Marketing-Coach Daniela Lechler bietet für Firmen online unentgeltliche IHK-Marketingsprechtage an. Im Interview spricht sie über die fatalen Folgen von Perfektionsdrang und falschen Ratgebern für die Produktvermarktung.
Frau Lechler: Wie könnten Unternehmer und Gründer das Thema Marketing für sich noch besser „erobern“?
Daniela Lechler: Wichtig ist vor allem erstmal eine positive Haltung zum Marketing. Denn schließlich wird über den Verkauf und den Vertrieb nun mal das Geld verdient. Sie können ein gutes oder ein schlechtes Produkt haben – wenn Sie es nicht schaffen, „sichtbar“ zu werden, dann ist gut oder schlecht völlig egal, denn keiner bekommt es mit. Marketing muss Ihnen also wichtig sein oder wichtig werden.
Und sobald Sie eine schlaue, zielgerichtete Strategie ausgetüftelt haben, heißt es schlicht: Loslegen. Fangen Sie erstmal klein an – es geht um das Ausprobieren, Dazulernen und das sich immer wieder neu erfinden. Es muss nicht gleich perfekt laufen. Besser werden können Sie immer noch. Ohnehin gibt es nicht die eine einzige Strategie, die zum Ziel führt.
Was sind für Sie die größten „Denkfallen“, in die Unternehmer und Gründer in Sachen Marketing gerne tappen?
Die größte Falle stellen sich Gründer und Unternehmer selbst, wenn sie sich zu sehr am „Außen“ orientieren. Statt auf das eigene tolle Produkt und die eigene Strategie fokussieren sich viele gerne darauf, was andere denken könnten. So entsteht die Angst „vor dem Sichtbar werden“, „etwas Falsches zu machen“, vielleicht auch „zu versagen“.
In dem Moment meldet sich dann auch der Schweinehund aus der Komfortzone, mit Überzeugungen wie „Ich bin noch nicht gut genug“, „Das ist noch nicht perfekt“ et cetera. Unterm Strich verhindert dies, dass Sie richtig gutes Marketing machen – und ohne Marketing erfährt eben auch niemand von Ihrem tollen Produkt.
Zur Person
Daniela Lechler (52) ist seit über 30 Jahren im Marketing tätig. Sie ist IHK zertifizierte Business-Coach und Mentaltrainerin und bei vielen staatlichen Institutionen als Beraterin zugelassen. Ihre Beratungsleistung wird daher stark gefördert. Hier gibt es Förderprogramme wie die Existenzgründer- und Kurzberatung vom RKW oder das Gründercoaching als AVGS-Maßnahme, das komplett vom Arbeitsamt bezahlt wird. Zudem ist sie Referentin für Inhouse-Schulungen im Bereich Stressmanagement und Persönlichkeitsentwicklung.
Wenn Sie Unternehmen nur einen Tipp geben dürften, was würden Sie in Sachen Marketing empfehlen?
Wenn die Strategie, also das „Fundament“, nicht stimmt und authentisch ist, dann können es die einzelnen Marketingmaßnahmen auch nicht sein, denn sie müssen schon auf die Strategie, auf die Zielgruppe, die Positionierung, das Alleinstellungsmerkmal, die Unternehmerpersönlichkeit und so weiter abgestimmt sein.
Deshalb mein Best-of-Tipp: Erarbeiten Sie eine authentische Marketingstrategie, im Idealfall zusammen mit einem erfahrenen Experten. Das ist nicht nur stressfreier, sondern auch effektiver und zielführender. Wer jetzt denkt „Das kostet ja viel zu viel Geld, das kann ich mir nicht leisten“, sollte sich nach staatlicher Förderung erkunden. Hier gibt es tolle Programme, etwa vom RKW Baden-Württemberg, über das acht Stunden Beratung lediglich 140 Euro Eigenanteil kosten. Für Arbeitslose mit einem AVGS-Schein von der Arbeitsagentur ist ein Gründercoaching sogar kostenlos. Gute Marketingberater und -coaches sind in der Regel auch zertifiziert und somit für diese Förderungen zugelassen. Und wer einfach nur neue Impulse benötigt, sollte die IHK-Sprechstunde „Ihr Marketing auf dem Prüfstand“ nutzen.
Was sind die häufigsten Stolpersteine, auf die Sie in Ihren Marketingberatungen treffen und die aus dem Weg geräumt werden müssen?
Bei meinen Kunden allgemein und auch innerhalb meiner Arbeit als Marketingexpertin für die IHK fallen mir oft immer die gleichen Marketing-Mankos auf:
- Es fehlt häufig eine eindeutige Positionierung. Angebot und Mehrwert für den Kunden sind nicht klar. Es wird nicht aus Kundensicht gedacht. Auch der wichtige Elevator Pitch – in drei, vier knappen Sätzen dargestellt, was mich und meine Leistung auszeichnet – fehlt komplett.
- Marketing wird unterbewertet und deshalb zu wenig eingesetzt. Viele vertreten die Ansicht „Ich habe eine Homepage und darüber wird man mich schon finden“. Das ist zu einfach gedacht. Als Faustregel – gerade zum Start eines Unternehmens – gilt: 60 Prozent der Arbeitszeit sollte in das Marketing investiert werden, denn darüber wird das Geld verdient.
- Zudem erlebe ich oft, dass Unternehmer oder Gründer nicht an sich, ihr Unternehmen und ihren Erfolg glauben und sich deshalb von anderen verunsichern lassen. Daher heißt die Devise: Bei sich bleiben, nicht zu sehr auf andere hören – auch nicht auf die, die es „nur gut meinen und einen beschützen wollen“. Egal, ob Außenstehende aus gutem Willen oder einfach aus Neid bremsen, beides ist nicht hilfreich fürs eigene Geschäft. Wie heißt es so schön: der Glaube versetzt Berge, daher brauchen Unternehmer einen starken Glauben an sich selbst und einen guten Grund.
