Unabhängig von der Branche: Für die Wirtschaft ist die Digitalisierung eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Deshalb hat die IHK Südlicher Oberrhein die Kampagne „DigitaleZukunft – Wirtschaft 4.0 in der Region Südlicher Oberrhein“ gestartet. Den Anfang machte Ende November der gleichnamige Fachkongress in der Oberrheinhalle in Offenburg mit viel Expertenwissen, Diskussionen, Austausch und knapp 300 Interessierten.
Bereits beim Neujahrsempfang vor einem Jahr hatte IHK-Präsident Steffen Auer angekündigt: „Wir als IHK Südlicher Oberrhein werden in den kommenden Jahren ein Projektbudget von mindestens einer Million Euro aufsetzen, um die Unternehmen in Sachen Digitalisierung zu beraten und fit zu machen.“ Beim IHK-Kongress „DigitaleZukunft“ konkretisierte er diese Pläne: „Unter anderem werden wir zwei Vollzeitstellen einrichten, die die Unternehmen informieren und sensibilisieren.“ Ganz wichtig neben diesen Punkten sei außerdem – gerade für die Vielzahl der IHK-Mitgliedsbetriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern – die Vernetzung untereinander, damit erfolgreiche Lösungen aus Firmen in andere übertragen werden. Essenziell sei auch die Weiterbildung, merkte Auer an: „Ein Großteil Ihrer heutigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird in fünf Jahren vielleicht eine ganz andere Tätigkeit ausüben als heute.“
Welchen Stellenwert die Digitalisierung im Leben aller schon jetzt einnimmt, machte Christopher Peterka deutlich. „Wer von Ihnen hatte an diesem Morgen schon sein Smartphone in der Hand?“ Auf die Frage des Futuristen und Unternehmers ging bei allen Teilnehmern ein Arm in die Höhe. Peterka blickte fernab der Technik auf das Thema. „Wir treten gerade in eine neue Epoche ein. Ich nenne sie die Digitale Moderne, das Ende der Gutenberg-Galaxis und der Beginn der Zuckerberg-Galaxis.“ Hier gelte es zu handeln, für alle Bereiche der Gesellschaft. „Sonst ist das nur ein Stühlerücken auf der Titanic.“ Dass die IHK Südlicher Oberrhein ihre Mitglieder unterstütze, „nicht nur mit Kabeln“, sondern „eine schlauere und verantwortungsvollere Digitalkultur in die Unternehmen“ bringe, begrüßte der Experte sehr.
Einen Einblick in die künstliche Intelligenz, kurz KI, bot Bernhard Nebel, Professor der Universität Freiburg. „Das Argument, dass KI-Techniken zu Arbeitslosigkeit führen werden, gibt es bereits seit den 1970er Jahren.“ Die Automatisierung zu stoppen, mache jedoch wenig Sinn. Nebel: „Die Politik muss den Technologiewandel begleiten.“
Für Gerhard Schabhüser, Vizepräsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, bedeutet Digitalisierung zweierlei: „Einerseits bringt sie mehr Möglichkeiten, auf die Deutschland nicht verzichten kann und soll. Andererseits birgt sie mehr Gefahren, auf die Deutschland vorbereitet sein muss.“ Den Unternehmern empfahl er: „Wenn ihr Netzwerk Opfer eines Angriffs wird, holen Sie sich professionelle Hilfe dazu. Und handeln Sie besonnen und nicht hektisch. Im Schnitt dauert es 240 Tage, bis ein Angreifer im System entdeckt wird; auf einen Tag mehr oder weniger kommt es dann auch nicht mehr an.“ Bernd Reimer von Pricewaterhouse Coopers Germany sprach über die Aufdeckung von Wirtschafts- und Unternehmenskriminalität in Zeiten der Digitalisierung. „Wenn altes Schweinefleisch in eine Lagerhalle gebracht wird und Jahre später als frisches Wildfleisch wieder herauskommt, ist das einzig eine Frage der Daten.“
In dem von Saskia Naumann moderierten Podiumsgespräch kamen die vier Experten noch einmal zusammen. „Wir dürfen nicht stehen bleiben, müssen auch die wildesten Ideen diskutieren, wenn wir sie letztendlich auch nicht bis zum Schluss verfolgen“, warnte Peterka. Nebel betonte, wie wichtig lebenslanges Lernen und die Weiterbildung seien. „Mein Herz ist in Sachen DSGVO geteilt“, gestand Schabhüser in der Runde. „Überbürokratisierung ist ein digitales Hemmnis.“ Reimer bremste die Freude auf die Milliardeninvestition der Bundesregierung in Künstliche Intelligenz: „In Deutschland sind es drei Milliarden Euro in drei Jahren, in China 128 Milliarden in zweieinhalb Jahren.“
Nach dem Vormittag im Plenum ging es am Nachmittag in drei parallelen Sessions weiter. Hier hatten die Teilnehmer je nach Interessenschwerpunkt die Wahl zwischen Digitalisierungsthemen aus Industrie, Handel oder Logistik, ehe es zum Abschluss des Tages in einer weiteren Diskussionsrunde um „Wirtschaft 4.0 – Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten“ ging. Roland Wiesler vom Verpackungsspezialisten Faller aus Waldkirch kritisierte, dass er bei seinen Auszubildenden nicht das Gefühl habe, dass die Digitalisierung in den Schulen angekommen sei. „Es müsste eine bessere Vernetzung von Schule, Politik und Unternehmen geben.“ Simon Kaiser, Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung der IHK, forderte in dem Zusammenhang, dass auch der Prozess, in dem neue Berufe entstehen, beschleunigt werden müsse, um diese der Realität in den Unternehmen anzupassen. In den Metall- und Elektroberufen habe man das durch ein agiles Verfahren geschafft. Kaiser: „Aber beim Bauzeichner ist noch immer eine Anforderung die 2D-Zeichnung, dabei wird die überhaupt nicht mehr angewandt.“
Volker Schebesta, Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, betonte, wie wichtig ihm der Dialog mit der Wirtschaft sei. Daraus sind bereits die sogenannten Lernfabriken 4.0 entstanden, eine von 16 im Land ist an der Gewerblich-Technischen Schule Offenburg eingerichtet worden. „Die Lernfabrik 4.0 ist ein Labor, das im Aufbau und in der Ausstattung industriellen Automatisierungslösungen gleicht und in dem Grundlagen für anwendungsnahe Prozesse erlernt werden können“, erklärte der stellvertretende Schulleiter Jochen Dapp. „Maschinenbau und Elektrotechnik werden dabei durch professionelle Produktionssteuerungssysteme verknüpft.“ Alle vier Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass es in der Berufsausbildung nicht reiche, nur Tablets zur Verfügung zu stellen, sondern dass es bei der Ausbildung in der Digitalisierung vielmehr um die neuen Anwendungen und den Umgang mit diesen gehe.
naz