„Erklärbär, Schutzengel und Zahlenjongleur (m/w/d) gesucht“ – darf so eine seriöse Stellenanzeige aussehen? Ja, unbedingt! Vor allem, wenn es darum geht, junge Mitarbeiter zu gewinnen. Spätestens mit der Generation Z haben klassische Zeitungsannoncen ausgedient, Social Media und Online-Stellenbörsen sind heute ein Muss. Managementtrainer Felix Behm aus Konstanz ist Experte rund um die Generation Z und hat in einigen IHK-Vorträgen erklärt, wie Unternehmen die nachrückende Generation für sich begeistern und gewinnen können.
Herr Behm, warum machen klassische Stellenanzeigen in Zeitungen auf der Suche nach Nachwuchskräften kaum noch Sinn?
Felix Behm: Die Antwort ist ganz einfach: Weil die Jugendlichen keine Zeitung mehr lesen, weder print noch online. Und somit eben auch nicht den klassischen Stellenteil. Das ist aber noch nicht in allen Köpfen angekommen. Das merke ich immer wieder beim Smalltalk am Rande meiner Vorträge, wenn die Frage gestellt wird „Haben Sie das heute auch in der Zeitung gelesen, was da passiert ist?“ So ähnlich wird auch der Smalltalk in Firmen laufen. Kommunikation mit jungen Menschen funktioniert so aber nicht mehr, weil sie sich nicht über die Zeitung, sondern über Social Media, Influencer und Nachrichtenportale informieren. Allerdings erreicht man mit den klassischen Anzeigen noch Eltern und Großeltern der Fachkräfte von morgen. Wenn es um Auszubildende geht, ist eine solche Stellenanzeige also nicht verkehrt. Ich schätze, dass man zehn bis 15 Prozent der Jugendlichen noch mit der klassischen Anzeige erreicht. Und das eher auf dem Land als in der Stadt. Um es mit den Worten einer Auszubildenden der DIHK zu sagen, die beim Deutschen Ausbildungsleiterkongress in Düsseldorf einen Vortrag gehalten hat und gefragt wurde, was sie von klassischen Stellenanzeigen hält: „Kann man machen“. Aber Priorität Nummer eins ist das nicht.
Wenn nicht in der Zeitung, wo sonst sollten Unternehmen ihre Stellen für die Generation Z ausschreiben?
Man muss sich immer vor Augen halten: Die Generation Z wächst mit Social Media auf. Deswegen ist es am besten, in einem firmeneigenen Social-Media-Account für offene Stellen zu werben. Gut geeignet sind aber auch Online-Stellenportale. Für Azubis und Fachkräfte gibt es viele passende – von Azubyo bis Stepstone. Nicht zu vergessen natürlich auch die IHK-Lehrstellenbörse. Für junge Mitarbeiter ab 22 Jahre ist außerdem Linkedin eine gute Plattform. Facebook weniger, da ist die Generation Z nicht unterwegs. Da findet man eher Ältere.
Felix Behm
… ist Keynote Speaker, Managementtrainer, Buchautor und Vater einer pubertierenden Tochter. In der Summe macht ihn das zu einem gefragten Experten rund um die
Generation Z. Er lebt in Konstanz und berät bundesweit Unternehmen zu dem Thema und möchte die Wirtschaft zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Nachwuchs inspirieren.
Muss die Stellenanzeige immer aus dem Rahmen fallen, damit die Zett-ler überhaupt darauf aufmerksam werden?
Nein, das muss sie nicht. Natürlich darf sie ruhig ein bisschen frech sein. Vor allem aber muss sie authentisch und kurz und knapp sein. Sie muss mich als jungen Menschen mit wenigen Eindrücken abholen, so dass ich drauf- und nicht einfach weiterklicke.
Und wie bringt man die Jugend zum Draufklicken?