Halten Sie das Thema Onlinemarketing generell empfehlenswert oder wie würden Sie hier differenzieren?
Das Kundenverhalten hat sich geändert, heutzutage reicht es nicht, eine Visitenkarte zu haben. Potenzielle Kunden recherchieren zusätzlich im Internet, lesen Referenzen und schauen sich die Homepage an. Eine Webseite und eine gute Auffindbarkeit gehören meiner Meinung nach zur „Grundausstattung“.
Inwieweit XING, LinkedIn, Facebook, Instagram et cetera sinnvoll und zielführend sind, hängt vor allem von der Marketingstrategie, aber auch der Unternehmerpersönlichkeit ab.
Grundsätzlich muss der Wurm dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Es geht also darum herauszufinden, wo sich die besten Fische aufhalten, und sie dann mit den leckersten Wurmsorten zu füttern. Und das passiert nur mit der richtigen Marketingstrategie. Die einzige Ausnahme ist, wenn Geld, Zeit und Energie keine Rolle spielen. Dann können Sie getrost mit der „Gießkanne“ ran.
Was sind denn typische Anliegen, mit denen die Unternehmen zur Sprechstunde kommen?
Am häufigsten geht es darum: Wie erreiche ich meine Zielgruppe? Wie gewinne ich Kunden? Fast ebenso oft werden Onlinethemen angesprochen: Wie baue ich Reichweite auf? Wie wird meine Marke bekannt, insbesondere bei Google? Wie finde ich die richtige Mischung aus Print und Online? Erst auf Platz 3 landet das für mich an sich wichtigste Thema beim Marketing: die Frage nach dem Gesamtkonzept. Nach einer Marketingstrategie und nach -zielen. Ich habe bisher noch kein Unternehmen in der Marketingsprechstunde gehabt, das eine wirklich aussagekräftige Marketing-Strategie hatte. Vielleicht haben sie Teilfragen beantwortet, aber noch nie richtige Ziele oder eine Vision formuliert, geschweige denn den Weg definiert, wie sie dorthin kommen wollen.
Und das ist ein Problem: Wer nicht weiß, was genau er anbietet, was ihn einmalig macht und wo er hinmöchte, hat es schwer, seine potenziellen Kunden richtig abzuholen und somit seine Ziele zu erreichen!
Welche Folgen hat das?
Die Maßnahmen bleiben schwammig. Man schielt darauf, was die anderen machen und tut es ihnen einfach nach – ohne zu analysieren, ob das überhaupt zielführend ist. Und wenn es dann nicht gleich gut läuft, hört man mit allem wieder auf oder setzt es nur noch halbherzig fort. Dann kann man es gleich lassen. Bei etablierten Unternehmen beobachte ich zudem, dass sie oft sehr in ihrer eigenen Sichtweise verhaftet sind und ihren Kunden aus dem Auge verloren haben. Zudem ändert sich die Welt so rasant, dass Marketinginstrumente, die früher gut funktioniert haben, heute vielleicht nicht mehr so ziehen und man mal mutig Neues ausprobieren müsste. Da hilft es, wenn ich als Außenstehende neue Impulse gebe.
Was können Sie innerhalb einer Stunde Videokonferenz erreichen?
Ich kann erste Hilfestellungen zu wirklich „brennenden“ Fragen geben. Ich schaue mir im Vorfeld zum Beispiel auch die Homepage der Firmen an und nehme dort die Kundensicht ein: Finde ich schnell zum Produkt oder zur Dienstleistung? Wird klar, was das Angebot besonders macht? Wie steht es um SEO-Optimierung, Auffindbarkeit und Kundenbewertungen? In der Regel erhalten die Teilnehmer von mir ein konkretes Aufgabenpaket mit Hinweisen und ersten Optimierungsansätzen, die sie dann selbstständig umsetzen können.
Oder wir diskutieren ihre Marketingstrategie, die ich dann hinterfrage, und gebe Tipps. So erhalten Unternehmer mehr Sicherheit, ob das, was sie vorhaben, sinnvoll und passend ist, oder ob es vielleicht geändert werden sollte. Dafür reicht eine Stunde in jedem Fall.
Für Firmen ist die IHK-Sprechstunde unentgeltlich. Warum engagieren Sie sich so?
Einerseits aus Imagegründen, klar. Andererseits sind die Sprechstunden auch für mich sehr informativ. Sie sind ein guter Gradmesser, was Unternehmen aktuell umtreibt und auf welchem Kenntnisstand sie sind. Hilfreich für meine Beratungspraxis. Und zu guter Letzt machen mir diese Termine auch großen Spaß.
Interview: uh
Bild: Adobe Stock – Tierney
Die Marketingsprechtage der IHK Südlicher Oberrhein finden im Jahr 2023 immer freitags von 8.30 bis 14.30 Uhr statt an folgenden Terminen:
27. Januar
10. März
12. Mai
14. Juli
18. August
27. Oktober
17. November
Weitere Informationen und Anmeldung unter www.ihk.de/freiburg (Ihr Marketing auf dem Prüfstand | Online-Sprechstunde – IHK Südlicher Oberrhein ) oder direkt unter www.xing.com/events/marketing-prufstand-online-sprechstunde-4301765
Zusätzlich sind individuelle Terminvereinbarungen für Neugründer möglich. Hier können Sie sich anmelden: https://www.marketingberatung-coaching.de/kontakt/