Harald Kopeter ist E-Commerce- und Social-Media-Experte. Er weiß, wie man Kunden gewinnt – und sie auch bei der Stange hält. Storytelling ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Herr Kopeter, was bewegt uns eigentlich dazu, etwas zu kaufen?
Harald Kopeter: Man muss unterscheiden, was man kauft. Da sind die Produkte des täglichen Bedarfs und der klassische Konsum. Erstaunlich ist, dass unsere Urgroßeltern 56 Dinge besessen haben, wir besitzen durchschnittlich über 10.000 Dinge – und kaufen immer noch. Dabei geht es nicht ums Brauchen, sondern ums Gönnen. Oder dort draußen ist jemand, der mir eine gute Geschichte erzählt, warum ich das brauchen kann. Menschen kaufen aber nicht immer das beste Produkt, sie kaufen das Produkt, das sie am besten verstehen.
Was bedeutet es, ein Produkt zu verstehen?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Früher wurden Handys mit einer dicken Betriebsanleitung geliefert. Dann kam das iPhone, ohne Gebrauchsanleitung. Weil das iPhone intuitiv verstanden wurde. Viele Firmen hören ihren Kunden zwar zu, aber nicht um zu verstehen, sondern um direkt zu antworten. Das hat Apple-Chef Steve Jobs anders gemacht, er hat den Menschen zugehört, um zu verstehen.
Harald Kopeter
… ist Unternehmer, Buchautor und Speaker. Der Grazer ist Experte für Storytelling und Storymarketing sowie für nachhaltige Geschäftskunden-Akquisition. Vor Kurzem erschien sein Buch „Was du nicht verkaufst, verkaufen die anderen“ (Verlag Gabal, 208 Seiten, 28 Euro (Print), 25,99 Euro (E-Book)).
Was braucht der Kunde, damit er sich zum Kauf entscheidet?
Inform, guide, hype and entertain me – informiere, führe, inspiriere und unterhalte
mich – das ist es, was die Menschen wollen. Nach diesen Kriterien suchen wir auch auf Google. „Werbung für ein neues Auto“ würde wohl niemand als Suchbegriff eingeben, denn so funktionieren wir einfach nicht.
Ist das bei den Betrieben angekommen?
Jein. Es gibt noch viele Unternehmen, etwa in der Telekommunikation, die schütten uns mit Werbung zu. Wir sind täglich zwischen 5.000 und 10.000 Werbebotschaften ausgesetzt. Wer kann sich erinnern, jemals auf einen solchen Werbebanner geklickt zu haben? Wohl kaum jemand, denn die Klick-Rate liegt momentan bei 0,01 bis 0,1 Prozent. Die Krux ist: Immer mehr Budget wird da reingepulvert, aber immer weniger wirkt es. Vor allem kleinere Unternehmen müssen da den eben beschriebenen Inform-guide-hype-entertain-me-Weg gehen.
Warum funktioniert die Kundenansprache mit Storytelling so gut?
Weil wir das so gelernt haben. Schon in frühen Zeiten saß man am Lagerfeuer und hat Geschichten gelauscht, etwa darüber, wie jemand ein Tier erlegt hat. Auch Kindern erzählt man Geschichten. Sitzt man mit Freunden im Café, heißt es oft „Stell Dir vor, was ich erlebt habe …“. Und genauso kann ich als Unternehmer Geschichten erzählen. Das kann der Empfänger, also der Kunde, einfach viel besser verarbeiten. Aus der Kognitionspsychologie weiß man, dass Fakten in Geschichten verpackt 22 mal besser wahrgenommen werden als pure Informationen.
Was braucht es für ein gutes Storytelling?
Wichtig ist, wer die Geschichte erzählt. Es gibt nichts Schlimmeres als Anonymität. Nehmen wir das Beispiel Tesla. Der beste Autoverkäufer ist Elon Musk, weil er selbst spricht. Menschen wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Das wird selbst in der KI-unterstützten digitalen Welt immer so bleiben. Als Unternehmen muss man sich auch positionieren und für etwas Spezialist sein. Wenn man Schmerzen im Knie hat, empfiehlt auch niemand einen Allgemeinmediziner, sondern den Knie-Experten. Wesentlich ist auch, sich auf einen Kanal zu fokussieren. Immer noch glauben viele, sie müssten Facebook, Instagram und Co. auf einmal bedienen. Nein! Wirf 150 Prozent in einen Kanal, dann wirst Du auch auffallen und erfolgreich sein. Und bleib dabei! Zudem sind Menschen enorm wichtig. Nicht nur der Unternehmer selbst, sondern auch Kunden, Mitarbeiter und Lieferanten können Multiplikatoren sein. Storytelling ist darüberhinaus Long-Term-Marketing: Du erzählst nicht heute eine Geschichte und morgen stürmen die Kunden Deinen Laden. Es braucht Zeit.
Welche Rolle spielt die Sicht des Kunden?
Kommen wir wieder zurück zu inform, guide, hype and entertain me. Unternehmen müssen sich immer fragen: Was will der Kunde und wonach sucht er in diesem Moment? Und genau in diesem Augenblick muss ich präsent sein, um seine Fragen zu beantworten. Noch immer denken manche Betriebe, sie dürfen nichts verraten. Aber da draußen gibt es kein Geheimwissen mehr, ich muss derjenige sein, der die Fragen des Kunden beantwortet und ihm das geben, wonach er sucht. Je länger sich jemand mit meiner Website beschäftigt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er bei mir kauft. Somit ist Aufmerksamkeit das höchste Gut, das wir haben.
Welche Fallen gibt es beim Storytelling?
Das Schlimmste ist: Gar nicht erst damit anfangen oder einfach wieder aufhören. Denn der Mitbewerber ist nur einen Mausklick entfernt. Oft verlieren Betriebe mögliche Kunden nicht an die Konkurrenz wegen günstigerer Preise, sondern weil sie unsichtbar sind. Kunden möchten sich vor dem Kauf informieren, anrufen oder eine Mail schreiben. Dazu müssen sie Dich aber finden. Wenn Du nicht präsent im Netz bist, hilft es auch nichts, wenn Du das bessere Produkt hast.
Ein Mal eine Geschichte erzählt und gut?
Nein, weil wie schon gesagt, ist Storytelling ein auf lange Sicht angelegtes Marketing. Das heißt aber nicht, dass ich den ganzen Tag mit dem Handy rumlaufen und ständig irgendwelche Videos posten muss. Ich muss einfach sinnvolle Inhalte produzieren und immer wieder anschauen, welche Fragen sich die Kunden stellen und darauf antworten. Und das regelmäßig. Ich sage immer: nach dem Tchibo-Prinzip, wo es jede Woche an einem bestimmten Tag eine neue Welt gibt. Genauso muss ich es mit dem Storytelling machen, einen Rhythmus haben, der zum Unternehmen passt – sei es wöchentlich, vierzehntägig oder monatlich.
Text: Daniela Santo
Bilder: Adobe Stock – tippapatt/Porträt: Gerlinde Mörth