Vom 1. bis zum 19. Juli finden die Wahlen zur Vollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee statt. Über 40.000 Mitgliedsunternehmen sind aufgerufen, ihre Vertreter für das „Parlament der Wirtschaft“ in den kommenden fünf Jahren zu wählen. Ein besonderes Jahr für die vielen ehrenamtlich engagierten Unternehmerinnen und Unternehmer.
Herr Conrady, Sie sind seit vielen Jahren in der Vollversammlung und im Präsidium aktiv, seit 2014 sind Sie Präsident der Kammer. Warum ist das Ehrenamt für die IHK so wichtig?
Es geht zum einen um die demokratische Legitimation, zum anderen um die schlichte Bewältigung unserer Aufgaben. Ohne das Ehrenamt könnten wir unsere Arbeit schon quantitativ überhaupt nicht bewältigen. Mich begeistert die große Zahl von über 2.000 ehrenamtlich Engagierten immer wieder. Einen Teil davon bildet die Vollversammlung mit 50 Mitgliedern als Parlament und beschlussfassendes Gremium der IHK. Ob in der Berufsausbildung, in den Fachausschüssen oder als Mitglied der Vollversammlung: Gemeinsam stärken sie die Wirtschaft als Teil der Gesellschaft in unserer Region am Hochrhein und Bodensee.
Wie wird die Vollversammlung denn gewählt?
Die Vollversammlungswahl ist eine Briefwahl. Optional bieten wir an, online zu wählen. Das geht einfach, schnell und unkompliziert. Wahlberechtigt ist jedes der über 40.000 Mitgliedsunternehmen, egal ob groß oder klein. Gewählt wird in verschiedenen Wahlgruppen und Wahlbezirken, die durch einzelne Gewerbezweige beziehungsweise Branchen gebildet werden. Jedes wahlberechtigte Mitglied wählt somit Kandidatinnen oder Kandidaten aus seiner Wahlgruppe und seinem Wahlbezirk.
Kommen wir auf die Aufgaben zu sprechen. Welche Aufgaben obliegen denn der Vollversammlung?
Als oberstes Organ trifft die Vollversammlung alle Grundsatzentscheidungen der IHK. Das umfasst zum Beispiel die Satzung, den Wirtschaftsplan, die Wahlen von Präsidium und Präsidenten sowie inhaltliche Beschlussfassungen, an denen das Hauptamt seine tägliche Arbeit ausrichtet. Vielfältige Aufgaben also, bei deren Erledigung unsere Selbstverwaltungseinrichtung immer das Gesamtinteresse der Wirtschaft im Auge behalten muss.
Sie haben jüngst eine Resolution gegen die Einführung einer sogenannten Bagatellgrenze beschlossen (wir berichten auf Seite 17). Zeigt sich hier ein inhaltlicher Schwerpunkt der aktuellen Arbeit?
Ja, einer von vielen. Die Umsatzsteuerrückerstattung wirkt wie ein Kundenbindungssystem und sichert so den Erfolg unserer Region. Hier geht es nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um die Vielfalt im Einzelhandel und im gastronomischen Angebot, um die Entwicklung unserer Innenstädte und die Versorgungsqualität im ländlichen Raum. Viele andere Regionen beneiden uns darum. Ohne die Nachfrage aus der Schweiz würde hier alles ganz anders aussehen. Diesen Erfolg ohne Not durch eine Bagatellgrenze aufs Spiel zu setzen, wäre ein ausgemachter Schildbürgerstreich, erst recht bei der aktuell vorgeschlagenen, europarechtlich maximal zulässigen Höhe von 175 Euro. Im Interesse unserer gesamten Wirtschaftsregion gilt es hier entgegenzuwirken. Das Gebot der Stunde ist die automatisierte, digitale Ausfuhrbescheinigung. Nur sie kann den Zoll wirklich entlasten, was dringend geboten ist, ohne die „unerwünschte Nebenwirkung“ einer Drosselung der Nachfrage. Das Stempelkissen halten wir nicht für zukunftsfähig. Mit wenigen Worten: Die Bagatellgrenze ist für uns eben keine Bagatelle – und das haben wir als Vollversammlung deutlich zum Ausdruck gebracht.
Da erübrigt sich ja die nächste Frage schon fast. Dennoch: Warum sollte man dabei sein?
Es gibt Hindernisse und Herausforderungen, die von einem alleine nicht überwunden werden können – unser Thema gerade eben war ein gutes Beispiel dafür. Es geht also darum, gemeinsam mitzugestalten und gemeinsam das Gesamtinteresse der Wirtschaft zu fördern. Wo immer das gelingt, macht es ausgesprochen Freude, sich ehrenamtlich zu engagieren und aktiv zu sein. Ich jedenfalls engagiere mich gerne für Dinge, die mir am Herzen liegen, auch und insbesondere für unsere Region. Und dasselbe stelle ich auch immer wieder bei den zahlreichen ehrenamtlich Aktiven fest.
Also, mitmachen lohnt sich demnach?
Aber sicher lohnt es sich! Wer sollte die Interessen der Wirtschaftsregion denn besser vertreten können als ein demokratisch legitimiertes Parlament mit dem Auftrag der Gesamt- und eben nicht der Einzelinteressensvertretung.
Ist die Meinungsfindung immer einfach?
Nein, ist sie nicht. Nicht selten verlangt das, was allen guttut, von einzelnen, ihre individuellen Interessen hintan zu stellen. Demokratie bedeutet, Themen auch kontrovers zu diskutieren, Positionen darzustellen, Kompromisse zu finden. In Zeiten rasanter, aber auch riskanter Informationsversorgung durch Netz und neue Medien bieten gerade solche Einrichtungen wie die Vollversammlung die Möglichkeit, sich intensiv und gründlich mit Themen zu beschäftigen und nach ausgewogenen Lösungen zu suchen. Auf die schnelle Twitternachricht verzichten wir da schon einmal gerne. Und die jüngsten Urteile der Gerichte in verschiedenen Bundesländern stärken uns in unserem Handeln. Sie konkretisieren die demokratische Legitimation und unsere Handlungsfelder. Das hilft uns, insbesondere gegenüber den politischen Mandatsträgern, die Interessen der Region zu vertreten.
Wie kann ich denn erfahren, wer zur Wahl steht?
Sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten werden auf unserer Homepage bekannt gemacht und darüber hinaus in der nächsten Ausgabe dieser Zeitschrift in einer eigenen Beilage veröffentlicht. Die schriftlichen Wahlunterlagen bekommen alle Mitgliedsunternehmen rechtzeitig auf dem Postweg zugesandt.
Bleibt zum Abschluss die Frage, was Sie sich für die bevorstehenden Wahlen wünschen?
Eine hohe Beteiligung natürlich! Ich möchte alle aufrufen, sich an der Wahl zu beteiligen. Und diejenigen, die selbst nicht zur Wahl stehen, lade ich herzlich gerne ein, sich in den Fachausschüssen oder in der Aus- und Weiterbildung zu engagieren. Eine starke IHK lebt vom starken Ehrenamt. Machen Sie mit. Es lohnt sich!
Herr Conrady, vielen Dank!
Interview: Christian Wulf