Der Buchladen, der seine Öffnungszeiten an der Tür vergisst, die Versicherung, die auf ihrer Homepage zwar die Hotline-Zeiten angibt, aber die passende Telefonnummer verheimlicht oder fehlende Preise im Online-Shop: Was für Kunden und Marketingexperten gleichermaßen ein Unding ist, kommt doch häufiger vor als man vermutet. Denn nicht alle Unternehmen denken daran, sich auch mal die Kundenbrille aufzusetzen – ob im digitalen oder analogen Geschäftsalltag.
Warum verkauft sich ein Produkt oder eine Dienstleistung wie geschnitten Brot? Weil die Zutaten stimmen. Und das sind nicht nur gute Rohstoffe und eine ordentliche Verarbeitung, die wichtigste Zutat ist das Marketing. „Für erfolgreiche Unternehmen gilt: 60 Prozent Marketing, 20 Prozent Produkt und 20 Prozent Administration“, sagt Marketingcoach Daniela Lechler aus Freiburg, die seit 2020 kostenfreie IHK-Sprechstunden unter dem Titel „Ihr Marketing auf dem Prüfstand“ anbietet. „Die Formel ist leicht nachvollziehbar, denn wie oft haben wir selbst schon ein eher schlechtes Produkt gekauft oder uns bei einem anderen Produkt gefragt, warum wir es nicht schon früher entdeckt haben?“, ergänzt sie. Egal also, ob gut oder schlecht – das richtige Marketing, das positiv Sichtbarwerden beim Kunden zur richtigen Zeit ist entscheidend.
So rät sie Unternehmern – ob alteingesessen oder frisch gegründet – sowohl Zeit als auch Geld ins Marketing zu investieren. Unerlässlich: eine durchdachte Strategie. „Dabei ist es wichtig, wie ein Kunde zu denken und aus dessen Blickwinkel das Produkt oder die Dienstleistung zu betrachten“, betont sie. Die Devise heißt also: Raus aus der Unternehmersicht und dem eigenen Sprachgebrauch. Stattdessen sollten die Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen der Kunden im Mittelpunkt stehen.
Wie das gelingt? Eine Möglichkeit ist, Stammkunden, oder im Falle von Neugründungen, künftige Wunsch-kunden zu befragen. Eine andere ist, Testkunden oder -user loszuschicken, um den Markt zu erforschen. Ein Beispiel: „Ein Unternehmer kennt seine Homepage und ihm ist klar, wo die Angaben zum Produkt stehen oder welche Aussage hinter einem Bild steht. Aber versteht auch der Kunde, der zum ersten Mal auf der Homepage ist, diese Aussage? Und findet er das Produkt oder die Info, die er braucht, nach maximal drei Klicks?“, nennt Lechler die Fragen, die sich ein Unternehmen stellen sollte.
Daniela Lechler
»Niemals etwas versprechen,
das man nicht halten kann«
Marketingberatung & Coaching, Freiburg
Augen auf den Kunden
Was sich Kunden konkret wünschen, hängt natürlich von der Branche, dem Produkt oder der Dienstleistung, persönlichen Vorlieben und aktuellen Markttrends ab. „Es gibt jedoch einige allgemeingültige Erwartungen“, so Marketingcoach Daniela Lechler. Beispielsweise die Qualität: Kunden setzen voraus, dass die Produkte oder Dienstleistungen, die sie erhalten, von hoher Qualität sind und ihren Erwartungen entsprechen. Ebenso ist ein effektiver und freundlicher Kundenservice für den Kauf entscheidend. „Kunden schätzen es, wenn ein Unternehmen leicht erreichbar ist, ihre Anliegen ernst genommen und ihre Fragen schnell und kompetent beantwortet werden“, führt Lechler aus. Eine lustlose telefonische Bestellannahme ist für die positive Wahrnehmung genauso Gift, wie eine endlose Telefonwarteschleife. Wer außerdem keine klaren und verständlichen Informationen über Produkte, Preise und Geschäftsbedingungen liefert, riskiert schnell schlechte Bewertungen. Mit Transparenz gewinnt man das Vertrauen der Kunden. Doch oft klaffen da Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Also regelmäßig auf den Prüfstand stellen, was man dem Kunden (an-)bietet.
Drückt der Kunde den „Kaufen“-Button, erwartet er ein insgesamt positives Erlebnis – vom Produkt selbst, über die Bestellung bis hin zur Lieferung und Nutzung des Produkts. Wer Kunden langfristig an sich binden möchte, muss deren Feedback ernst nehmen und darauf reagieren. Und last, but not least ist natürlich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis kaufentscheidend: Kunden wollen für ihr Geld Wert erhalten. Deshalb muss gelten: Niemals etwas versprechen, das man nicht halten kann – und vor allem authentisch und glaubhaft bei allem bleiben!
Sichtbarkeit des Unternehmens entscheidend
Harald Kopeter, Experte für Storytelling, Storymarketing und nachhaltige Geschäftskundenakquisition, dreht das Rad noch ein bisschen weiter. So ist für ihn etwa die Sichtbarkeit eines Unternehmens ein absolutes Muss. „Kunden möchten sich vor dem Kauf informieren, anrufen oder eine Mail schreiben. Dazu müssen sie Dich aber finden“, so der Buchautor.
