Ungefähr jeder zehnte Auszubildende in der Region Hochrhein-Bodensee bricht im ersten Lehrjahr seine Ausbildung ab. Auch wenn dies weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt, sind es doch immer noch zu viele Jugendliche, die frustriert und demotiviert vorschnell ihren Ausbildungsplatz aufgeben. Gründe dafür können Prüfungsangst, sprachliche Defizite, Mobbing am Arbeitsplatz und vieles mehr sein. Ein Berufsabschluss erhöht jedoch die Chancen auf einen guten Job erheblich. Zweifelnden Jugendlichen soll die Initiative „Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen“ (VerA) helfen.
Das Projekt wurde Ende 2008 vom Senior Experten Service (SES) – einer der größten deutschen Ehrenamtsorganisationen für Fach- und Führungskräfte im Ruhestand – zusammen mit den Spitzenverbänden der deutschen Industrie, des Handwerks und der freien Berufe gegründet. Das Ziel von „VerA“ ist, durch die unterstützende Begleitung eines Betreuers, Ausbildungsabbrüche zu verhindern. Diese Betreuer – allesamt lebens- und berufserfahrene Fachkräfte im Ruhestand und Mitglieder des SES – wurden speziell dafür geschult und stehen den jungen Menschen in ihrer Ausbildung über längere Zeit zur Seite. In einer Eins-zu-eins-Betreuung treffen sie sich regelmäßig mit ihrem jeweiligen Tandem-Azubi auf neutralem Boden wie beispielsweise einem Café und bieten Unterstützung an: sei es bei der Motivation, sozialer Kompetenz, dem Verständnis für die Fachtheorie oder auch beim Bewältigen alltäglicher Probleme. Dabei arbeiten sie eng mit den Ausbildungsberatern der IHK und der Handwerkskammer zusammen.
„Das Projekt rettet nicht nur viele junge Menschen vor dem Abbruch ihrer Ausbildung und bietet ihnen somit eine Perspektive, sondern es gibt auch vielen Fachkräften im Ruhestand eine erfüllende Aufgabe. Sie freuen sich, ihre Erfahrungen und ihr Fachwissen weiterzugeben und sich ehrenamtlich für die Ausbildung zu engagieren“, sagt IHK-Ausbildungsberaterin Petra Böttcher, die die Initiative als vollen Erfolg sieht.
Wer „VerA“ in Anspruch nehmen möchte oder einen Auszubildenden kennt, der Unterstützung benötigt, kann sich an die IHK-Ausbildungsberater Petra Böttcher (Landkreis Konstanz) oder Rainer Reisgies (Landkreise Lörrach und Waldshut) sowie an die Regionalkoordinatoren Bruno Rüttnauer (Region Hochrhein) und Alfred Greis (Region Bodensee) wenden.
Der SES sucht außerdem stets nach neuen Mitgliedern, die eine Tandem-Betreuung eines Auszubildenden in der Krise übernehmen wollen. Auch sie können sich mit einem Ausbildungsberater oder Regionalkoordinator in Verbindung setzen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert VerA im Rahmen der Initiative „Abschluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“. Das bundesweite Angebot hat bisher über 15.000 jungen Menschen geholfen. Es ist für Auszubildende, Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe kostenfrei.
Text: doe
Bild: Katarzyna Bialasiewicz Photograhee.eu
Drei Fragen an … Bruno Rüttnauer
Der Senior Experten Service (SES) konnte für seine Initiative VerA einen neuen ehrenamtlichen Regionalkoordinator für die Region Hochrhein gewinnen: Ab sofort vertritt Bruno Rüttnauer das Mentorenprogramm für Auszubildende. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen die Landkreise Lörrach und Waldshut. Rüttnauer war bis zu seinem Ruhestand 2015 Leiter des Bereichs Aus- und Weiterbildung bei Evonik Industries in Rheinfelden und hat zahlreiche Kontakte zu Industrie, Handwerk und Schulen. Zu VerA kam er auf Empfehlung der IHK Hochrhein-Bodensee.
Herr Rüttnauer, Sie waren bis zu Ihrem Ruhestand Leiter der Aus- und Weiterbildung bei der Firma Evonik und als IHK-Prüfer und im Berufsbildungsausschuss der IHK aktiv. Was reizt Sie an der Arbeit mit jungen Menschen?
Junge Menschen verändern sich in ihren Grundhaltungen, Handlungsweisen und ihren Werten. Hier gilt es anzuknüpfen, und das hält jung, und man bleibt dabei rege. Ich sehe es als Geschenk an, wenn man sein Wissen und seine Erfahrung weitergeben kann. Sie sind unsere Zukunft, und es tut gut, sich für sie einzusetzen.
Haben Sie selbst eine Ausbildung absolviert oder vielleicht sogar eine Ausbildung abgebrochen?
In meinen „Sturm- und Drangzeiten“ habe ich es geschafft, vom Gymnasium auf die Realschule zu wechseln, dort eine Klasse wiederholen zu müssen und vorzeitig in der 9. Klasse abzugehen, um mit Freunden aus meiner Clique in der Metallfachschule zusammen sein zu können. Es gab viele Menschen in meinem Leben, die an mich geglaubt haben, mich unterstützt haben und die es mir ermöglicht haben, den spannenden Berufsweg vom Maschinenschlosser bis zum Leiter der Aus-und Weiterbildung zu gehen.
Worin können Sie Auszubildende in Krisensituationen konkret unterstützen?
Die Problemstellungen bei jungen Leuten sind sehr unterschiedlich. Manchmal wird einfach nur ein Zuhörer benötigt. Schwierigkeiten mit dem Betrieb, dem Ausbilder oder Lehrer können reflektiert oder Brücken geschaffen werden. Das Lernen zu lernen kann ein Thema sein, genauso wie das konzentrierte aktive Zuhören. Fachliche Probleme können in Ruhe besprochen werden. Zusammenhänge kann man nur verstehen, wenn man die deutsche Sprache beherrscht, also wird auch hier unterstützt. Ich denke, das Wichtigste ist zu versuchen, eine positive Grundhaltung zu vermitteln und aufzuzeigen, dass man durch Niederlagen oder Schwierigkeiten wachsen kann und dass man manchmal einen langen Atem benötigt, um ein Ziel zu erreichen. Wenn wir es schaffen, den Menschen in den Vordergrund zu stellen und die intrinsische Motivation zu steigern, ist schon viel erreicht.
Interview: doe
Ansprechpartner bei der IHK
Landkreis Lörrach und Waldshut:
Rainer Reisgies
Telefon: 07622 3907-223
Mail: rainer.reisgies@konstanz.ihk.de
Landkreis Konstanz:
Petra Böttcher
Telefon: 07531 2860-153
Mail: petra.boettcher@konstanz.ihk.de
Regionalkoordinatoren
Landkreis Konstanz:
Alfred Greis
Telefon: 07531 78788
Mobil 0151 12720580
Region Hochrhein:
Bruno Rüttnauer
Telefon: 07762 8629
Mobil 0173 3846539