Vor drei Jahren hat Baden-Württemberg die UN-Behindertenrechtskonvention in Schulen umgesetzt. Seither besuchen mehr Kinder mit besonderem Förderbedarf reguläre Schulen. Doch wie steht es um die Inklusion – also das gleichberechtigte Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung – nach der Schulzeit? Wie sieht Berufsorientierung für diese Jugendlichen aus? Bei dieser Frage setzt die Akademie Himmelreich an. Ihr Projekt „Azubi inklusiv“ wendet sich gezielt an Schüler mit Behinderung ab der achten Klasse, die inklusive Regelschulen besuchen. Wie ihre unbehinderten Mitschüler sollen sie die Möglichkeit haben, ein Praktikum in einem Beruf ihrer Wahl zu absolvieren. Bei der Suche nach Betrieben helfen der Akademie ihre Kooperationspartner: die IHK und die Handwerkskammer. „Azubi inklusiv“ ist zunächst auf drei Jahre angesetzt und wird von der Lotterie Aktion Mensch gefördert. Nach dem ersten Jahr zogen die Beteiligten nun Bilanz.
Insgesamt fünfzehn Schüler mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung haben der Akademie Himmelreich bislang den Wunsch nach einem Praktikum mitgeteilt. Bei zehn davon ist beziehungsweise war die Umsetzung schon konkret. Die ersten beiden Praktika sind abgeschlossen, vier weitere gestartet, und für vier Praktikanten sucht man noch Plätze. Die Jugendlichen äußern immer drei Berufswünsche, dann tut die Akademie, was sie kann, um diese umzusetzen. Der Betrieb sollte nah beim Wohnort sein und vor allem einen Auszubildenden beschäftigten, der mit dem Praktikanten ein Tandem bildet. „Das ist die zentrale Idee des Projekts“, erklärt Mathias Schulz, Leiter der Akademie Himmelreich. Jemand, der den Wunschberuf gerade lernt, stellt ihn dem Schüler in der Praxis vor. Die Auszubildenden, die individuell auf diese Aufgabe vorbereitet werden, können ihre fachliche Kompetenz vorstellen und gleichzeitig ihre soziale Kompetenz ausbauen. Ziel von „Azubi inklusiv“ ist nicht allein die Berufsorientierung der Schüler mit Behinderung, sondern auch die Förderung von Inklusion und Diversity in den Betrieben. „Es sind Menschen mit besonderen Fähigkeiten“, sagt Ausbildungsberaterin Anette Stetter, die das Projekt bei der IHK betreut. „Sie bringen eine humanere Atmosphäre in Betriebe und hinterfragen manchmal Dinge, die wir für selbstverständlich halten.“ Und ihre Kollegin Jutta Leonhardt von der Handwerkskammer ergänzt: „Es ist wichtig, den Umgang miteinander zu schulen.“ Die Erfahrung der ersten Tandems zeigt: „Die Azubis nehmen ihre Aufgabe sehr ernst, und die Schüler sind hoch motiviert“, berichtet Projektkoordinatorin Alexandra Kaufmann. Das Praktikum findet sechs Wochen lang an je einem Tag in der Woche statt, dauert also insgesamt sechs Tage, auf Wunsch auch länger. Anfangs begleitet ein Mitarbeiter der Akademie Himmelreich die Praktikanten und zieht sich, wenn alles gut läuft, nach und nach zurück.
Einstweilen hat „Azubi inklusiv“ nicht das Ziel einer langfristigen Beschäftigung. „Es geht um Berufsorientierung, nicht um einen Ausbildungsplatz“, betont Schulz. Aber das Projekt läuft ja noch zwei Jahre.
kat