Kaum hat die Welt begonnen, sich von der Coronapandemie zu erholen, sehen sich viele Länder durch den russichen Angriff der Ukraine mit der nächsten wirtschaftlichen Krise konfrontiert.
In diesem Gastbeitrag schätzt Norman Thatcher Scharpf, Generalkonsul im US-Generalkonsulat Frankfurt, die aktuelle globale Lage ein.
Jetzt, da sich die Welt gerade beginnt von den durch die Covidpandemie verursachten wirtschaftlichen Härten zu erholen, ist der russische Angriff auf die Ukraine eine weitere Bedrohung der globalen Wirtschaft. Viele weitere Länder werden bald die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise zu spüren bekommen. Wir kennen noch nicht das gesamte Ausmaß von Putins Krieg auf globale Wertschöpfungsketten. Wir sehen aber bereits, dass die Sanktionen, welche die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten verhängt haben, schwerwiegende Folgen auf die russische Handlungsfähigkeit im Angriffskrieg auf die Ukraine haben.
Zum Autor
Norman Thatcher Scharpf ist seit dem 6. August 2021 Generalkonsul im US-Generalkonsulat Frankfurt. Vor seinem Eintritt in den Auswärtigen Dienst war er als Surface Warfare Officer bei der US-Marine tätig. Thatcher Scharpf wuchs in Washington, DC auf. An der University of Pennsylvania absolvierte er ein Bachelor-Studium der Wirtschaftswissenschaften. Danach schloss er sein Master-Studium im Bereich National Security Resource Strategy an der National Defense University ab. Zu seinen aktiven Fremdsprachen gehören Deutsch, Slowakisch, Portugiesisch, Spanisch und Französisch. Drei von Thatchers vier Großeltern waren die Kinder oder Enkelkinder von Deutschen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Hessen und Baden-Württemberg in die USA auswanderten.
Der Westen ist bereit zusammenzuarbeiten
Wir sehen vor allem die große Bereitschaft des Westens zusammenzuarbeiten: Präsident Biden und die Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen haben vereinbart, die europäischen Anstrengungen voranzutreiben, so schnell wie möglich die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren und den Gasverbrauch in Europa insgesamt zu reduzieren. Gemeinsam mit den internationalen Partnern werden die Vereinigten Staaten in diesem Jahr zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas (LNG) nach Europa liefern. Auch werden wir als Antwort auf die europäische Gesamtnachfrage ab 2030 jährlich 50 Milliarden Kubikmeter LNG liefern. Diese Krise bietet eine Chance: Sie kann zu einem Katalysator werden, der Investitionen möglich macht, die uns helfen werden, unsere Ziele im Bereich sauberer Energien und einer emissionsfreien Zukunft zu erreichen. Die Vereinigten Staaten und die EU haben sich dazu verpflichtet, den transatlantischen Handel und Investitionen zu erhöhen, unsere technologische und industrielle Führungsrolle in der Welt zu stärken und Innovationen zu fördern. Erst kürzlich habe ich das Cyber Valley in Tübingen besucht, welches ein solides Beispiel für die Deutsch-Amerikanische Zusammenarbeit und Bereitschaft ist, eine grünere Zukunft voranzubringen. Diese auf hohem Niveau stattfindende Verpflichtung gegenüber einer technologischen Agenda spiegelt nicht nur unsere gemeinsamen Werte wider, sondern macht uns auch wirtschaftlich und technologisch widerstandsfähig gegen Russlands Krieg und andere Krisen. Dies schafft eine Stabilität, die isolierte Länder wie Russland oder China niemals erreichen können.
So wie wir mit Schrecken auf das Verhalten Russlands schauen, sind wir ebenso sehr besorgt über die Volksrepublik China. China verhält sich in einer Art, die amerikanischen und europäischen Arbeitnehmern schadet, unseren technologischen Vorsprung mindert, unsere Allianz und Einfluss in internationalen Organisationen bedroht und die vor allem auf die Modernisierung seines Militärs hinwirkt.
Dies alles zielt darauf ab, den Westen stärker von China abhängig zu machen und Chinas Verpflichtung gegenüber dem internationalen System, das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges Frieden, Wohlstand und Stabilität garantiert hat, zu reduzieren. In diesen und anderen Bereichen stellt China eine signifikante Bedrohung westlicher Interessen und Werte dar.
Gemeinsam mit unseren Alliierten und Partnern werden die Vereinigten Staaten von Amerika der chinesischen Herausforderung aus seiner Position der Stärke begegnen. Wir werden unsere gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen voranbringen, Chinas aggressiven Zwangsmaßnahmen kontern, unseren militärischen Vorsprung bewahren, uns im UN-System engagieren und unsere wichtigen Sicherheitspartnerschaften wiederbeleben. Gleichzeitig werden wir mithilfe ergebnisorientierter Diplomatie mit China in gemeinsamen Interessenbereichen zusammenarbeiten, zum Beispiel im Bereich Klimawandel. Die chinesische Herausforderung an unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unsere Werte wird das 21. Jahrhundert prägen.
Das Jahr 2022 wird gekennzeichnet sein von der Überwindung von Krisen, die für ihre Unternehmen große Herausforderungen, aber auch große Chancen darstellen. Ich bin davon überzeugt, dass am Ende freie und faire Märkte sowie Frieden und Demokratie gewinnen werden.
Text: Norman Thatcher Scharpf
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