Der Blick über den Tellerrand inspiriert oft zu neuen Ideen. In unserem Format „Frisch gedacht“ stellen wir deshalb Firmen aus der Region vor, die Themen aus dem Betriebsalltag mal anders angehen. Zum Staunen und Nachmachen. Diesmal: Ein Serviceroboter unterstützt den Restaurantbetrieb der Adler Stube im Münstertal.
Holzvertäfelte Wände, ein grüner Kachelofen – das Restaurant Adler Stube im Münstertal mutet urig-gemütlich an und wurde 1655 erstmals urkundlich erwähnt. Dennoch zählt es zu den Vorreitergastronomiebetrieben in der Region, die sich in Zeiten der Personalnot eine charmante Hightechhilfe ins Haus geholt haben: die Schwarzwaldmarie. Ein Serviceroboter mit lustigen Katzenohren, der eine Tracht trägt. „Vorsicht, Ihre Lieferung ist unterwegs! Miau“, ertönt eine Frauenstimme und der Roboter fährt, beladen mit einem Kaffee aus der Küche kommend, in die Stube zum richtigen Tisch. Auf der Rückseite blinkt die Bestellung auf. Vorne ist ein Display angebracht, auf welchem die Tische anwählbar sind. „Ihre Bestellung ist da. Guten Appetit“, erklingt es aus dem Gerät. Ein Handgriff und der Gast hat sein Getränk vom Bedienroboter herunter genommen.
„Unsere Marie ersetzt eine ganze Arbeitskraft“, schwärmt Eric Lefebvre, der mit Ehefrau Karin das Hotel Restaurant Adler Stube führt. Wegen Personalmangels stemmen sie den 70-Betten-Betrieb aktuell im Wesentlichen zu zweit. „Nur ein Zimmermädchen haben wir noch angestellt“, berichtet der gelernte Koch. Not mache erfinderisch. Vor Marie habe man Restaurantgäste teils abweisen müssen. „Unser letzter Ausweg wäre gewesen, im Restaurant nur noch Hotelgäste zu bewirten.“ Dass ein Serviceroboter ins Restaurant kommt, sei aber nicht von Anfang an klar gewesen. Offen gibt der Gastronom zu, zunächst skeptisch gewesen zu sein, ob das zu einem Traditionshaus im Schwarzwaldstil passe. Wie würden die Gäste reagieren? – Die lieben Marie.
Nachdem der Serviceroboter mit der rosafarbenen Tracht im Frühjahr eingezogen war, habe es einen regelrechten Ansturm gegeben. Auch Gastronomen seien zur Spionage dagewesen, berichtet der Hotelbesitzer schmunzelnd. Er habe seine Marie in Sicherheit bringen müssen. Denn es kamen zu viele Schaulustige, die nicht einmal etwas bestellten. Jetzt steht der Roboter in der Küche, wenn er nicht gerade Speisen ausfährt.
Bestellt wird weiter über eine konventionelle Speisekarte mit menschlicher Bedienung, also meist Karin Lefebvre, oder digital über einen QR-Code via Smartphone. Früher erklang dann ständig die Klingel in der Küche, wenn Gerichte servierfertig waren. Eric Lefebvre verlangte nach seiner Frau, doch die war schon mit einem anderen Tablett voller Speisen zu den Gästen unterwegs. Heute hilft hier, wenn viel los ist, der Servierroboter aus. Auch mehrere Tische kann er nacheinander ansteuern. Die Route geben die Wirtsleute ins Display ein. Über 25 Teller zugleich kann Marie transportieren, die Akkulaufzeit beträgt etwa zehn Stunden. Auch beim reichhaltigen Frühstücksbuffet sei der Roboter eine große Hilfe, weil die mühsame Schlepperei entfällt. „Wir geben unsere Schwarzwaldmarie nicht mehr her“, ist sich das Paar einig.
Mehr Zeit fürs Wesentliche
Abkassieren wollen die Lefebvres weiterhin traditionell und nicht über das Mobilgerät, was bereits möglich wäre. Der persönliche Kontakt ist ihnen wichtig. „Ich kann mir jetzt mehr Zeit für die Gäste nehmen, die Hetzerei ist vorbei“, ist Karin Lefebvre erleichtert. Die Besucher machen auch gut mit, erzählt sie. Sie nehmen die Speisen eigenständig herunter und stellen das leere Geschirr auf den intelligenten Servierwagen. Natürlich bediene sie auch noch selbst, berichtet die Gastronomin, jedoch würden viele Gäste direkt nach Marie verlangen.
Wie ihr Gatte trägt sie eine Smartwatch, auf der Informationen zu den Bestellvorgängen aufblinken. Der gesamte Betrieb ist digitalisiert. Es gibt Tablets, in die Karin Lefebvre die Bestellung der Gäste eingibt, in der Küche hängen mehrere Bildschirme, ein Saugroboter fährt herum und auch der Check-In im Hotel kann digital erfolgen. Die Roboter hat der Chef eigenhändig programmiert, damit sie die korrekten Routen fahren. Bei der Schwarzwaldmarie hatte er anfangs einen Techniker zur Seite. Ein bisschen Freude am Tüfteln und Liebe zur Technik braucht es also schon.
Immer mal wieder sind neue Programmierungen an dem 20.000 Euro teuren Highendgerät nötig, etwa wenn Tische umgestellt werden oder für Spielereien wie das Aufspeichern von Geburtstagsmusik. Auch kleinere Umbauten waren erforderlich. Zum Beispiel Rampen, damit der Servierroboter freie Fahrt hat. Weil Marie nicht gut auf den schwarzen Boden in der Gartenwirtschaft reagierte, wurde auf Grün umgestellt. Auch das Personal muss sorgsam geschult sein. Wohl der Grund, weshalb einige andere Gastropioniere in der Region – so ist es Eric Lefebvre zumindest zugetragen worden – ihre Serviceroboter wieder abschafften. Im Münstertal aber bleibt die Begeisterung groß. Und spätestens 2024 soll Marie Gesellschaft bekommen.
Elisabeth Weidling
Bild: Karin und Eric Lefebvre mit ihrer Schwarzwaldmarie