Ab dem 13. Mai stellt die IHK Südlicher Oberrhein eine ganze Veranstaltungsreihe unter das Motto „Nachhaltigkeit“. In rund zwei Dutzend kostenlosen Veranstaltungen haben Unternehmer die Möglichkeit, sich intensiv mit allen Facetten des Themas zu befassen. Von ökologischer bis zu sozialer Nachhaltigkeit, vom grünen Gründen übers Finanzieren bis zur Mitarbeitergewinnung . Wir sprachen vorab mit Patricia Moock, eine der etwa 20 Vortragenden, über Aufgaben, Chancen und den Sinn von mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen.
Frau Moock, traditionell haben Unternehmensberatungen Organisationen auf Effizienz getrimmt. Heute checken sie, ob das Geschäft nicht grüner, fairer, nachhaltiger und verantwortungsvoller hinzubekommen ist. Eine Zeitenwende?
Patricia Moock: In gewisser Weise schon. Die meisten Mittelständler wollen nicht noch ein Management-Make-Over, sondern sie wollen Werkzeuge, mit denen sie der Herausforderung begegnen können, dass sie selbst nachhaltiger werden müssen – was sie übrigens auch wollen. Die Unternehmen haben Druck von ihren Kunden – und das ist nicht nur der Endverbraucher. Sie haben Druck von ihren Mitarbeitern und vor allen Dingen haben sie ihn von den Mitarbeitern, die sie gerne hätten. Employer Branding ohne Nachhaltigkeit oder Corporate Social Responsibilty (CSR) funktioniert praktisch nicht.
Wie schwierig ist es für einen Mittelständler, sich nachhaltig aufzustellen?
Die größte Schwierigkeit liegt im Anfangen, im Herunterschrauben der eigenen Erwartungen, wie perfekt das alles sein muss. Muss es aber nicht – es muss einfach anfangen. Ich sehe es als meinen Auftrag, das Wissen hierfür auf das Wesentliche reduziert zur Verfügung zu stellen. Die meisten KMU sind so gestrickt, dass sie keinen Schnickschnack wollen, sondern gerne die wesentlichen Schritte gehen.
Wie gefährlich ist es für einen Mittelständler sich NICHT nachhaltig aufzustellen?
Sehr. Und die Antwort ist jetzt keiner Akquiseabsicht geschuldet. Es ist extrem gefährlich, nichts zu tun. Erstens wäre es eine Unterlassungssünde, weil man im Moment die Chance hat, sich deutlich von den Mitbewerbern abzusetzen. Zweitens befindet sich die gesamte Wirtschaft in einer Transformation, die zusätzlich durch den Krieg in der Ukraine und die Pandemie getrieben wird. Die Gesellschaft für Konsumforschung hat Nachhaltigkeit als den wichtigsten Trend ermittelt: 74 Prozent der Deutschen machen sich wegen Umweltverschmutzung Sorgen, 69 Prozent fürchten den Klimawandel. Das betrifft erst einmal direkt die Hersteller von Konsumgütern. Aber sie haben ihre Zulieferer. Und sie stehen diesen auf den Füßen, wenn es um CO2-Fußabdruck oder Einhaltung des Lieferkettengesetzes geht.
Patricia Moock
Patricia Moock ist Unternehmensberaterin und Diplom-Chemieingenieurin mit reichlich Erfahrung in der Industrie. Die 32-Jährige ist unter anderem zertifizierte Klimaschutzbeauftragte, zertifizierter Change-Leader für Nachhaltigkeitsthemen und Organisationsentwicklerin nach Trigon. Mit ihrer Beratungsgesellschaft 4L Impact Strategies hat sie sich der Aufgabe verschrieben, Unternehmen mit den zu ihnen passenden Nachhaltigkeitszielen zu verknüpfen. Zu ihren Instrumenten gehören Ansätze aus der Systemik, innovative Designprozesse und neue Denkansätze.
Wo steht der deutsche Mittelstand denn in seinen Nachhaltigkeitsbemühungen?
