über 125 Punkte.
In der Konjunkturumfrage wurde auch ermittelt, welche Risiken aus Sicht der Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung am meisten gefährden. 61 Prozent sorgen sich vor einer schwachen Inlandsnachfrage – so viele wie während der Corona-Hochphase. Auf Platz zwei des Risikorankings landet der Fachkräftemangel (60 Prozent), gefolgt von den Arbeitskosten (55 Prozent) und den Energie- und Strompreisen (52 Prozent – zu Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine lag dieser Wert noch bei 83 Prozent). In der aktuellen Wirtschaftspolitik sehen aktuell 37 Prozent der Befragten ein Risiko. „Die Bundesregierung schafft es nicht, die Wirtschaft so zu entlasten, dass Innovationen stattfinden können“, sagte Wagner. „Die vielen bürokratische Vorschriften sind ein Problem für den Standort.“
Nicht alle Branchen im Kammerbezirk werden gleich tief in den Abwärtsstrudel hinabgezogen. Mit Abstand am besten ist die Stimmung im Dienstleistungsbereich. Hier sprechen 44 Prozent der befragten Unternehmen von einer guten und 51 Prozent von einer befriedigenden Geschäftslage. Es handelt sich auch um die einzige Branche, bei der die positiven Erwartungen überwiegen. Derzeit sind vor allem technische Dienstleistungen gefragt.
Am anderen Ende des Spektrums befindet sich der Handel. Zum ersten Mal seit der Covid-Pandemie wird die Geschäftslage in dieser Branche wieder überwiegend negativ bewertet: 22 Prozent der Händlerinnen und Händler bezeichnen ihre Lage als schlecht, nur 17 Prozent als gut. Im Großhandel ist die Stimmung schlechter als im Einzelhandel. In der Vergangenheit war dies umgekehrt. Über steigende Umsätze berichtete im Rahmen der Pressekonferenz Bernhard Schmolck, Geschäftsführer der Autohausgruppe Schmolck aus Emmendingen. Hinter dem Unternehmen liege das bisher beste Quartal. „So richtig erklären kann ich mir das selbst nicht“, sagte Schmolck. Eigentlich sei man davon ausgegangen, dass Privatkunden wegen der gestiegenen Energiekosten beim Autokauf Zurückhaltung an den Tag legen würden. Nun freut sich Schmolck sowohl bei Gebraucht- als auch Neuwagen über deutliche Zuwächse. Lediglich bei den Elektroautos stagniere die Nachfrage, so Schmolck.
Trotz der schwachen Konjunktur sieht Schmolck für den Standort Südlicher Oberrhein nicht schwarz: „Wir sind schon eine sehr gesunde Region.“ Diese Einschätzung teilt auch der Stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Wagner: „Einige Branchen stehen unter Druck, aber unser Mittelstand ist insgesamt stabil.“ Eine Deindustrialisierung sei nicht zu befürchten.
flo
Grafik: Wenig konjunkturelle Dynamik am Oberrhein: Der Index der Geschäftslage sinkt von 26 Punkten wieder auf 18 Punkte ab und befindet sich damit in etwa auf dem Stand vom Herbst des vergangenen Jahres. Auch bei den Geschäftserwartungen schalten die Unternehmen einen Gang zurück.
Den kompletten Konjunkturbericht zum Frühsommer 2024 gibt es zum Herunterladen unter:
https://www.ihk.de/freiburg/standortpolitik/konjunktur-zahlen-fakten/konjunktur/konjunkturbericht-jahresbeginn-2024-6149920