„Nachhaltiges Wirtschaften – die größte Herausforderung unserer Zeit?“ So lautete der Titel der IHK-Veranstaltung Anfang Mai in Offenburg mit Keynote Speaker Andre Baumann. Doch der Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft brachte schnell auf den Punkt, dass er andere Vorstellungen hat: „Herausforderung ist mir viel zu passiv.“ Für den grünen Politiker steht fest, dass das Thema gerade für Baden-Württemberg ein Muss ist. „Wer, wenn nicht wir, im Land der Ingenieure, Tüftler und Weltmarktführer in jedem Schwarzwaldtal, kann den Wandel schaffen?“

Welche Bedeutung das Thema Nachhaltigkeit längst hat, erklärte Andreas Truttenbach, stellvertretender Präsident der IHK Südlicher Oberrhein und Inhaber von RMA Pipeline Equipment in Rheinau und Kehl, in seiner Begrüßung: „Wir Unternehmerinnen und Unternehmer stellen uns aktuell nicht die Frage nach Umsatz oder Gewinn. Eher drehen sich unsere Fragen darum, ob das Geschäft nicht grüner, nachhaltiger und verantwortungsvoller hinzubekommen ist.“
Die Ortenau sieht Staatssekretär Andre Baumann beim Thema Nachhaltigkeit schon ganz vorn. Zumindest begann er seinen Vortrag mit einem Lob in Richtung des Ersten Landesbeamten im Ortenaukreis, Nikolas Störmer. „Mit Blick auf die nachhaltige Energiegewinnung läuft es hier besser als in anderen Landkreisen.“ Und auch er und die Landesregierung möchten dazu beitragen, dass es noch schneller geht: „Die Genehmigung von Windkraftanlagen haben wir mit der Streichung des Widerspruchverfahrens um ein Jahr verkürzt. Langfristig streben wir eine Halbierung der Zeit von sieben auf dreieinhalb Jahre an.“
Jetzt ist die richtige Zeit
Die natürlichen Gegebenheiten in der Region, freute sich der studierte Biologe mit den Schwerpunkten Naturschutz und Ökologie, würden ebenfalls ideale Voraussetzungen für nachhaltiges Wirtschaften bieten. „Im Oberrheingraben gibt es ein Lithium-Vorkommen. Damit könnten wir uns unabhängig machen von Südamerika“, blickt Baumann in die Zukunft. Und setzt gleich eine Warnung obendrauf: „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es teuer. Die fossilen Energieträger werden nie wieder so günstig wie vor der Krise.“ Deshalb erwartet er von den Unternehmen, dass sie die Herausforderung als Chance sehen und aktiv angehen, „und zwar ohne Miesepetrigkeit und nicht, weil sie es müssen“. Mit einem Sprichwort brachte der Staatssekretär die Notwendigkeit des Handels auf den Punkt: „Wer nicht mitkocht, steht irgendwann auf der Speisekarte.“
Zwar ist der Anteil Baden-Württembergs an den Treibhausgasemissionen weltweit nur sehr gering, doch weiß der grüne Politiker andere Gründe für die Unternehmen, den Wandel anzugehen. „Die Märkte der Zukunft sind grün.“ Jetzt gelte es, mit nachhaltigem Wirtschaften Arbeitsplätze zu schaffen und Wohlstand zu generieren: „Wir müssen zeigen, dass wir es hinbekommen. Wenn wir das schaffen, werden wir schnell Nachahmer finden.“ Schmunzeln der rund 40 Zuhörer erntete der Experte für einen weiteren Anreiz: „Es ist unsere große Aufgabe, dass Tesla die Rücklichter von Mercedes sieht!“
Auch den Verbrauchern widmete sich der Staatssekretär in seiner Keynote. „Wichtig ist, dass die Energiewende sozialverträglich abläuft. Öko darf nicht eine Frage des Geldbeutels sein.“ Ein Szenario wie in Frankreich mit der Gelbwestenbewegung dürfe es hierzulande nicht geben. Deshalb schickte Baumann einen eindringlichen Appell an die anwesenden Unternehmer: „Es geht nicht ohne Sie. Es geht nur mit Ihnen.“ Deshalb sei es dringend erforderlich, dass sich die Wirtschaft in die politischen Debatten einmischt, um ihre Sicht der Dinge zu kommunizieren.
Der größte wirtschaftliche Umbruch seit Jahrhunderten
In der anschließenden Diskussion folgten die Teilnehmenden der Aufforderung des Politikers direkt. „Warum ist nicht längst eine Photovoltaikanlage auf jedem Verwaltungsdach?“ oder „Warum nutzt die Politik nicht viel mehr den Hebel der Gesetzgebung?“ lauteten zwei der Fragen an den Redner aus Stuttgart, der keine Antwort schuldig blieb. So mache seiner Meinung nach eine Photovoltaikanlage nur Sinn, wenn das Dach neu gemacht würde, nicht vorher. Deutlich wurde, dass Baumann auf die Einsicht der Unternehmerschaft hofft: „Gesetzgebung darf nicht strangulierend, sondern muss motivierend sein.“
Zustimmung gab es vom Staatssekretär auf die Forderung nach mehr Ehrlichkeit: „Ja, wir erleben den größten wirtschaftlichen Umbau seit der industriellen Revolution. Da wird es Verlierer geben. Aber diese Gruppe muss so klein wie möglich sein.“
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Die Veranstaltung war der Auftakt zur „Woche der Nachhaltigkeit“ der IHK Südlicher Oberrhein. Zwischen dem 16. und dem 25. Mai hatte es mehr als 20 kostenlose Onlineveranstaltungen gegeben, bei denen das Thema Nachhaltigkeit in seinen vielen Facetten beleuchtet worden war.