In einem vielbeachteten Beschluss hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Juli 2021 entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen von sechs Prozent pro Jahr aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt verfassungswidrig ist. Daraufhin hat das Bundeskabinett im März 2022 nun einen Gesetzesentwurf beschlossen.
Der Zinssatz soll für alle offenen Fälle rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 auf 0,15 Prozent pro Monat beziehungsweise 1,8 Prozent pro Jahr gesenkt werden. Die Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat ist für Juli 2022 vorgesehen.
Neben der Absenkung des Zinssatzes ist auch eine regelmäßige Überprüfung im Gesetzesentwurf verankert. Die Angemessenheitsprüfung orientiert sich zugunsten wie zulasten der Höhe nach dynamisch an der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Angemessenheit soll alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume und erstmals zum 1. Januar 2026 evaluiert werden.
Erlass von Nachzahlungs- zinsen wird festgeschrieben
Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen sind jeweils tageweise zu berechnen. Unabhängig der Kalendertage wird mit 30 Zinstagen pro Monat beziehungsweise 360 Zinstagen pro Jahr gerechnet.
Außerdem wird die Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen aufgrund „freiwilliger“ Zahlungen zum Beispiel im Laufe einer Betriebsprüfung gesetzlich verankert. Werden Zahlungen auf eine später wirksame Steuerfestsetzung erbracht, diese von der Finanzbehörde angenommen und auf die zu entrichtende Steuer angerechnet, sind Nachzahlungszinsen nicht festzusetzen oder zu erlassen.
Update Grundsteuerreform
Im Zuge der Grundsteuerreform, die 2025 in Kraft tritt, werden sämtliche Grundstücke auf den Stichtag 1. Januar 2022 neu bewertet. Hierfür müssen Eigentümer eine Feststellungserklärung abgeben und zwar im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 elektronisch per ELSTER. Was die Grundsteuerreform bringt, lesen Sie online unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de/praxiswissen/grundsteuerreform
Die Neuregelung gilt für die Ertragsteuern (Einkommen-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer) sowie die Umsatzsteuer. Sobald die Neuregelungen der Verzinsung gesetzlich verankert sind, werden die offenen Zinsfestsetzungen von der Finanzverwaltung möglichst zeitnah weitgehend automationsgestützt neu berechnet und unter Beachtung des Vertrauensschutzes angepasst.
Kein großer Wurf geplant
Zusammenfassend enthält der Regierungsentwurf eine verfassungsgemäße Verzinsung. Eine größere Reform im Steuerrecht erfolgt allerdings nicht. Denn neben den übrigen Verzinsungstatbeständen der Abgabenordnung für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen – unverändert sechs Prozent pro Jahr – bleibt auch der bewertungsrechtliche Zinssatz für die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten und Rückstellungen (5,5 Prozent) und der Rechnungszinsfuß bei der steuerlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen (sechs Prozent) unverändert.
Text: Claudio Schmitt, Bansbach GmbH
Bild: Adobe Stock, Dilok