Wie man durch die Kundenbrille schaut
- Stammkunden/künftige Wunschkunden nach Erwartungen, Bedürfnissen, Wünschen fragen. Wichtig: Ergebnisse konstruktiv verwerten und nicht nur als reine Bestätigung für ein „Weiter so“ benutzen
- Mystery-Shopping/Testkunden losschicken
- Homepage checken: Reichen drei Klicks, um Produkt oder Infos zu finden?
- Sind Öffnungszeiten, Telefonnummer, Mailadresse et cetera aktuell? Fehlen möglicherweise wichtige Angaben wie etwa Preise, Speisenangebot, Reservierungsmöglichkeiten?
- Sicherstellen, dass angegebene Kontaktwege auch tatsächlich betreut werden. Regelmäßig E-Mails und Social-Media-Kanäle prüfen und beantworten
- Wie macht es die Konkurrenz?
Wie gut das bei Innenstadtbetrieben klappt, hat die IHK Südlicher Oberrhein in den vergangenen Jahren untersucht. Im Rahmen des Innenstadt-Checks wurden 1.264 Betriebe in der Region unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Da ist noch Luft nach oben. Immerhin haben 72 Prozent aller geprüften Betriebe eine Website. Allerdings ist jede Fünfte nicht responsiv, also nicht für das Smartphone optimiert. „Großen Nachholbedarf hat die Tourismusbranche. Die Nase vorn haben dagegen die Handwerksbetriebe – vom Lebensmittelhandwerk bis hin zum Optiker“, berichtet Innenstadtberater Thomas Kaiser. Manche Internetauftritte waren nicht aktuell, Beiträge schon ein halbes Jahr alt oder Öffnungszeiten aus der vergangenen Saison. „Zur Pflege einer Website braucht es Zeit und die haben nicht alle dafür Verantwortlichen. Es wird noch mehr Wert auf das analoge als auf das digitale Schaufenster gelegt“, sagt Kaiser. Wichtig sind aber beide. Immerhin sind 91 Prozent der Innenstadtunternehmen bei Google auf der ersten Seite zu finden, wenn nicht mit ihrer Website, dann wenigstens mit einem Google-Business-Eintrag. Gecheckt wurden außerdem die Facebook- und Instagram-Auftritte: Zwei Drittel der Betriebe haben eine Facebook-Seite, auf Instagram sind nur 38 Prozent der Unternehmen vertreten. Vielleicht braucht nicht jedes Unternehmen auch einen Social-Media-Auftritt, doch man sollte mindestens prüfen, ob dort potenzielle Kunden oder Mitbewerber unterwegs sind. „Kommunikation ist doch die originäre Stärke des Handels. Warum dann nicht auch via Social Media“, fragt Thomas Kaiser. Auch für die digitale Erreichbarkeit haben sich die Macher der Studie interessiert: Tatsächlich sind ein Viertel der Betriebe nicht per E-Mail oder Telefon zu erreichen. Oft fehlt schlichtweg der Eintrag oder auf eine Mail wird nicht reagiert. Fatal, meint Thomas Kaiser. Wer Adressen kommuniziert, muss sie auch betreuen.
Astrid Iselin, Vermögensberatung & Ruhestandsplanung in Denzlingen, tut genau das – checken, lesen, antworten. „Viele Anfragen für ein erstes Gespräch kommen über die Kontaktadresse auf meiner Homepage“, berichtet die Unternehmerin, die sich 2021 selbstständig gemacht hat. „Viele meiner Kunden kommen auf Empfehlung zu mir. Im Vorfeld informieren sie sich aber auf meiner Homepage und schauen sich genau an, was ich mache“, weiß Iselin.
Text: Daniela Santo
Bild (oben): Adobe Stock/18042011
Termine und Kontakte rund ums Marketing
Instagram Workshop für stationäre EinzelhändlerInnen, drei Veranstaltungen (28. Februar, 13. März, 27. März) jeweils 7.30 bis 9.30 Uhr, online. Infos und Anmeldung unter https://veranstaltungen.freiburg.ihk.de/instagramworkshop
Impulse für Ihr Marketing – für Gründer und bereits bestehende Unternehmen, Online-Sprechstunde von Daniela Lechler ab 8. März, Termine bis zum Jahresende, jeweils in der Zeit zwischen 8.30 und 14.30 Uhr. Anmeldung unter https://veranstaltungen.freiburg.ihk.de/ihrmarketingmrz
Digitales Marketing – Grundlagen, Workshop am 22. April, 9 bis 17 Uhr, Konstanz. Infos und Anmeldung unter www.ihk.de/konstanz – 13451
Die IHK-Handelsexperten:
IHK Hochrhein-Bodensee:
Victoria Arens, Innenstadtberaterin
Telefon: 07531 2860-130, Mail: victoria.arens@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Simone Mader, Innenstadtberaterin
Telefon: 07721 922-204, Mail: mader@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Thomas Kaiser, Innenstadtberater
Telefon: 07821 2703-640, Mail: thomas.kaiser@freiburg.ihk.de
Die IHK-Tourismus-Gastgewerbe-Experten:
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexander Vatovac
Telefon: 07531 2860-135, Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Daniela Hermann
Telefon: 07721 922-136 Mail: hermann@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Christina Gehri
Telefon: 0761 3858-142, Mail: christina.gehri@freiburg.ihk.de