„Big Quit“ wird die Personalnot in Hotellerie und Gastronomie nach der Coronakrise genannt. Mit einem Coaching antwortet die IHK Südlicher Oberrhein auf die Misere aufgrund tausender fehlender Mitarbeitender in der Branche. Im Juli verwandelte die IHK das Hotel „Roter Bären“ in der Freiburger Innenstadt zum Trainingscamp für Menschen, die sich im vierstündigen Crashkurs wesentliches Wissen für einen Aushilfsjob in der Gastronomie aneignen wollten.
„Am Ende werdet ihr das Teller-Taxi-Diplom erhalten“, scherzt Ulrike Weber bei der Begrüßung der rund ein Dutzend Teilnehmenden. Die Gastro-Expertin der IHK Schwaben ist mittlerweile zum TV-Star avanciert mit ihrer Turbo-Ausbildung für alle, die gerne in Restaurant, Kneipe, Biergarten oder Café im Service oder hinterm Tresen tätig sein möchten. Auch an diesem Montagnachmittag begleitet ein Team des SWR das Geschehen im Hotel von Christoph Glück, der sich sichtlich freut über die jungen Leute, die für die erste Übung des Tages zunächst ihre Finger sortieren, bevor sie auf einer Hand samt dazugehörigem Unterarm dann lässig drei Teller per Obergriff balancieren: „Auch wenn euer Ellbogen immer wegwill – er muss ran an euch“, korrigiert Ulrike Weber. Wiltrud Rösler, General Manager im Adagio Access Hotel in Freiburg, ist an diesem Tag ebenfalls mit von der Partie. Sie unterstützt mit Korrekturen, erzählt die eine oder andere Anekdote aus ihrem Berufsleben und lobt im Anschluss: „Als stellvertretende Vorsitzende der Dehoga-Kreisstelle Freiburg-Stadt weiß ich, was der Fachkräftemangel in unserer Branche bedeutet. Ich finde diese Initiative von Ulrike Weber und der IHK Südlicher Oberrhein großartig und ich unterstütze heute gerne, weil es wunderbar ist, mit jungen Leuten umzugehen, die Lust auf diesen Job haben.“
Einer dieser jungen Leute ist der 26-jährige David Wehrle, der als Teilzeitkraft in einem Restaurant arbeitet. Er folgte der spontanen Idee seiner Chefin, an diesem Kurs teilzunehmen: „Ich finde das hier richtig gut. Und mittlerweile könnte ich mir eine Karriere in der Gastronomie auch vorstellen.“
Interesse am Beruf wecken
Dass diese mehr bedeutet, als per Obergriff ein halbes Dutzend Teller zu jonglieren, wird im Laufe des Nachmittags deutlich: „Ihr tragt das Besteck niemals in der Hand durchs Restaurant! Das muss euch körperlich wehtun“, verkündet Ulrike Weber, bevor sie darauf eingeht, was der Gast wohl signalisiert, wenn er sein Besteck in „20-Nach-Acht-Stellung“ oder eben in „20-Nach-Vier-Stellung“ auf dem Teller platziert. Unter dem Stichwort „Bankett-Service“ hat sie dann noch mehr Wissen parat, das bereitwillig aufgenommen wird. Unter anderem auch von der 21-jährigen Meilin Schneider, die bereits ordentlich Gastro-Erfahrung hat, deren Traum jedoch in einer ganz anderen Branche spielt: „Ich will ins Musikmanagement. Dafür will ich in Berlin studieren. Und ich arbeite in der Gastronomie, weil ich mir noch Geld zusammensparen will“, berichtet sie selbstbewusst.
Ab jetzt regelmäßig
Das Service Trainingscamp für Aushilfskräfte geht ab Herbst in Serie. Los geht es am 13. November. Zwei weitere Coachings sind für 2024 vorgesehen.
Infos und Anmeldung bei
Andreas Klöble, Leiter der IHK-Akademie Südlicher Oberrhein
Telefon: 0761 2026-501
Mail: andreas.kloeble@freiburg.ihk.de
Für Menschen wie sie ist das Trainingscamp im Grunde auch ausgelegt. Christina Gehri, der bei der IHK Südlicher Oberrhein die Branchenbetreuung Tourismus und damit auch die Gastronomie obliegt, will mit der Veranstaltung den Mitgliedern auch zeigen, dass man sich bei der Kammer etwas einfallen lässt, um dem Fachkräftemangel wirksame Maßnahmen entgegenzusetzen: „Ich weiß, dass die Menschen hier die unterschiedlichsten Beweggründe für ihre Teilnahme haben. Aber das spielt überhaupt keine Rolle, denn es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass jemand dabei ist, der eben doch Blut leckt, und dann in eine Ausbildung geht“, ist sie sich sicher.
Diese Meinung teilt auch Christoph Glück, der seine Räume im „Roten Bären“ gerne für das Coaching am Ruhetag öffnet. Er ist Erster Vorsitzender der Dehoga-Kreisstelle Freiburg-Stadt und kann sich im Augenblick nicht über Personalnot in seinem Hotel beklagen: „Trotz der Coronakrise sind bei uns alle Mitarbeitenden an Bord geblieben. Ich sehe es dennoch als meine Aufgabe, Hand in Hand mit der Industrie- und Handelskammer etwas für meine Branchen-Kollegen zu tun“, bekennt er.
Nachdem an diesem Nachmittag jeder der Teilnehmenden auch noch ein Bier gezapft, das Abräumen geübt und sich im Servieren von Heißgetränken hat schulen lassen, geht es am Ende der vier Stunden noch in eine Theorie-Einheit. Von Gastgeberkultur über Hygienevorschriften bis zum Umgang mit Reklamationen lässt Ulrike Weber nichts aus, was zu den wichtigsten Elementen für einen Crashkurs im Gastro-Service gehört. Ihr Resümee ist auch an diesem Nachmittag ausgesprochen positiv: Zufriedene Teilnehmer, eine Portion Hoffnung für die Branche und bei ihrem immerhin schon sechsten Trainingscamp insgesamt nur ein kaputter Teller.
Doris Geiger
Bild: Wiltrud Rösler (2.v.r.), stellvertretende Vorsitzende der Dehoga-Kreisstelle Freiburg, unterstützt beim vierstündigen Crashkurs mit ihrem Wissen. Mit dabei: Der SWR.