Er steht gar nicht so schlecht da. Der Mittelstand stellt meistens Produkte her, die wirklich gebraucht werden. Das gibt ihm per se Sinnhaftigkeit. Das ist wichtig, weil die Nachhaltigkeitsfrage eng verknüpft ist mit der Sinnfrage: Warum gibt es uns als Unternehmen? Kunden, Geschäftspartner, die Gesellschaft stellen diese Frage eben auch. Interessanterweise tauchen bei der Beantwortung häufig Konflikte auf. Zum Glück, denn so hat man die Chance, sie zu beseitigen, weil sie unterschwellig ohnehin da waren. Grundsätzlich würde ich aber sagen, dass der Mittelstand schon sehr viel für die eigene Nachhaltigkeit unternimmt. Meist sind das lose Einzelmaßnahmen, die man gut zusammenführen kann.
Die Vereinten Nationen geben mit ihren 17 Zielen für eine weltweite nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene eine Struktur vor. Ist nur das ein gutes Unternehmen, was alle 17 abarbeitet?
Natürlich nicht. Jedes Unternehmen muss sich die Frage stellen, welche davon wirklich relevant sind. Zwingend sind eigentlich nur die Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsstrategie, eine Klimaneutralitätsstrategie und die Arbeit an der Energieeffizienz. Ein Unternehmen sollte außerdem wissen, wo die großen Hebel sind bei den eigenen Treibhausgasemissionen. Wer dann noch das Ganze in einem Bericht kommuniziert, ist schon mal ganz ordentlich aufgestellt.
Warum ist die Kommunikation so wichtig? Driftet das nicht schnell ins Greenwashing?
Ein Unternehmen MUSS mit seinen Stakeholdern im Gespräch sein. Das Thema Nachhaltigkeit gehört in jedes Vertriebsmeeting. Aber auch nach innen ist die Kommunikation an diesem Punkt sehr wichtig, weil Nachhaltigkeit ohne Interdisziplinarität nicht funktioniert. Alle sind betroffen: Die Personalabteilung, Forschung und Entwicklung, Marketing, Produktion, Einkauf … Das darf man aber ruhig positiv sehen: Es ist eine großartige Möglichkeit, das Unternehmen zu stärken und einen Dialog mit allen zu starten. Nach außen kommuniziert werden sollte allerdings nur das, was wirklich funktioniert und authentisch ist. Kunden und Geschäftspartner merken ziemlich schnell, ob das Thema tatsächlich verankert ist.
Haben Sie praktische Tipps für Unternehmen?
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, DNK, bietet eine hervorragende Unterstützung, die kostenfrei ist und vom Aufbau einer Strategie bis zum Support beim Bericht reicht. Dann ist es wichtig, den größten Treiber für Emissionen zu identifizieren und da anzusetzen. Große Maßnahmen mit viel Impact anzugehen ist besser, als sich mit 20 kleinen Maßnahmen zu verzetteln. Meine Kunden fragen mich oft nach „quick wins“ und ich sage ihnen ehrlich, dass ich nichts weniger leiden kann als in diesem Bereich schnelle Effekte zu erzielen. Nachhaltigkeit ist ein komplexes Thema, das sich nicht eben mal schnell abfeiern lässt. Ein Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit zu drehen, heißt, dass sich bei allen Beteiligten das Mindset ändern muss. Und: Geschäftsführer und Gesellschafter müssen es aushalten, dass wir nicht alle Ungewissheiten ausräumen können und dass es Dinge gibt, die einfach ihre Zeit brauchen. Das ist aber Unternehmertum an und für sich.
Glauben Sie an die Klimaneutralität der Industrie als solcher?
Die Industrie wird immer Treibhausgase emittieren. Das geht gar nicht anders. Das ist aber auch genau das Feld, auf dem ich meine Aufgabe sehe: Ich möchte die Industrie gerne befähigen, in diesen Umbruchzeiten so viel hinsichtlich Nachhaltigkeit zu gestalten wie nur möglich. Eigentlich ist die augenblickliche Dynamik absolut großartig.
Interview: Doris Geiger
Bild: Bild: PicItUp – Adobe Stock