„Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.“ Dieses Sprichwort gilt auch für Stellenanzeigen. Was gute ausmacht, wann Anglizismen passen und warum Unternehmen die Persönlichkeit ihrer Wunschkandidaten immer mitdenken müssen.
Kurz, prägnant und so geschrieben, dass der Leser neugierig wird. Geht es nach Ann Seger, gelten diese Ansprüche nicht nur für Bewerbungsanschreiben – sondern auch für Stellenanzeigen. Die Realität sähe oft anders aus, sagt die Inhaberin der Konstanzer Agentur „Brandb“, die auf Markenberatung für Arbeitgeber spezialisiert ist: „Meist steht viel zu viel drin. Das ist problematisch, da die Menschen kaum noch bereit sind zu lesen. Hinzu kommt: Je länger der Text, desto weniger davon bleibt im Gedächtnis.“
Um potenzielle Bewerber nicht vorschnell an die Anzeige eines Wettbewerbers zu verlieren, rät sie, sich bei Anforderungen, Jobprofil und Angebot auf jeweils drei, maximal vier Punkte zu beschränken. Karin Walther, Personalreferentin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, teilt diese Ansicht: „Inhaltsleere Floskeln wie ‚engagierte Mitarbeiter‘ kosten wertvollen Platz und können raus.“
Individuell und zielgruppengerecht
Nicht fehlen darf indessen ein verständlicher, branchenüblicher Jobtitel. „Dieser ist aus Sicht der Stellensuchenden zu formulieren und sollte keine internen Begriffe enthalten“, weiß Barbara Bücheler, Personalleiterin der IHK Hochrhein-Bodensee, aus eigener Erfahrung. „Seitdem wir für unsere Beitragsabteilung ‚Kaufmännische Mitarbeiter‘ statt ‚Sachbearbeiter Beitrag‘ suchen, bekommen wir wesentlich mehr Bewerbungen.“
Vom Customer Happiness Manager über den Growth Hacker bis zum Sourcing Specialist: Branchenübergreifend beschreiben Start-ups wie Konzerne zu besetzende Positionen mit modern klingenden Anglizismen. Wie sinnvoll dies ist, muss individuell geprüft werden, sagt Ann Seger: „SEO- oder E-Commerce-Manager sind etablierte, bei der Zielgruppe bekannte Begriffe. Die englische Variante des Zerspanungsmechanikers gehört nicht dazu.“ Entsprechend reduziert sollte die Experimentierfreude an dieser Stelle sein. Für Karin Walther entscheidet auch das Marktumfeld: „Internationale Unternehmen sprechen mit englischen Jobtiteln eher ihre Zielgruppe an, während kleinere, regional stärker verwurzelte Betriebe mit deutschen Begriffen punkten können.“
Und Barbara Bücheler gibt zu bedenken: Je unverständlicher Jobtitel sind, umso höher ist das Risiko, falsche Erwartungen zu wecken. Ein weiterer Tipp: „Seien Sie präzise.“ Wer einen Hausmeister sucht, sollte die Stelle nicht als Facilitymanager verkaufen.
Das kleine 1x1 der Stellenanzeigen
- Branchenübliche Jobtitel nutzen: So erhöhen Sie die Chance, dass Ihre Wunschkandidaten die Stellenausschreibung finden.
- Auf das Wesentliche konzentrieren: Nennen Sie nur Qualifikationen, die es für die Position wirklich braucht und streichen Sie inhaltsleere Floskeln.
- Neugierde wecken: Machen Sie am Anfang der Stellenanzeige klar, wodurch Sie sich als Arbeitgeber von Wettbewerbern unterscheidem und was Mitarbeiter nur bei Ihnen erleben werden (Stichworte: Aufgaben und individuelle Weiterentwicklung).
- Konkret bleiben: Verzichten Sie auf schwammige Formulierungen zugunsten präziser Angaben. Mobiles Arbeiten ist nur in Ausnahmefällen möglich? Dann schreiben Sie das.
Persönlichkeit beachten: Neue Mitarbeiter müssen fachlich wie charakterlich ins Team passen. Auch derartige Anforderungen haben in Stellenausschreibungen Platz. - Enttäuschungen vermeiden: Zeichnen Sie in Ihren Anzeigentexten ein realistisches Bild, damit Sie bei Bewebern keine unhaltbaren Erwartungen wecken und Kündigungen riskieren.
Online gefunden werden
Im digitalen Zeitalter ist die Frage der richtigen Worte auch eine technologische. „Suchmaschinen und Jobportale nutzen spezielle Programme, sogenannte Crawler, die Webseiten nach relevanten Inhalten durchforsten, diese bei sich einbinden und als Suchergebnisse ausspielen“, erklärt Ann Seger. Um hier vorne mit dabei zu sein, müssten Unternehmen nicht nur den Spielregeln der Algorithmen folgen und Begriffe verwenden, nach denen potenzielle Bewerber suchen. Wichtig sei es zudem, Stellenanzeigen als Text und nicht als PDF auf Webseiten einzubinden. „Nur so können Jobportale Inhalte automatisiert übernehmen und bei sich anzeigen.“ Der beste Jobtitel helfe nichts, wenn Stellenanzeigen online unauffindbar sind.