Instagram und Co. prägen junge Menschen sehr stark. Was man also braucht, sind viele visuelle Eindrücke, Bilder und Videos und keine langen Texte. Die gibt es dort nicht. Abgesehen davon kann man am Smartphone keine ewig langen Texte lesen. Und da das Smartphone eine große Rolle bei der Stellensuche spielt – 94 Prozent nutzen es laut Schülerstudie, um sich über den Arbeitgeber zu informieren – sollte man sich daran halten.
Was will die Generation Z in den Videos und auf den Bildern sehen?
Sie will einen Einblick ins Unternehmen. Bei einem Video reichen maximal zwei Minuten aus. Sie will sehen, was das Unternehmen macht, wer das genau ist und wie die Leute aussehen, die dort arbeiten. Ob Videos oder Fotos – die Motive müssen zum Unternehmen passen, möglichst etwas Spannendes, Modernes oder eben Freches, das idealerweise die Menschen abbildet, die dort arbeiten. Also bitte keine eingekauften Fotos, man sieht den Unterschied sofort.
Wäre der rappende Geschäftsführer, der sein Team vorstellt, also genau richtig?
Wenn der Chef, im positiven Sinn, wirklich so durchgeknallt ist, also vielleicht Inhaber eines Start-ups aus der Medien- oder Werbebranche ist, dann funktioniert das. Aber nur dann. Es muss eben passen und authentisch sein. Lächerlich wird es immer dann, wenn sich die Vorgängergenerationen wie die Zett-ler verhalten. Das galt schon in unserer Pubertät für unsere Eltern. Das heißt, wenn jemand rappt, dann bitte nicht der Chef, sondern ein Gleichaltriger.
Hätten Sie ein Beispiel für eine gelungene Anzeige?
Ich habe eine Anzeige in Erinnerung, die einen nackten Maler von hinten zeigt. Darunter hieß es: „Bei uns bekommst Du alles, auch Arbeitskleidung“. Oder der Dachdecker, der mit seinem Azubi auf dem Dach sitzt und in einer Sprechblase steht: „Wie bekomme ich in fünf Jahren Ihren Job?“ Das ist frech und trotzdem weiß jeder, dass es lustig gemeint ist. Es muss eben einfach passen.
Welche Informationen wollen die Zett-ler in einer Stellenanzeige bekommen, was muss drinstehen?
Aus meiner Sicht sind es vier Bausteine, die von Bedeutung sind. Weit oben steht die Sinnhaftigkeit: Wie wichtig ist diese Stelle? Welche Bedeutung habe ich dann, wenn ich die Stelle ausfülle? Welches Zahnrad bin ich in dem großen Getriebe? Als Zweites die Wertschätzung, die ganz wichtig ist für die junge Generation: Wie ist das Miteinander? Was tut der Chef, um meine Arbeit wertzuschätzen? Gibt es Team-Events oder eine Einführungswoche für Azubis? Gibt es Unternehmungen nach der Arbeit? Soziale Kontakte sind ein wichtiges Argument für die Generation Z, die coronageprägt ist. Und dann haben wir die Arbeitsmodelle. Eine Generation Z sucht schon danach aus, wo sie freitags frei hat oder im Homeoffice arbeiten kann. Als vierten Baustein die Perspektiven: Wie werde ich individuell gefördert? Wie zukunftssicher ist das Unternehmen? Azubis wollen wissen, wie es später mit der Übernahme aussieht. Wichtige Kriterien für die Gen Z sind außerdem moderne Arbeitsmaterialien oder die Erreichbarkeit des Unternehmens, weil sie immer weniger einen Führerschein hat. Was aus Platzgründen nicht in die Stellenanzeige passt, kann mit einem Link auf Social Media oder auf der Webseite ausführlicher ausgeführt werden.
Spielt das Gehalt denn gar keine Rolle mehr? Sie nennen es gar nicht.
