Zwar hat sich ihre Zahl in den vergangenen Wahlperioden kontinuierlich erhöht, doch noch immer sind Frauen in der IHK-Vollversammlung deutlich in der Minderheit. Lediglich 12 der 50 Mitglieder sind Frauen, weniger als ein Viertel. Das würde Nina Hartmann gerne ändern. Die Landesvorsitzende des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU) wirbt für mehr weibliche Präsenz in den IHK-Gremien.
1880 wurde die Kammer gegründet, aber es dauerte mehr als 100 Jahre, bis 1993 das erste Mal eine Frau für die Vollversammlung kandidierte. Warum, glauben Sie, zögerten die Damen so lange?
Nina Hartmann: Ich denke, die Erklärung dafür findet sich an mehreren Stellen: Zum einen gab es lange und gibt es immer noch weniger frauengeführte Unternehmen. Frauen waren und sind seltener in den Führungsebenen anzutreffen, und das ist ja die Zugangsvorausetzung für die IHK-Vollversammlung. Zudem ist die Hürde, in ein reines Männergremium zu kommen, für die ersten Frauen immer besonders hoch. Schließlich trauen sich Frauen oft zu wenig zu. Man muss sie ermutigen, sich für Ämter zu bewerben. Sie haben einen sehr großen Anspruch an sich selbst und lassen sich davon häufig unnötig abschrecken.
Welchen Anteil haben weibliche Führungskräfte mittlerweile in der Wirtschaft?
Laut dem Mittelstandspanel der KfW werden etwa 16 Prozent der kleinen und mittelgroßen Unternehmen von Frauen geführt. Der Frauenanteil in den Vorständen der Großunternehmen beträgt knapp zehn Prozent.
Was macht der VdU, um mehr Frauen zu motivieren, unternehmerisch tätig zu sein?
Der VdU hat diverse Anknüpfungspunkte. Wir motivieren Frauen, in Mint-Berufe oder generell in lukrative Berufsrichtungen zu gehen. Frauen neigen ja zu sozialen und schlechter bezahlten Tätigkeiten. Wir wollen sie ermutigen, eine Karriere und finanzielle Unabängigeit anzustreben. Und wir ermutigen sie auch, in die Verantwortung zu gehen, zum Beispiel im elterlichen Unternehmen, und haben dafür den Nextgeneration Award ausgeschrieben. Uns geht es außerdem darum, erfolgreiche Frauen als Vorbilder sichtbar zu machen – beispielsweise bei Diskussionen und Preisverleihungen oder mit der Veranstaltungsreihe Women Leadership der Uni Freiburg, die wir unterstützen. Und es ist uns ein besonderes Anliegen, dass Frauen in Gremien vertreten sind. Je mehr Frauen sichtbar sind, desto mehr werden junge Frauen ermutigt, diesen Weg einzuschlagen. Sie sollen nicht denken, dass sie sich entscheiden müssen zwischen Kindern und Karriere. Es ist mir ein besonderes Anliegen, klar zu machen, dass Frauen Familie und Unternehmertum verbinden können – wenn sie lernen, Aufgaben zu delegieren. Im Unternehmen und daheim.
Zur Person
Nina Hartmann (49) leitet den Landesverband Baden des Verbands deutscher Unternehmerinnen (VdU). Die Juristin ist in einer Unternehmerfamilie aufgewachsen: Ihr Vater Manfred Karle hat den Versicherungsmakler Südvers in Au bei Freiburg gekauft und aufgebaut, den ihr Bruder Florian heute in zweiter Generation leitet. Nina Hartmann arbeitet als Prokuristin bei Südvers. Zudem betreibt die Mutter von drei Söhnen gemeinsam mit ihrem Mann Peter Hartmann den Indoorspielplatz Nepomuks Kinderwelt in Neuenburg.
Wie unterscheiden sich Frauen und Männer in Führungspositionen?
Moderne Führung kommt der Art, wie Frauen führen, sehr entgegen. Denn es geht darum, auf das Individuum, auf den Menschen individuell einzugehen, ihn als Ganzes zu betrachten mit all seinen Ängsten und Sorgen – Stichwort: Work-Life-Balance. Außerdem liegt Frauen das Sinnstiftende sehr am Herzen. Beide Aspekte gewinnen an Bedeutung, weil es an Fachkräften mangelt und sich immer mehr Menschen entscheiden können, welchen Job sie machen. Es gibt natürlich auch Männer, die so führen können.
Warum sollten sich mehr Unternehmerinnen in der IHK engagieren?
Weil die IHK ein wichtiges Gremium ist, das durch die Pflichtmitgliedschaft eine gewichtige Rolle in der Wirtschaft und Politik hat, dessen Stimme für die Region und die Unternehmen spricht. Da sollte auch die Perspektive von Unternehmerinnen abgebildet sein. Deshalb haben wir unsere Mitglieder über die anstehende Vollversammlungswahl informiert und sie dazu ermuntert, über eine Kandidatur nachzudenken.
Interview: kat
IHK Wahl
Hinweis:
Nina Hartmann kandidiert nicht für die IHK-Vollversammlung – im Gegensatz zu allen zwölf Frauen, die aktuell der Vollversammlung angehören und sich für eine Wiederwahl bewerben wollen.
Kandidaturen für die IHK-Wahl 2021 können noch bis einschließlich 18. November eingereicht werden.
Alle Informationen dazu unter www.ihk2021.de