Der Europaabgeordnete Elmar Brok und IHK-Präsident Thomas Conrady hielten beim Neujahrsempfang der IHK Hochrhein-Bodensee in Schopfheim engagierte Reden für ein gemeinsames Europa. Rund 500 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft waren dazu Ende Januar in die Stadthalle gekommen.
„Es ist das neunte Mal in Folge, dass ein Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee beim Neujahrsempfang auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken kann“, sagte Thomas Conrady. 2018 sei erfolgreich gewesen, aber dunkle Wolken seien aufgezogen, die die Wirtschaftsprognosen verdunkelten. Als Beispiele nannte er die USA, den Brexit, die schwierigen Haushaltsverhandlungen in Italien und die Gelbwestenbewegung in Frankreich. „Hoffnung setzen wir dagegen in die Erneuerung des Elysée-Vertrags“, so Conrady in seiner Rede, die unter dem Motto „zusammen“ beziehungsweise „gemeinsam“ stand. Donald Trump mit seinem „America first“-Prinzip und dessen Nachahmer in anderen Ländern sowie Regionen hätten Auswirkungen auf die internationalen Institutionen wie Nato und WTO. „Das Prinzip gemeinsam, das hinter allen internationalen Organisationen und multilateralen Verträgen steht, wird offen herausgefordert.“ Ähnliches stellte Conrady mit Blick auf die Europäische Union fest und betonte nachdrücklich: „Dem Binnenmarkt verdanken wir einen Großteil unseres Wohlstandes. Er ist nach wie vor der Zielmarkt Nummer eins für unsere exportierenden Unternehmen.“ Der Wert der Gemeinschaft sei für viele inzwischen eine Last, konstatierte er und verwies erneut auf die Briten, Italiener, aber auch auf Polen und Ungarn. Um den Erfolg der hiesigen Wirtschaft werde man nicht nur bewundert, sondern auch beneidet, so Conrady. Und immer wieder tauche der Vorwurf auf, der Erfolg Deutschlands sei ein Zeichen mangelnder Solidarität. Dem setzte er beispielhaft als eines der deutschen Erfolgsrezepte die duale Ausbildung entgegen – „um die uns, wie man überall hören kann, die Welt beneidet“. Er nannte die solidarische Finanzierung gemeinsamer Aufgaben, für die auch die IHK steht, das „Geheimnis einer erfolgreichen Wirtschaftsordnung, aber auch einer funktionierenden, einer intakten Gesellschaft“ und schloss mit dem Appell „gemeinsam gewinnt“.
Diesen Faden nahm der Festredner Elmar Brok, der seit 1980 für die CDU im Europäischen Parlament sitzt, auf: „Gemeinsam gewinnt, wie Sie sagten, ist in der Tat die Grundlage, warum wir die EU haben wollen.“ Auch der Politiker beklagte das fehlende Bewusstsein dafür, dass der gemeinsame Binnenmarkt der „entscheidende Träger unseres Wohlstandes“ sei. Dafür seien gemeinsame Regeln nun mal wichtig. Und überall, auch in Berlin und Stuttgart, würden mal unsinnige Entscheidungen getroffen. Dieselfahrverbote gebe es beispielsweise nur in Deutschland, nicht aber in den 27 anderen EU-Staaten. Zugleich hob Brok hervor, wie wichtig es sei, dass alle vom Binnenmarkt profitierten, die Großen, die ihre Waren exportieren wollen, genauso wie die Schwächeren.
Zu den Profiteuren der EU zählt auch Großbritannien, wie Brok betonte. 44 Prozent der britischen Warenexporte gingen in den Binnenmarkt, und 53 Prozent der Importe kämen von dort. Der Europaabgeordnete kritisierte vehement das Verhalten des britischen Parlaments angesichts des bevorstehenden Brexits (die Parteiinteressen seien wichtiger als die des Landes) und erläuterte die verschiedenen Streitpunkte innerhalb Großbritanniens, aber auch mit der EU. „Wer geht, kann nicht mehr die gleichen Vorteile haben wie jemand, der bleibt. Dann hieße es nicht mehr gemeinsam gewinnt“, sagte Brok.
Wie wichtig die Europäische Union für die einzelnen Staaten ist, betonte Brok auch mit Blick auf die USA, mit denen neue Verhandlungen über ein Handelsabkommen geplant seien. Wenn Trump die Möglichkeit habe, mit Österreich oder Luxemburg alleine zu verhandeln, habe kein Land das Gewicht, ihm entgegenzustehen. Das gelte für die EU-Länder auch mit Blick auf China (einen drohenden Ausverkauf könne man nur gemeinsam verhindern), und das gelte erst recht im IT-Zeitalter, das die Wirtschaft dramatisch verändern werde. „Ich kaufe meine Schuhe im Schuhladen, keines meiner Kinder tut das“, sagte der 72-Jährige und forderte: „Wir brauchen auch einen digitalen Binnenmarkt.“ Im selben Zug sprach sich Brok für einen besseren Ausbau der digitalen Infrastruktur aus und berichtete, wie er auf einer Dienstreise am Rande eines Nationalparks in Simbabwe besseren Handyempfang gehabt habe als im Teutoburger Wald. „Wir sind Entwicklungsland in diesem Bereich“, kritisierte er. Viel Beifall erntete Brok für seine Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Steuerrecht, damit die Steuern „dort gezahlt werden, wo die Gewinne generiert werden“. Das derzeitige System gehe zulasten des Mittelstandes.
Er schloss seine Rede mit einem flammenden Appell für Europa: „Diese EU, die uns 70 Jahre Frieden und Freiheit gebracht hat, kostet uns 12 bis 13 Milliarden Euro netto im Jahr.“ Das sei ein Drittel von dem, was uns die Bundeswehr koste. „Und bei uns fliegen die Flugzeuge im übertragenen Sinne“, sagte Brok. Er appellierte an die Anwesenden, als Unternehmer für die Europawahl am 26. Mai zu werben, eine demokratische, proeuropäische Partei zu wählen und vor allem junge Leute mitzunehmen. „Hier geht es um unsere Existenz“, sagte Elmar Brok mit Nachdruck. „Danke, dass Sie da einen Punkt gesetzt haben, Herr Brok“, sagte Thomas Conrady und appellierte ebenfalls an die Unternehmer, mit ihren Mitarbeitern zu sprechen und für Europa beziehungsweise die Europawahl zu werben. „Wir brauchen Europa. Aber Europa braucht auch uns“, so der IHK-Präsident.
Text: mae, Bilder Herbert Weniger