Vor sechs Jahren hat die Landesregierung das Projekt der Kümmerer, das eigentlich „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“ heißt, ins Leben gerufen. Landesweit unterstützen seitdem rund 50 Kümmerer junge Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Vor Kurzem wurde das Projekt um zwei Jahre verlängert. Bei der IHK Hochrhein-Bodensee helfen Jan Vollmar und Sven Ness, beide im Geschäftsfeld Aus- und Weiterbildung tätig, jugendlichen Geflüchteten bei der Ausbildungssuche. Zudem beraten sie Unternehmen, die Geflüchtete ausbilden möchten. Im Interview blicken sie auf die vergangenen Jahre zurück und erklären, was es für die Integration im Arbeitsmarkt braucht.
Das Projekt läuft seit 2016. Wie sieht Ihre vorläufige Bilanz aus?
Jan Vollmar: Es war auf jeden Fall spannend. Eine der größten Herausforderungen ist, dass man sich immer wieder auf neue Menschen einstellen muss. Jeder bringt eine andere Geschichte mit. Wir versuchen, in der Beratung für jeden einzelnen die passende Ausbildung zu finden. So konnten wir schon 241 Geflüchtete in unseren Landkreisen vermitteln.
Wie verlief damals das erste Beratungsgespräch?
Vollmar: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich habe mich sehr intensiv vorbereitet. Zum Beispiel wollte ich kulturell alles richtig machen und habe genau geguckt, wo der Kandidat herkommt, was sein Background ist et cetera. Ich habe mich sogar informiert, wie man jemanden auf Arabisch begrüßt. Und dann kam er an und sagte: „Was geht?“. Das Eis war sofort gebrochen und das Beratungsgespräch sehr locker.
Welche Informationen benötigen Sie vorab?
Sven Ness: Im ersten Schritt ist es auf jeden Fall wichtig, dass wir die berufsbezogenen Unterlagen oder Sprachzertifikate des Geflüchteten bekommen. So können wir uns einen kleinen Überblick verschaffen. Wichtig ist auch zu wissen, welchen Aufenthaltsstatus die Person hat.
Wie vernetzen Sie sich mit Geflüchteten, um ihnen helfen zu können?
Vollmar: Wir erreichen die Menschen auf unterschiedlichen Wegen. Es gibt zum Beispiel Helferkreise. Diese informieren die Geflüchteten über unser Angebot. Auch durch die Agentur für Arbeit werden die Personen auf uns aufmerksam.
Ness: Zudem hilft es, dass gerade die Menschen aus Syrien sehr stark vernetzt sind. Da spricht sich unser Angebot schnell rum.
Was sind zentrale Kriterien für die Integration in den Arbeitsmarkt?
Vollmar: Wir Kümmerer setzen bei der Beratung voraus, dass die geflüchtete Person ein gewisses Sprachniveau erreicht hat. Vorher macht die Ausbildung keinen Sinn, denn die Kommunikation muss funktionieren können.
Ness: Der Aufenthaltsstatus, kulturelle Offenheit, Sprachverständnis – das muss alles ineinanderfließen. Außerdem nimmt der Ausbilder eine entscheidende Rolle ein. Die Zusammenarbeit mit der geflüchteten Person ist sehr intensiv, manchmal schon fast familiär. Sie birgt aber auch Potential für Konflikte.
Wo liegt das größte Konfliktpotenzial?
Vollmar: Meistens ist der Schulunterricht das Problem. Im Betrieb läuft es oft gut. Die Leute sind motiviert und möchten arbeiten. Der Betrieb kann sich außerdem auf ihr Tempo einstellen. In der Schule kommt es jedoch oft durch die Sprachbarriere zu Problemen.
Ness: Auch im Unternehmen kann es durch fehlende Kommunikation zu Missverständnissen kommen. Oft haben die Geflüchteten Hemmungen zuzugeben, dass sie etwas nicht verstanden haben.
Haben Sie zu einigen noch Kontakt?
Vollmar: Ja, mit dem ein oder anderen habe ich noch Kontakt. Es ist sehr spannend zu erfahren, wie es für diese Menschen nach der Ausbildung weitergegangen ist. Sie gehen unterschiedlichste Wege. Einer hat sich einige Zeit nach seiner Ausbildung selbstständig gemacht, ein anderer arbeitet jetzt als Koch in Städten wie Frankfurt und Berlin. Die Ausbildung ist wie ein Startschuss im Leben und führt zu den unterschiedlichsten Zielen. Es freut uns, dass wir einen kleinen Teil zu diesen Lebensgeschichten beitragen durften.
Interview: jb