Sie haben einiges gemeinsam: Beide haben ihr Amt im vergangenen Sommer angetreten, beide möchten die Region voranbringen, beide engagieren sich für die Fachkräfte von morgen: Eberhard Liebherr, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, und Stefan Trahasch, Rektor der Hochschule Offenburg (HSO). Nach den ersten Monaten in neuer Funktion trafen sie sich zum Kennenlernen. Ein Gespräch über Gemeinsamkeiten und Schulterschlüsse.
Wirtschaft und Wissenschaft – wie passt das zusammen?
Stefan Trahasch: Das passt wunderbar zusammen. Die HSO ist ja eine Hochschule für angewandte Wissenschaften. Das heißt, wir forschen gemeinsam mit den Unternehmen, mit der Wirtschaft. Dabei ist es unser Ziel, dass die Forschung in die Praxis umgesetzt wird. Natürlich, um die Unternehmen voranzubringen und um die Innovationsfähigkeit der Region zu fördern. Aber auch, weil wir selbst viel lernen, vor allem über die konkreten Herausforderungen für die Unternehmen. Das liefert uns wiederum Input für weitere Forschungsfragen. Ich sehe den wechselseitigen Austausch als sehr hilfreich und sinnvoll an.
Wissen die Unternehmen der Region denn eigentlich, dass die Hochschule Offenburg für sie da ist?
Eberhard Liebherr: Als langjähriges Mitglied der IHK-Vollversammlung weiß ich natürlich um die Verbindungen von IHK und Hochschule. Aber tatsächlich waren mir die konkreten Synergien im Bereich Energiewende, Digitalisierung oder auch bei mittelständischen Betrieben im Detail nicht bewusst. Ich hätte selbst auch gar nicht gewusst, wie man sich als Unternehmen an eine Hochschule wendet. – Wobei ich zugeben muss, dass ich es bisher auch nicht probiert habe.
Die Frage geht direkt an Sie, Herr Trahasch: Wie wendet sich denn ein kleiner Mittelständler an die Hochschule Offenburg?
Trahasch: Die Möglichkeiten sind vielfältig. Transfer findet ganz praktisch durch unsere Absolventinnen und Absolventen statt, die in den Unternehmen unserer Region arbeiten. Die kennen die Hochschule und die richtigen Ansprechpartner. Außerdem pflegen wir langjährige Beziehungen zu Verbänden und Unternehmen, über die wiederum Kontakte entstehen. Und wir bieten Veranstaltungen, beispielsweise die Reihe „Unternehmen Zukunft“, bei der wir Forschungsthemen vorstellen und die Unternehmen zum Networking einladen. Dabei erleben wir immer wieder, wie gewinnbringend der Austausch für alle Beteiligten ist. Aber wir wollen noch besser werden: Wir möchten den Dialog mit der Wirtschaft künftig stärker strukturieren, um insbesondere den kleinen Unternehmen den Zugang zu erleichtern. Das bringt die Innovationsfähigkeit der gesamten Region voran.
Genau das wurde in der „Zukunftsstrategie Südlicher Oberrhein“ der IHK, die wir 2020 veröffentlicht haben, ja stark bemängelt: die fehlende Innovationskraft in der Region. Mangelt es da bei den Unternehmen vielleicht am Wissen um die Möglichkeiten?
Liebherr: Tatsächlich müssen auch wir als IHK Südlicher Oberrhein diese Botschaft bei den Mitgliedern viel breiter streuen, das stimmt.
Trahasch: In der Bundesregierung wird diskutiert, die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, kurz DATI, aufzubauen. Durch die DATI sollen Transferstrukturen entstehen, die nicht kurzfristig und für einzelne Projekte angelegt sind, sondern langfristig über Jahre. Dieser Vorschlag ist begrüßenswert.
In regionalen Transferzentren sollen Hochschulen, Unternehmen und Kommunen gemeinsam Innovationen entwickeln, zum Beispiel in der Digitalisierung oder Robotik. Oder im Bereich Energie, wo wir an der Hochschule Offenburg im Regionalen Innovationszentrum für Energietechnik schon jetzt zusammen mit dem Mittelstand innovative Energielösungen entwickeln.
Das RIZ Energie ist gebaut und gefördert von Unternehmen aus der Region sowie mit Mitteln des Landes und der EU. Dort entsteht täglich Transfer im Sinne konkreter Innovationen. Das bringt den Wirtschaftsstandort voran und schafft Perspektiven für die Menschen vor Ort. Solche Transferzentren brauchen allerdings funktionierende Netzwerke, und die sollten wir in unserer Region stärken.
Diese langfristigen Überlegungen sind wichtig, aber wie bekommen wir kurzfristig Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, eben damit solche langfristigen Projekte überhaupt entstehen können?
Liebherr: Ich mache jetzt einfach mal einen ganz schnellen Vorschlag – ohne mich selbst einladen zu wollen: Ich nehme die Idee mit ins Präsidium, ob wir eine unserer nächsten Vollversammlungssitzungen an der Hochschule Offenburg und mit Einblick ins RIZ Energie machen. Die Botschaft, welche Möglichkeiten es dort für unsere Unternehmen gibt, die müssen wir dann schnell über unsere Kanäle verbreiten.
Trahasch: Sie sind sehr herzlich eingeladen! Und natürlich alle interessierten Unternehmen.
Kann so ein Termin über den Transfergedanken hinaus möglicherweise der Auftakt sein, um die Akteure in der Region zusammenzubringen? Denn Fakt ist, dass wir einfach mehr Schlagkraft brauchen, um in Berlin oder Stuttgart sichtbarer zu werden oder um Fachkräfte auf den südlichen Oberrhein aufmerksam zu machen.
Trahasch: Die HSO ist der gesamten Region Südlicher Oberrhein verpflichtet, beziehungsweise der Trinationalen Metropolregion Oberrhein, auch wenn unsere Standorte in Offenburg und Gengenbach sind. Unsere Aufgabe, Innovationen zu treiben und Nachwuchskräfte zu entwickeln, stellt sich von Waldshut und Lörrach über den Schwarzwald bis nach Achern und Bühl. Wenn wir unsere Region zukunftsfest machen wollen, müssen wir gemeinsam vorangehen. Das ist mir ein großes Anliegen für meine Amtszeit.
Liebherr: Die IHK kann und muss da sicher auch einer der Treiber sein. Ich habe schon bald einen Termin mit der FWTM im Kalender und auch dort werde ich das Thema ansprechen. Wir beide, Professor Trahasch und ich, haben jetzt das Startsignal gegeben. Jetzt müssen es mehr werden.
Interview: naz