In einer Stellenanzeige aus der Gesundheitsbranche stand mal: „Komm zu uns, bei uns verdienst Du mehr“. Darauf reagiert keiner aus der Generation Z, sondern fragt sich eher, wie viele Wochenenden er dafür opfern muss. Seit Corona ist Geld zwar wieder etwas wichtiger geworden, ist aber nicht der Motivator Nummer eins. Bei der Suche nach Auszubildenden sollte das Gehalt genannt werden oder es in der Anzeige wenigstens einen weiterführenden Link zum Verdienst geben. Denn wenn man zum ersten Mal ins Berufsleben tritt, will man schon wissen, was man sich mit dem Gehalt leisten kann.
Muss man sprachlich eigentlich etwas beachten?
Fangen wir mit dem „Du“ oder „Sie“ an. Mir fällt oft auf, dass Unternehmen zwischen beidem wechseln. Da heißt es in der Stellenanzeige „Du“ und dann heißt es, „danke, dass Sie sich beworben haben“. Also entweder oder! Das sieht nämlich so aus, als ob es keinen Plan gäbe, dass es jeder im Unternehmen anders machen würde. Das wirkt nicht gut und baut eine Distanz auf. Ob „Du“ oder „Sie“ besser ist, ist von der Unternehmenskultur abhängig. Letztlich muss es authentisch sein. Prinzipiell muss aber die Sprache in der Stellenanzeige zu den jungen Menschen passen, die wir damit ansprechen wollen. Bei denglischen Wörtern oder behördensprachlichen Begriffen fragt sich jeder 16- oder auch noch 20-Jährige, was ist das denn? Das ist doch das Gegenteil von der Sprache, die ich aus Instagram und Social Media kenne. Das erscheint mir erst einmal suspekt. In der Folge greift relativ schnell das, was ich gern den Bullshit-Filter nenne. Junge Leute sortieren ohnehin aus, weil sie es einfach müssen. Sie haben pro Tag online tausende Botschaften. Nach zwei, spätestens nach vier Sekunden wird da aussortiert.
Wenn Sie sich die Stellenanzeigen anschauen: Welche Fehler unterlaufen den Unternehmen?
Immer noch klingen viele Stellenanzeigen wie Einkaufslisten. Ich verwende diesen Vergleich sehr gern, denn wir kaufen ja an sich niemanden ein, sondern bewerben uns bei den wirklich Guten, damit diese zu uns kommen. Viele Personaler haben da oft einen Tick – ich darf das sagen, ich war selbst mal einer. Wir packen da Dinge rein, die einfach zu groß sind. Toll, wenn das jemand erfüllt, die Wahrscheinlichkeit ist aber gering. Statistiken besagen, dass sich nur 20 Prozent der Interessierten bewerben. Der Rest bewirbt sich nicht, weil er vielleicht eine von 20 Anforderungen nicht erfüllt und abgeschreckt ist. Außerdem sollte man auf sinnlose Floskeln wie „teamfähig“ verzichten. Wer während Corona zwei Jahre zu Hause saß, woher soll er wissen, ob er teamfähig ist? Oft werden in den Stellenanzeigen auch keine Ansprechpartner genannt. Das ist für Bewerber ärgerlich. Nicht jeder kann die Kontakte googeln. Am Besten bietet man bei Rückfragen zur offenen Stelle eine Kontaktaufnahme per Whatsapp an, also dem Medium, mit dem die Generation Z groß geworden ist. Mindestens aber einen direkten Ansprechpartner mit Telefondurchwahl und E-Mail-Adresse.
Im Wettstreit um die besten Mitarbeiter und Auszubildenden sollten Unternehmen außerdem ihre Alleinstellungsmerkmale herausheben, besonders kleine Firmen, und seien es lediglich die gemeinsamen Unternehmungen mit dem Chef und den Kollegen nach Feierabend.
Letztlich ist eine Stellenanzeige aber nicht das einzige Mittel, das ein Unternehmen für das Personalmarketing einsetzen kann, Stichwort Mundpropaganda. Bekomme ich eine entsprechende Empfehlung von Bekannten, Familie oder Freunden, schaue ich mir die Firma und ihre Stellenanzeigen an.
Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse und Co – braucht es das noch im Bewerbungsverfahren?
Prinzipiell gilt: Die Hürden möglichst klein halten. Aussortieren oder nachhaken kann man dann immer noch. Wir müssen uns verabschieden von der jahrzehntelangen Erfahrung, dass man die Flut an Bewerbungen irgendwie eindämmen muss. Wir sind doch froh, wenn überhaupt welche kommen. Fraglich ist, ob wir Anschreiben noch brauchen, vielleicht noch in manchen Berufen. Aber seien wir ehrlich, früher haben doch auch unsere Eltern das Anschreiben verfasst oder zumindest dabei geholfen. Das ist ganz normal. Wichtig ist doch erst einmal der Lebenslauf, auch ein paar konkrete Fragen zu den Anforderungen, die der Bewerber für diesen Job mitbringen muss. Als Hotelfachkaufmann beispielsweise muss ich gut in Kommunikation sein. Da fahren beide Seiten vielleicht gleich besser mit einem Bewerbungsvideo als mit einem Anschreiben. Die Bewerbung irgendwo hochzuladen, sollte im Übrigen nicht länger als zehn Minuten dauern. Einen Account bei einem E-Scooter-Verleih zu eröffnen, dauert schließlich auch nur ein paar Minuten. Laut einer Statista-Studie aus dem Jahr 2019 haben gut die Hälfte der Jobsuchenden komplizierte Bewerbungsprozesse schon einmal abgebrochen.
Unkompliziert – das gilt sicherlich für das ganze Verfahren?
Richtig, auch das restliche Bewerbungsverfahren sollte zügig gehen, sich also nicht über Monate hinziehen. In meinen Augen sollte ich maximal 24 Stunden nach meiner Bewerbung eine Antwort erhalten. Es ist heute ein absolutes No-Go, erst die Bewerbungen zu sammeln und dann irgendwann einmal eine Antwort zu geben. Dann sind die Guten schon weg! Wenn ich meinem Influencer eine Nachricht schreibe, antwortet der auch nicht erst in zwei Wochen. Entweder er antwortet gleich oder eben gar nicht. Das ist das Mindset, auf das sich die Generation X und die Generation Babyboomer, also Chefs und Personaler, einstellen dürfen.
Das Gespräch führte Daniela Santo.
Bilder: Adobe Stock – golubovy/nitsawan
Mehr Infos
- Neues Buch von Felix Behm: „Generation Z – Ganz anders als gedacht“ (Verlag Business Village, 234 Seiten, 24,95 Euro (Print), 22,95 Euro (E-Book)
- Umfrage der IHK Hochrhein-Bodensee unter Millenials und der Generation Z. „Lust auf Arbeit oder Bock auf Freizeit?“ zum Herunterladen unter www.ihk.de/konstanz – 5924022
- „Jetzt #könnenlernen“-Azubikampagne: Unternehmen, die kein eigenes Material fürs Azubimarketing haben, können das (individualisierbare) Werbematerial aus der IHK-Kampagne verwenden – von Print über Socialmedia bis Videoclips. Infos dazu bei der jeweiligen IHK.
- Praktikumswochen: Die landesweite Plattform bringt Jugendliche und Betriebe zu Tagespraktika zusammen. Jetzt schon Angebote für die Praktikumswochen rund um Ostern (11. März bis 5. April) eintragen. www.praktikumswoche-bw.de
Die IHK-Ansprechpartner rund um Ausbildung:
- IHK Hochrhein-Bodensee: Alexandra Thoß, Telefon: 07531 2860-131 Mail: alexandra.thoss@konstanz.ihk.de
- IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg: Miriam Kammerer, Telefon: 07721 922-512 Mail: kammerer@vs.ihk.de
- IHK Südlicher Oberrhein: Simon Kaiser, Telefon: 0761 3858-150 Mail: simon.kaiser@freiburg.ihk.de