Durch den Brexit begann das vergangene Jahr recht turbulent. Deshalb scheinen die Neuerungen zum Jahreswechsel 2021/2022 vergleichsweise gering. Doch der Schein trügt.
A uch zum aktuellen Jahreswechsel müssen sich Unternehmen mit einer Reihe von Änderungen befassen. Allen voran sei die Revision des Harmonisierten Systems genannt, denn die Warentarifnummer ist der Schlüssel zu vielen Fragestellungen im Zusammenhang mit Auslandsgeschäften. Alle sieben Jahre bedarf es einer größeren Anpassung, um den technologischen Veränderungen und der Entstehung neuer Produkte Rechnung zu tragen. 2022 gibt es daher gut 350 Neuerungen unterschiedlicher Art, rund 15 Prozent des Warenverzeichnisses ändern sich. Das Statistische Bundesamt hat wieder eine Gegenüberstellung der alten und neuen Warennummern veröffentlicht, die in diesem Jahr knapp 130 Seiten umfasst. Viel Arbeit also, aber jedem Unternehmen bleibt das gute Gefühl, mit diesem Thema nicht allein zu sein, denn rund 200 Staaten weltweit arbeiten auf Basis des Harmonisierten Systems.
Eingangsmeldung vor dem Aus
Eng verbunden mit der Warennummer ist auch die Außenhandelsstatistik. Deren Anforderungen ändern sich im neuen Jahr sowohl bei der sogenannten Intrahandelsstatistik als auch bei Extrastat, also den Angaben in der Zollanmeldung.
Mit den Intrastat-Meldungen wird der Warenverkehr zwischen den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) statistisch erfasst – derzeit noch sowohl Versendungen als auch Wareneingänge. Perspektivisch plant die EU die Einführung des „Einstromverfahrens“, wonach in der Regel nur noch Versendungsmeldungen abzugeben sind. Nur sehr große Unternehmen werden dann noch Eingangsmeldungen abgeben müssen. Eine spürbare Entlastung also für die Wirtschaftsakteure. Leider ist noch offen, wann die Eingangsmeldung abgeschafft wird.
In Vorbereitung auf die Verfahrensänderung müssen seit 1. Januar 2022 bei den Versendungsmeldungen zusätzliche Daten angegeben werden: zum einen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (Ust-ID-Nr.) des Warenempfängers, zum anderen das Ursprungsland der Ware. Zudem gibt es bei den Geschäftsarten Änderungen, und natürlich müssen auch hier die korrekten Warennummern nach dem Harmonisierten System (HS) 2022 berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es auch noch Einschränkungen bei der Zusammenfassung von Angaben zu gemeinsamen Meldungen.
Die Änderungen der Außenhandelsstatistik bringen auch Umstellungen bei der Zollanmeldung in „ATLAS“ mit sich, denn die bereits erwähnten neuen Codierungen bei der „Art des Geschäfts“ sind auch in Zollanmeldungen umzusetzen. Außerdem ändern sich die Bedingungen zur Nutzung von Sammelwarennummern.
Großbritannien bleibt eine harte Nuss
Auch nach einem Jahr mit unterschiedlichen praktischen Erfahrungen muss nach wie vor ein wenig Augenmerk auf die Geschäfte mit Großbritannien gelegt werden. Zwar wurden auf britischer Seite einige Fristen zur Vorlage von Einfuhrdokumenten nochmals verschoben, seit 1. Januar besteht jedoch die Pflicht zur Vorlage einer vollständigen Zollanmeldung bei Einfuhr nach Großbritannien. Und im Zuge der Digitalisierung der Grenzabfertigung müssen sich Spediteure zum „Goods Vehicle Movement Service“ (GVMS) anmelden, wenn Waren über einen Hafen ins Königreich gebracht werden, der diesen Service nutzt.
Probleme bereitet vielen Exporteuren im Zusammenhang mit dem Brexit nach wie vor die Erledigung der Ausfuhrverfahren nach Großbritannien, denn bis zu 20 Prozent der Ausgangsvermerke fehlen zum Teil noch. Diese sollten über das Follow-Up-Verfahren und die Vorlage von Alternativnachweisen erledigt werden.
Kopfzerbrechen bereitet auch die bereits seit Juli 2021 gültige „Kleinsendungsregelung“. Durch das Abschaffen der Steuerfreiheit von Einfuhrsendungen mit weniger als 22 Euro Warenwert müssen für alle Lieferungen Zollanmeldungen abgegeben werden, wodurch der Aufwand für Importeure deutlich höher ist als zuvor. Auch wenn die Abfertigung in den meisten Fällen von Dienstleistern erfolgt, benötigen diese in der Regel zahlreiche Daten und Sendungsdetails für die Abfertigung. Im Januar 2022 soll das Zoll Modul „ATLAS-IMPOST“ an den Start gehen, mit dem Unternehmen selbst die Zollanmeldungen vornehmen können.
