„Man muss schon robust sein und ein bisschen was abkönnen. Für Püppchen ist das nix.“ Wenn Sabrina Pioch (Bilder oben und rechts) das sagt, spricht eine lebhafte junge Frau über ihren Job. Und der verlangt von ihr im Augenblick nicht nur Widerstandskraft, sondern Motivation über das übliche Haltbarkeitsdatum hinaus. Und ohne Disziplin ginge auch nichts. Das liegt in erster Linie an ihrer Form der Ausbildung: Ein Studium Plus hat sie sich ausgesucht. Das heißt: Lehre zur Industriemechanikerin bei Hansgrohe in Schiltach. Parallel dazu ein Studium in Maschinenbau/Mechatronik mit Ingenieursabschluss. Nix für Püppchen? Schwer zu beurteilen. Auf alle Fälle ist es etwas für eine junge Frau, die beim Girls‘ Day vor einigen Jahren Blut geleckt hat. Oder sollte man besser sagen, dass ihr der Duft des Schmierfetts in die Nase gestiegen ist?
„Alle in meiner Familie sind technisch versiert“, schmunzelt Sabrina Pioch. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie „ihren“ Girls’ Day damals bei Trumpf Laser in Sulgen absolviert hat. Ein Tag, an dem in jedem Jahr Mädchen in Kontakt mit den gern als solchen bezeichneten „Männerberufen“ kommen können, sollen und wollen. Sabrina Pioch war prädestiniert: Nach der zehnten Klasse wechselte sie aufs Technische Gymnasium in Schramberg, dem ging eine Phase in der Kindheit voraus, als „ich nur mit Autos und Lego gespielt habe, weil ich eben mit Jungs aufgewachsen bin“, resümiert die 21-Jährige. Auch heute findet sie es cool, zusammen mit einer weiteren jungen Frau als „Studium-Pluslerinnen“ das Team der drei männlichen Industriemechaniker zu ergänzen: „Wir müssen genauso feilen wie sie“, fasst sie zusammen und ergänzt: „Wir sind eine gute Truppe, die prima zusammenarbeitet!“
as bestätigt auch Björn Thau. Er ist Ausbilder in der Hansgrohe Talentschmiede und freut sich, dass er mit weiblichen Auszubildenden in „Männerberufen“ nur die besten Erfahrungen macht: „Die jungen Frauen glänzen oft mit absolut präziser Arbeit!“ Den Girls‘ Day findet Björn Thau eine „prima Sache“, bei der Hansgrohe bereits seit 2007 mit von der Partie ist: „Dieser Tag ist für uns nicht mehr wegzudenken, er ist ein fest verankerter Aktionstag.“ Sabrina Pioch ist beileibe nicht das erste „Girl“, das bei Hansgrohe in einem als typisch eingestuften Männerberuf gelandet ist. Und auch für dieses Jahr kann Björn Thau bereits Zusagen von Mädchen verbuchen: „Wenn es gut läuft, haben wir für 2022 fünf weibliche Auszubildende in den gewerblich-technischen Berufen.“
Janine Hanke, Servicepartnerin in der Hansgrohe Talentschmiede, betreut den Girls‘ Day, und sie lobt die Schulen, die sich als „total engagiert“ erweisen. Schülerinnen in der sechsten Klasse melden sich – oft mit Unterstützung der Eltern – an und finden es meist ziemlich klasse, was ihnen beim Armaturenhersteller geboten wird. Dazu Sabrina Pioch: „Während der Pandemie haben wir für die Mädels Pakete gepackt mit Kabel, Batterie und einer LED-Lampe. Wir haben dann in einem Onlinemeeting einen kleinen Motor gebaut, um allen das Thema Elektrotechnik näherzubringen. Das hat echt Spaß gemacht – und nicht nur uns!“
Björn Thau berichtet indes, dass die jungen Männer durchaus erst ihre Position neben den Kolleginnen finden müssen: „Mancher hält sich dann schon eher mal zurück mit einer Frage, weil er sich vielleicht überlegt, welchen Eindruck das macht.“ „Aber“, ergänzt Sabrina Pioch: „die Männer sind insgesamt schon ein wenig entspannter.“
Weg vom Klischee, hin zur geschlechterneutralen Vielfalt in der Berufswelt: Das ist das, was Verena Schickle, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Offenburg, zum Girls‘ und Boys‘ Day einfällt. Und sie fährt fort: „Sowohl für die Unternehmen als auch die Schülerinnen und Schüler gilt: Je offener sie sind, desto größer ist der Gewinn, den sie davon haben.“ Stereotype, Stigmatisierung, Rollenklischees – nichts ist für Verena Schickle unnötiger. Vor allem nicht angesichts der Tatsache, dass auch Forschung und Statistik zeigen: Heterogene Teams erzielen die besseren Ergebnisse! „Die bunte Mischung ist am fruchtbarsten“, resümiert die Gleichstellungsbeauftragte.
Um auch wirklich alle zu erreichen, geht die Stadt Freiburg an dieser Stelle einen ganz eigenen Weg. Bei Anzeigen verwendet die Behörde künftig den Zusatz (a) für „alle“. Zudem schreibt sie den Jobtitel in den kommenden zwei Jahren nur noch in der weiblichen Form. „Die unzähligen, individuellen Unterschiede einer vielfältigen Gesellschaft sind eine Bereicherung und sollen nicht nur mitgedacht, sondern künftig offensiv von uns eingeworben werden“, erklärt Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn in einem Beitrag der Badischen Zeitung.
dg
Der Girls‘ und Boys‘ Day 2022 findet am 28. April statt. Infos für interessierte Unternehmen wie für Schülerinnen und Schüler gibt es unter www.girls-day.de und www.boys-day.de