Personalern, die – vielleicht gerade im Zusammenhang mit neugeschaffenen Positionen – bei der Benennung unsicher sind, empfiehlt die Beraterin: „Schreiben Sie für die Stelle relevante Schlagworte wie Assistenz, Marketing oder Projektmanagement in die Suchleiste von Onlinestellenbörsen. Deren Algorithmen ergänzen Ihre Eingaben selbstständig auf Basis der häufigsten Suchanfragen. So sehen Sie, welche Formulierungen aktuell gefragt sind.“ Sofern es das Budget erlaubt, könnten sich Unternehmen hierzu auch von den jeweiligen Anbietern beraten lassen.
Konkrete Angaben punkten beim Bewerber
Laut dem baden-württembergischen Wirtschaftsministerium waren im Dezember 2022 landesweit 105.010 offene Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit registriert. Demgegenüber standen 227.463 arbeitslose Menschen. „Wir befinden uns auf einem Bewerbermarkt. Um sich hier optimal zu positionieren, sollten Unternehmen deutlich, und möglichst weit vorne, herausstellen, was Bewerber speziell nur bei ihnen erleben können“, sagt Ann Seger. Damit meint sie nicht gängige Standards wie Weihnachtsgeld oder ÖPNV-Zuschuss, sondern Antworten auf Fragen wie: Was macht die Stelle inhaltlich aus? Wie kann ich mich fachlich weiterentwickeln? Welche Aufstiegsmöglichkeiten habe ich?
Wichtig sei, schwammige Aussagen wie „flexible Arbeitszeiten“ und „mobiles Arbeiten“ zu definieren. „Hinter ersterem kann sich vom Drei-Schicht-Modell über Kernarbeitszeit bis zum Jahresarbeitszeitkonto alles verbergen. Und mit Blick auf das Zweite sei gesagt, dass es für Bewerber einen Unterschied macht, ob es eine gewisse Präsenzpflicht gibt, sie nur in Ausnahmefällen von zu Hause aus arbeiten können oder frei entscheiden dürfen, wann sie ins Büro kommen,“ erklärt die Marketingexpertin. Auch beim Entscheidungskriterium Geld plädiert sie für Offenheit. „Diese erhöht die Chance, dass sich Arbeitgeber und Bewerber bei den Gehaltsvorstellungen treffen, was wiederum den Auswahlprozess verschlankt und allen Seiten Zeit spart.“
Gretchenfrage: Was braucht’s wirklich?
Studium, Berufserfahrung, Budgetverantwortung, verhandlungssicheres Englisch, sehr gute Kenntnisse in einer weiteren Fremdsprache, Fachwissen, Führungskompetenzen, anwendungssicherer Umgang mit Computerprogrammen, kommunikationsstark, kreativ, organisiert… Nicht immer werden alle Punkte der zumeist langen Anforderungsliste in der Praxis benötigt. Um auch Kandidaten für sich zu gewinnen, die (noch) nicht alle Aspekte erfüllen, rät Karin Walther: „Machen Sie sich vorab klar, welche Qualifikationen für die Position essenziell sind, welche nur wünschenswert und welche sich im Nachhinein noch entwickeln lassen. Und schreiben sie nur die ersten auf.“
Denn: Die sprichwörtlich eierlegende Wollmilchsau gibt es ohnehin nicht. Daran hat Ann Seger keinen Zweifel. „Personalverantwortliche tun gut daran, die Tüte auch für Quereinsteiger mit Berufserfahrung aufzumachen, anstatt starr nach Schema F auszusieben“, sagt sie und stellt die Charakterfrage. „Wer neue Mitarbeiter sucht, muss sich fragen, welche Persönlichkeit sowohl auf den Posten als auch ins Team passt und dies entsprechend kommunizieren.“
Es bringe nichts, gutklingende Eigenschaften zu fordern, die für die eigentliche Tätigkeit entbehrlich, wenn nicht sogar hinderlich, sind. Als überspitzes Beispiel nennt sie den kreativen Sachbearbeiter: „Buchhaltung etwa lässt wenig Gestaltungs- und Veränderungsspielraum. Warum also jemanden einstellen, der es gewohnt ist, selbstverantwortlich zu entscheiden und nicht eine Person, die sich gut in vorhandene Prozesse einfügen kann?“ Im schlechtesten Fall kündigt der neue Mitarbeiter aufgrund von Unzufriedenheit zeitnah wieder. Die Gefahr von Fluktuation entsteht auch, wenn das Naturell des Wunschkandidaten nicht mit dem Gruppengefüge harmoniert. Und dann? Fängt die Suche wieder von neuem an – vielleicht mit einer anders formulierten Stellenbeschreibung.
Text: ks
Bild: Adobe Stock – lassedesignen
Bild: Bei der Personalsuche schlägt Unternehmen oft ein rauer Wind entgegen. Gut aufgestellt ist, wer sich mit optimierten Stellenanzeigen seine Wunschkandidaten angelt.