Nach mehreren Jahren teils ordentlicher Anstiege bei der Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse sind in diesem Jahr deutliche Bremsspuren am Ausbildungsmarkt festzustellen: 3.874 Ausbildungsverträge wurden bis 31. Oktober bei der IHK Südlicher Oberrhein registriert, das sind 11,5 Prozent oder 501 Verträge weniger als im Vorjahr.
Der Rückgang in diesem Ausbildungsjahr resultiert aus beiden Berufsgruppen, wobei die gewerblich-technischen Berufe mit einem Minus von 14,2 Prozent stärker einbrechen als die kaufmännischen (minus 9,9 Prozent). Zudem betreffen die Rückgänge alle Regionen des Kammerbezirks. Vergleichsweise stark sind sie im Landkreis Emmendingen (minus 16,2 Prozent) und in der Ortenau (minus 12,3 Prozent). Geringer fallen sie im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald (minus 8,4 Prozent) aus, während sich die Stadt Freiburg (minus 10 Prozent) im Durchschnitt bewegt.
Der Blick in die einzelnen Berufsgruppen zeigt, dass fast überall Rückgänge zu verzeichnen sind. Stabil bleiben einzig die Elektroberufe (plus drei Verträge), sowie kleinere Berufsgruppen in den Bereichen Bau (plus sechs Verträge), Holz (plus ein Vertrag) und Versicherung (plus acht Verträge). Besonders deutliche Rückgänge sind in der Metalltechnik (minus 223 Verträge), in der Gastronomie (minus 75 Verträge) und im Handel (minus 61 Verträge) zu verzeichnen.
in Minus ergibt sich auch bei den Verträgen mit Geflüchteten. Wurden hier im vergangenen Jahr noch 181 Verträge abgeschlossen, waren es in diesem Jahr nur 144. „Bei der Interpretation der Zahlen müssen im laufenden Jahr mehrere Faktoren berücksichtigt werden, die teilweise in Wechselwirkung zueinanderstehen“, sagt Simon Kaiser, Leiter des Geschäftsbereichs Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein. Der Experte zählt vier Punkte auf: Erstens: „Die Coronapandemie macht sich am Ausbildungsmarkt deutlich bemerkbar. Viele Unternehmen stehen vor existenziellen Herausforderungen, sind gezwungen, auf Sicht zu fahren und reduzieren deshalb ihr Ausbildungsangebot.“
Zweitens: „Durch das insgesamt reduzierte Angebot an Ausbildungsstellen waren Betriebe mehr als in den Vorjahren in der Lage, eine Auswahl zu treffen. Dies macht sich durch einen verstärkten Trend zu höherer schulischer Vorbildung bemerkbar. Mehr als 20 Prozent der neuen Auszubildenden in IHK-Berufen verfügen inzwischen über eine allgemeine Hochschulreife, weitere 13,5 Prozent über eine Fachhochschulreife.
Drittens: „Gleichzeitig beklagen viele Unternehmen auch in diesem Jahr einen Mangel an geeigneten Bewerbern, sodass teilweise bis in den Herbst hinein noch kurzfristig eingestellt wurde und wird. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vollzeitschulische Bildungsangebote als vermeintlich sicherer Hafen bei Schulabgängern besonders beliebt sind.“
Viertens: „Bereits vor der Pandemie war absehbar, dass sich in der für unsere Region sehr wichtigen Gruppe der Metallberufe nach jahrelangen deutlichen Zuwächsen ein Rückgang abzeichnet, der maßgeblich durch den Strukturwandel in der Automobilindustrie getrieben ist. Die Pandemie verschärft diesen Trend nun deutlich.“
Steffen Auer, Präsident der IHK Südlicher Oberrhein, erkennt auch positive Aspekte in der aktuellen Situation am Ausbildungsmarkt: „Ein rein negatives Bild zu zeichnen, wäre falsch. Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist ungebrochen hoch. Auch deshalb führt die aktuelle Ausnahmesituation nicht dazu, dass es zu einem Mangel an Ausbildungsplätzen gekommen ist. Angebot und Nachfrage sind in unserer Region in etwa ausgeglichen.“
Der Blick auf den überregionalen Vergleich gibt Auer recht, der Ausbildungsmarkt am südlichen Oberrhein zeigt sich im Vergleich zu anderen Kammerbezirken in Baden-Württemberg recht robust. Auer: „Zu verdanken hat die Region diesen Umstand der Tatsache, dass die Betriebe am südlichen Oberrhein sehr breit aufgestellt sind. Zwar fällt ein Hoch dann nicht so hoch aus, aber wir fallen auch nicht so tief.“ Simon Kaiser ist froh über die Tatsache, dass trotz der gesunkenen Zahlen kein Mangel an Ausbildungsplätzen zu verzeichnen ist. „Die vergangenen Jahre waren geprägt von einem erheblichen Überhang an Ausbildungsstellen, die am Ende mangels geeigneter Bewerberinnen und Bewerber nicht besetzt wurden. Der Puffer der vergangenen Jahre ist nun eben geschmolzen.“ Kaiser glaubt nicht, dass im kommenden Jahr mit einem weiteren Sinken der Zahlen zu rechnen ist. „Die Betriebe wissen, dass es eine Zeit nach Corona gibt und sie dann die Fachkräfte dringend brauchen werden.“
Auch für die Ausbildungsberater ist der Corona-Herbst außergewöhnlich, berichtet der Geschäftsbereichsleiter. „Es gab viele Betriebe, die sich angesichts der unsicheren Perspektiven erst sehr spät entschlossen haben, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Aus demselben Grund hatten wir bereits mehr Vertragslösungen als sonst.“ Etwas sorgenvoll blickt der IHK-Präsident auf den 31. Dezember. „Dann endet die Probezeit für die neuen Azubis dieses Jahres. Gerade im Bereich Hotel und Gastronomie rechne ich mit einigen Vertragsauflösungen aufgrund wirtschaftlicher Gründe. Wie und ob für diese Branche nach dem Lockdown ein Weihnachtsgeschäft möglich ist, ist derzeit schlicht noch nicht absehbar.“
Gemeinsam richten Auer und Kaiser einen Appell an die Schulen. „Die Berufsorientierung darf im kommenden Jahr nicht wieder zu kurz kommen“, sagt der IHK-Präsident. „Den Schülerinnen und Schülern fehlen sonst wertvolle Entscheidungshilfen für die Frage, wie es nach dem Schulabschluss weitergeht.“ Kaiser ergänzt: „Wir sind bereits dabei, unser Angebot an Berufsorientierungsprojekten virtuell umzusetzen. Das ist nicht immer möglich und auch nicht immer ein adäquater Ersatz. Aber in Zeiten, in denen Vorstellungsgespräche online stattfinden, ist die digitale Übung dazu vermutlich genau richtig.“
Text: naz
Bild: Solstock