Weitere Details: WiS 12-2021 sowie www.wirtschaft-im-suedwesten.de – One year after
Schweiz-Exporte werden einfacher
In Sachen Einfuhrverzollung macht es sich die Schweiz perspektivisch ein wenig einfacher: Industriezölle sollen vollständig abgeschafft werden. Der ursprünglich angedachte Termin zur Umsetzung, der 1. Januar 2022, konnte zwar nicht gehalten werden, aber der Schweizer Bundesrat wird im Februar über das Datum des Inkrafttretens entscheiden. Zudem steht mit dem Projekt „Dazit“ eine umfassende Revision und Digitalisierung des Zollsystems am Start, was in der Zukunft auch Auswirkungen auf die exportierenden Unternehmen hat.
Halbgare Lösung zumWarenursprung
Veränderungen gibt es zum Jahreswechsel oft bei Fragen des Warenursprungs und der damit zusammenhängenden Dokumentation durch Lieferantenerklärungen. Die gute Nachricht zuerst: Auch 2022 bleibt der Wortlaut der Lieferantenerklärung unverändert, und außer mit Großbritannien gab es keine neuen Abkommen, die bei den begünstigten Ländern zu nennen wären.
Trotzdem bekommt das Thema des präferenziellen Warenursprungs gerade eine unerwartete Dimension durch das neue Pan-Euro-Med-Regionalübereinkommen. Die darin vereinbarten (Ursprungs-)Regeln sind deutlich wirtschaftsfreundlicher, es sind weniger Nachweise erforderlich, und die Ursprungspräferenz ist leichter erreichbar.
Was nach vielen Vorteilen klingt, hat aber auch wieder einen Haken, denn nicht alle Länder der Pan-Euro-Med-Zone akzeptieren die neuen Regelungen. Die eigentlich durch das Abkommen angestrebte Harmonisierung innerhalb des gesamten Wirtschaftsraums wird also (noch) nicht erreicht. Im Gegenteil: Da Unternehmen die Wahl haben, nach welchen Ursprungsregeln die Präferenz ermittelt und bestätigt wird, gibt es zwei Systeme mit zwei getrennten Nachweisketten. Im Moment also eher etwas für Spezialisten, im bilateralen Lieferverkehr kann es aber durchaus hilfreich sein, nach den sogenannten „transitional rules“ zu arbeiten.
Probleme durch neue Lieferketten
Einen kleinen Schritt vorwärts ging es im Handelsstreit zwischen der EU und den USA. Beide Seiten haben sich auf eine Aussetzung der vorgesehenen Zusatzzölle geeinigt und diese nun durch zollbefreite Quoten ersetzt.
Teurer wird es an anderer Stelle für einige Importeure durch das Verhängen von Antidumpingzöllen, betroffen sind unter anderem optische Glasfasern aus China.
Zur Verteuerung von Gütern tragen derzeit vor allem auch die Lieferkettenprobleme bei (siehe dazu auch Seite 6). Viele Unternehmen klagen über Probleme bei der Beschaffung – seien es Rohstoffe, Zulieferteile oder Handelsware – und orientieren sich auf neuen Märkten. Ein unangenehmer Nebeneffekt könnte sein, dass durch Änderung der gewohnten Lieferketten Produkte ihre Ursprungspräferenz verlieren, was wiederum zu bösem Erwachen beim Kunden führen kann, wenn dieser plötzlich neben dem höheren Preis auch noch Zoll zahlen muss.
In Vorausschau auf das nächste Jahr machen auch andere Fragen der Lieferkette von sich reden: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Dies soll der Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage dienen, indem es Anforderungen an ein verantwortungsvolles Management von Lieferketten festlegt. Es ist ab 1. Januar 2023 in Deutschland für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten anwendbar. Ein Jahr später sind dann auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland erfasst.
Auch Unternehmen, die nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich fallen, dürften aber, so stellt die Wirtschaftskanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner fest, als Teil einer Lieferkette die Auswirkungen des Gesetzes zu spüren bekommen, etwa in Form von neuen Vertragsklauseln, mit denen große Unternehmen die ihnen gesetzlich auferlegten Sorgfaltspflichten an Vertragspartner weitergeben.
Schwellenwerte bei Ausschreibungen
Bleibt zuletzt noch ein Blick auf öffentliche Aufträge, für die die EU-Kommission neue Schwellenwerte zur Ausschreibung veröffentlicht hat. Gegenüber den noch bis Ende 2021 geltenden Schwellenwerten liegen sie nur marginal höher. Bauleistungen etwa sind ab 5,382 Millionen Euro auszuschreiben, für übrige Aufträge von Nichtregierungsbehörden liegt der Schwellenwert bei 215.000 Euro.
Text: toe, psb
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