Die IHK hat erneut rund 1.000 Unternehmen um Auskunft über ihre derzeitige Geschäftslage und ihre Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung gebeten. Die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Frühsommer präsentierten IHK-Präsident Steffen Auer und der (damals noch) kommissarische Hauptgeschäftsführer Alwin Wagner Anfang Juni bei einer Pressekonferenz.
Bereits zum Jahresbeginn hatten sich Geschäftslage und Zukunftserwartungen am südlichen Oberrhein eingetrübt. Dieser Trend setzt sich nun fort. Der Index der Geschäftslage verliert im Vergleich zum Jahresbeginn nochmals zwei Punkte und liegt mit 61 Punkten nun 16 Punkte unterhalb des Allzeithochs vom Jahresbeginn 2018. Allerdings sprechen 52 Prozent der befragten Unternehmen noch immer von einer guten Geschäftslage, weitere 42 Prozent bezeichnen sie als befriedigend. Der Blick in die Zukunft ist verhalten. Im Vergleich zum Jahresbeginn verliert der Index der Geschäftserwartung einen Punkt und steht nun bei zwölf Punkten – der vierte Rückgang in Folge. Der Index der Inlandsinvestitionen erlebt mit zehn Punkten einen ausgeprägten Rückgang. Mit nun neun Punkten steht er aktuell so niedrig wie seit genau fünf Jahren nicht mehr. „Ein Zeichen, dass die Firmen vorsichtiger werden“, kommentierte Auer. Damit verliert der IHK-Konjunkturklimaindex, in dem die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen kombiniert werden, weitere zwei Punkte und landet bei 127 Punkten.
Was der Index nicht sichtbar macht, verdeutlichte der IHK-Präsident beim Blick in die Branchen: „Die Entwicklung zwischen der Industrie und den Branchen, die stärker vom Inlandsgeschäft beeinflusst sind, unterscheidet sich sehr stark.“ Dabei seien die negativen Rückmeldungen der Industrie nicht verwunderlich, es gebe weltweite Bremsbewegungen, hinzu kämen die Probleme in der Automobilindustrie. Entsprechend verliert der Index der Geschäftslage im Vergleich zum Jahresbeginn 19 Punkte und liegt nun bei 26 Punkten – 41 Punkte unterhalb des zwischenzeitlichen Allzeithochs von Anfang 2018. Und doch bezeichnen noch 36 Prozent der Industrieunternehmen die eigene Geschäftslage als gut, weitere 54 Prozent als befriedigend. Auer: „Noch zehren die Unternehmen von der langen positiven wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre, die Trendumkehr ist aber unübersehbar.“
Bei den Dienstleistern hingegen sind kaum Veränderungen auszumachen: 59 Prozent bezeichnen ihre Geschäftslage als gut, der Index gewinnt sogar zehn Punkte. Ebenso ungebrochen ist die Zufriedenheit im Handel. Hier erreicht der Index der Geschäftslage gar den höchsten Stand seit drei Jahren. Auch das Gastgewerbe profitiert weiter von der stabilen Binnenkonjunktur: 54 Prozent bezeichnen die eigene Geschäftslage als gut. Sogar der traditionell sehr verhaltene Blick der Branche in die Zukunft hellt sich auf: Erstmals seit zwei Jahren klettert der Index der Geschäftserwartungen im Gastgewerbe wieder in den deutlich positiven Bereich und erreicht 14 Punkte. In der Bauwirtschaft erkennt der IHK-Präsident „fast schon eine Überhitzung“. Wie in den Jahren zuvor ist sie die zufriedenste Branche, kein einziges Unternehmen meldet eine schlechte Geschäftslage, 83 Prozent bezeichnen sie als gut. Damit ist der Höchstwert vom Jahresbeginn 2018 erneut eingestellt worden. „Dienstleister, Handel, Gastgewerbe und Bauwirtschaft leben von der guten Binnenwirtschaft“, sagte Norbert Uphues, IHK-Referent für Verkehr, Konjunktur und Statistik. „Wir werden sehen, was passiert, wenn die Industrie noch schlechter dasteht.“
So sorgt die Inlandsnachfrage die Unternehmen denn auch zusehends. 45 Prozent der Befragten sehen hier ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung, im Herbst waren es gerade einmal 32 Prozent. Das mit Abstand größte Sorgenkind bleibt indes der Fachkräftemangel, 59 Prozent bezeichnen ihn als ihre größte Not. „Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze im Kammerbezirk ist seit 2009 um 83.000 gestiegen – ein Plus von 23 Prozent“, sagte Auer. Im selben Zeitraum verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen um 6.700 Menschen. Mit einer Quote von rund drei Prozent bewegt sich der Arbeitsmarkt im Bereich der Vollbeschäftigung. Auer: „Ohne den Zuzug von Fachkräften in die Region wäre das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nicht machbar gewesen.“ Die ausländischen Fachkräfte, deren Zahl sich seit 2009 auf 64.600 fast verdoppelt hat, hätten dabei eine entscheidende Rolle gespielt.
Dennoch fehlen den Unternehmen Fachkräfte. Das führt laut einer Sonderauswertung des Darmstädter Forschungsinstituts Wifor zu Wertschöpfungsverlusten. Im Jahr 2019 sind das 1,6 Milliarden Euro und damit 5,2 Prozent der Bruttowertschöpfung der Mitgliedsunternehmen im Kammerbezirk. 2030 werden es 2,7 Milliarden Euro beziehungsweise 7,7 Prozent sein. „Wir benötigen die Zuwanderung“, warnte Auer. „Mit unseren Schulabgängern können wir diese Lücke aufgrund des demografischen Wandels gar nicht füllen.“ Am Entwurf des Zuwanderungsgesetzes zweifelt er: „Ich hoffe, dass es am Ende nicht zu kompliziert wird und damit letztlich zu Frust bei allen Beteiligten führt.“
naz