Neben der Pandemie hat 2022 auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Herausforderungen wie Lieferkettenengpässe, Inflation und steigende Zinsen, Handelsbeschränkungen und -sanktionen, Energie- und Klimakrise sowie Arbeitskräftemangel und eine zu erwartende Rezession in Europa sind Probleme, denen sich Unternehmen derzeit zu stellen haben und die möglicherweise in der Rechnungslegung zu berücksichtigen sind. Was es dazu zu wissen gibt.
Im Jahr 2022 hat neben der Coronapandemie auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Herausforderungen wie Lieferkettenengpässe, Inflation und steigende Zinsen, Handelsbeschränkungen und -sanktionen, Energie- und Klimakrise sowie Arbeitskräftemangel und eine zu erwartende Rezession in Europa sind Probleme, denen sich Unternehmen derzeit zu stellen haben und die möglicherweise in der Rechnungslegung zu berücksichtigen sind. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat einen fachlichen Hinweis zur Auswirkung des Ukrainekrieges auf die Rechnungslegung und deren Prüfung für Wirtschaftsprüfer, aber auch für Unternehmen, herausgegeben. Dieser ist über die Homepage frei verfügbar (www.idw.de).
Stichtagsprinzip
Mit Übertritt der Grenzen des ukrainischen Staatsgebiets durch das russische Militär am 24. Februar 2022 stellt der Kriegsausbruch ein wertbegründendes Ereignis dar und ist aufgrund des Stichtagprinzips erst in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung von Abschlüssen mit Stichtag nach dem 23. Februar 2022 zu berücksichtigen; bei kalendergleichem Wirtschaftsjahr damit in den anstehenden Abschlüssen zum 31. Dezember 2022.
Außerplanmäßige Abschreibungen denkbar
Mögliche Folgen des Krieges können zu außerplanmäßigen Abschreibungen im Anlage- und Umlaufvermögen sowie zu Verfügungsbeschränkungen von liquiden Mitteln führen. Auch in der Bewertung von Rückstellungen und Fremdwährungsumrechnungen können sich die Auswirkungen niederschlagen.
Anhang: Nachtragsbericht kann nötig werden
Im Anhang besteht möglicherweise eine Berichtspflicht im Nachtragsbericht. Die Nachtragsberichterstattung ist verpflichtend für Vorgänge von besonderer Bedeutung, die nach dem Schluss des Geschäftsjahres, aber bis zur Beendigung der Aufstellung des Abschlusses eingetreten sind und sich weder in der Bilanz noch in der Gewinn- und Verlustrechnung widerspiegeln. In der Nachtragsberichterstattung sind die Art des Vorgangs und finanzielle Auswirkungen anzugeben. Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Aufstellung des Nachtragsberichts befreit. Bei der Abkehr von Going Concern ist eine Nachtragsberichterstattung entbehrlich, da dies, in Abweichung vom Stichtagsprinzip, Einfluss auf das Zahlenwerk hat. Führen Auswirkungen zu erheblicher Unsicherheit im Hinblick auf Going Concern und somit zu einem bestandgefährdeten Risiko, sind alle Gesellschaften verpflichtet, hierüber zu berichten. Bei Kleinstgesellschaften ohne Anhang erfolgt die Angabe unterhalb der Bilanz.
Lagebericht: Neue Risikoeinschätzung?
Im Lagebericht ist die Einschätzung der Risiken grundsätzlich zum Abschlussstichtag vorzunehmen. Sofern sich aber Risiken zwischen dem Abschlussstichtag und bis zum Aufstellungsdatum in ihrer Bedeutung ändern, neu auftreten oder entfallen, ist die geänderte Einschätzung der Risiken zusätzlich darzustellen, wenn anders kein zutreffendes Bild von der Risikolage des Unternehmens vermittelt wird.
Im Prognosebericht ist zudem auf bedeutsame Leistungsindikatoren, in der Regel Umsatz und Ergebnis, sowie auf den Prognosezeitpunkt einzugehen.
Nur in begründeten Ausnahmefällen aufgrund außergewöhnlich hoher Unsicherheit und Betroffenheit des Unternehmens wird es vertretbar sein, dass eine komparative Prognoseaussage (nur Richtung: „steigt“/„sinkt“) ausreichend ist. Ansonsten ist mindesten eine qualitativ-komparative („steigt stark“, „schwach sinkend“) erforderlich.
Aufgrund der notwendigen Berichterstattung im Anhang und Lagebericht betont das IDW, dass das Gesetz eine explizite Verweismöglichkeit nicht vorsieht. Somit ist grundsätzlich der Berichtspflicht sowohl im Anhang als auch im Lagebericht nachzukommen, auch wenn sich dadurch Doppelungen ergeben können.
