Wie werden sich die Umsätze im grenznahen Einzelhandel langfristig entwickeln? Und welche Rolle spielt dabei die Kundschaft aus der Schweiz? Darum geht es in der aktuellen IHK-Studie zum Kaufverhalten schweizerischer Kunden. Zentrale Ergebnisse im Überblick.
In ihrer aktuellen Studie „Einfluss des Kaufverhaltens der Kunden aus der Schweiz auf den Einzelhandel in der Region Hochrhein-Bodensee“ untersucht die IHK, wie sich der Einkaufstourismus aus der Schweiz in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Dabei nimmt sie gezielt die Faktoren Wechselkurses, Kaufkraft in der Region und Coronakrise in den Blick. Die Analyse soll abschätzen helfen, wie sich der stationäre Einzelhandel entlang der Schweizer Grenze künftig entwickeln wird.
Schweizerische Nachfrage hat viele Gesichter
„Über Jahre ist die Nachfrage aus der Schweiz gestiegen. Südbaden ist zum Nahversorger der Nordschweiz geworden. Verkaufsflächen, Sortimentstiefe und Markenvielfalt in den grenznahen Orten sind darauf ausgerichtet“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx. „Treiber der Nachfrage sind neben der Qualität des Angebots und der Aufenthaltsqualität in den Innenstädten die höhere Kaufkraft der Schweizer Kundschaft, das attraktive Preisgefälle im Einzelhandel und die Rückerstattung der Mehrwertsteuer. Nicht zuletzt befeuert ein attraktiver Wechselkurs des Schweizer Franken zum Euro die Nachfrage. Für 2,5 Milliarden Euro haben die Menschen aus der Schweiz 2019 auf deutscher Seite eingekauft. Die grenzüberschreitende Nachfrage macht damit in etwa ein Drittel des Umsatzes im Einzelhandel aus. Vereinzelt liegt der Anteil der Schweizer Kunden sogar bei 50 bis zu 80 Prozent.“ Mit der Pandemie, Lockdowns, scharfen Hygienemaßnahmen und einer Grenzschließung brachen laut Marx die Umsätze zeitweise völlig ein, die Auswirkungen seien bis heute zu spüren. „Dem Einzelhandel fehlt bis heute noch gut ein Drittel der Schweizer Kundschaft.“
Regionale Kaufkraft auf Wachstumskurs
Dennoch besteht kein Grund zu übermäßiger Sorge, so das Fazit der aktuellen IHK-Studie. Im Gegenteil, sagt Handelsreferentin Lena Häsler. Vieles spreche dafür, dass sich der grenznahe Einzelhandel gut entwickeln werde. „Obwohl die Umsätze und Gewinne im Einzelhandel heute noch deutlich unter Vorkrisenniveau liegen, sind die Perspektiven gut.“ Das hänge schon mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. „Die Bevölkerung in der Grenzregion wird bis 2035 voraussichtlich um fünf Prozent wachsen. Auch die Kaufkraft in der Region wird weiter zulegen. Das Potenzial liegt dabei eindeutig bei der Schweizer Nachfrage.“ Die Kaufkraft in den grenznahen, dicht besiedelten Kantonen liegt laut Häsler bei 33 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Auf deutscher Seite liegt sie bei fünf Milliarden Euro. „Da ist noch viel Luft nach oben.“
Inflation schmälert Preisersparnis leicht
Ein günstiger Wechselkurs, die Umsatzsteuerrückerstattung bei gleichzeitig niedriger Mehrwertsteuer seien optimale Vorzeichen, damit die Menschen aus der Schweiz wieder wegen der zum Teil deutlich günstigeren Preise in Deutschland einkaufen, sagt Uwe Böhm, Geschäftsführer für Internationales in der IHK. „Schon in der Vergangenheit stieg und fiel die Zahl der Ausfuhrkassenzettel mit dem Wechselkurs. Auch wenn die aktuell hohe Inflation in Deutschland gegenüber der Schweiz die Ersparnis für die Schweizer Kundschaft etwas schmälert, mittelfristig wird die Inflation durch steigende Energiekosten auch an der Schweiz nicht spurlos vorübergehen und damit auch dort zu höheren Preisen führen.“
Aufenthalt in Innenstädten attraktiver gestalten
So positiv danach die Ausgangslage auch scheint, die Entwicklung sei kein Selbstläufer, meint Claudius Marx. Damit sich der Einzelhandel positiv entwickele, müssten sich parallel auch die Innenstädte weiterentwickeln. „Der Einzelhandel hat gute Perspektiven, aber auch Herausforderungen. Einfach nur Waren anzubieten, das kann der Onlinehandel viel besser – quantitativ ist dieser Wettbewerb nicht zu gewinnen. Es wird künftig darum gehen, in den Innenstädten Erlebnisse zu schaffen und bereits den Aufenthalt als solchen so attraktiv wie möglich zu gestalten. Das beginnt nicht erst an der Ladentür! Dabei gibt es wohl wenige Regionen in Deutschland, wo die Ausgangslage für Innenstädte und Einzelhandel so gut ist.“
Text: hw
Bild: Adobe Stock – methaphum
Bild: Volle Taschen: IHK-Studie erwartet, dass sich der grenznahe Einzelhandel positiv entwickeln wird.