Konsolidierung für Töchter überprüfen
Unabhängig von der Aufstellung des Jahres- und/oder Konzernabschlusses enthält das Handelsrecht ein Konsolidierungswahlrecht für Tochterunternehmen, welches aufgrund des Ukraine-Krieges an Bedeutung zugenommen hat. Sofern ein Mutterunternehmen die eigenen Rechte in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung des Tochterunternehmens in erheblichem sachlichem Umfang und zeitlich andauernd nicht ausüben kann – insbesondere aufgrund von tatsächlichen Beschränkungen politischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Art – muss das Tochterunternehmen in den Konzernabschluss nicht einbezogen werden.
Ebenso besteht ein Wahlrecht auf den Einbezug, wenn es zu unangemessenen Verzögerungen kommt, zum Beispiel wenn Reporting Packages nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung geliefert werden können. Die Beschränkungen müssen spätestens am Konzernabschlussstichtag vorgelegen haben. Die Bewertung der Beteiligung im Konzernabschluss erfolgt sodann unter Anwendung der Equity-Methode beziehungsweise mit den fortgeführten Anschaffungskosten. Die Anwendung des Wahlrechts ist im Konzernanhang zu begründen.
Neubewertung von Rückdeckungsversicherungen für Pensionszusagen
Weitere allgemeine Änderungen ergeben sich bei der Bewertung von Rückdeckungsversicherungen für Pensionszusagen durch einen Rechnungslegungshinweis des IDW. Bisher ist im Fall unmittelbarer Pensionszusagen durch unterschiedliche Bewertungsvorschriften der Wert der Rückdeckungsversicherung (Bewertung in der Regel mit fortgeführten Anschaffungskosten zuzüglich verzinslich angesammelter Überschussanteile) meist deutlich höher als der Wert der Pensionsrückstellung (Erfüllungsbetrag: abgezinste, zu leistende Zahlungen an Versorgungsberechtigte).
Der Hinweis besagt nunmehr, dass Zahlungsströme aus dem Rückdeckungsanspruch, soweit sie zum Bilanzstichtag durch den aus Beitragszahlungen aufgebauten Kapitalstock finanziert sind, und Zahlungsströme aus der Zusage, soweit sie zum Bilanzstichtag erdient sind, im Einzelfall und in Abhängigkeit der Art der rückgedeckten Direktzusage bei Gleichlauf der Zahlungsströme auch nach gleichen versicherungsmathematischen Grundsätzen bewertet werden sollen.
Die Regelungen sind spätestens für Bilanzstichtage am/ab dem 31. Dezember 2022 anzuwenden und betreffen sämtliche Unternehmen mit Rückdeckungsversicherungen. Werden Versicherungsverträge erstmals in die kongruente Bewertung einbezogen, wird dies häufig zur aufwandswirksamen Zuführung der Pensionsrückstellung bzw. zur Abwertung des Rückdeckungsanspruchs führen. Die Änderung der Methodik der Bewertung ist im Anhang anzugeben. Grundsätzlich handelt es sich nicht um eine gesetzliche Verpflichtung. Der Rechnungslegungshinweis ist aber für Abschlussprüfer bindend und stellt auch die herrschende Meinung der Bilanzierungspraxis dar. Abweichungen sind im Prüfungsbericht aufzunehmen.
Keine Offenlegung im Bundesanzeiger mehr
Hinsichtlich der Offenlegung von Rechnungslegungsdokumenten (insbesondere von Jahres- und Konzernabschlüssen) ergeben sich gesetzliche Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRuG), welches zum 1. August 2022 in Kraft getreten ist. Künftig werden alle Rechnungslegungsunterlagen und Unternehmensberichte im Unternehmensregister und nicht mehr im Bundesanzeiger offengelegt.
Elektronische Identitätsprüfung Pflicht
Mit Änderung des Offenlegungsmediums verbunden ist die gesetzliche Pflicht zur einmaligen, elektronischen Identitätsprüfung für jeden Übermittler von Rechnungsunterlagen und Unternehmensberichten an das Unternehmensregister. Diese Identifikationspflicht betrifft jede natürliche Person. Ohne Identifikation kann kein Dokument im Unternehmensregister offengelegt werden. Die Verwendung einer anderen Identifikation stellt einen strafbaren Identitätsmissbrauch dar. Die Neuerungen betreffen Offenlegungen von Unterlagen für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2021 beginnen und damit insbesondere Jahresabschlüsse mit Bilanzstichtag 31. Dezember 2022. Jahresabschlüsse sowie alle weiteren Rechnungslegungsunterlagen und Unternehmensberichte mit einem Geschäftsjahresbeginn vor dem 1. Januar 2022 müssen weiterhin im Bundesanzeiger offengelegt werden.
Text: Claudio Schmitt, Bansbach GmbH
Bilder: Adobe Stock