Seit Jahresbeginn müssen gastronomische Betriebe für Außer-Haus-Speisen und To-Go-Getränke Mehrwegverpackungen anbieten. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt: Ein echter Renner ist das Thema noch nicht.
„Unsere Ware – auch zum Mitnehmen. Fragen Sie unsere Mitarbeiter und lassen Sie sich Ihre Getränke und Speisen für den Weg einpacken.“ So oder ähnlich liest man es auf vielen Webseiten oder auf Schildern vor Restaurants, Cafés und Kiosken in Südbaden. To-Go-Getränke und -Speisen sind Teil unseres Konsumalltags geworden. Doch durch die schiere Menge werden Einwegverpackungen immer mehr zum Problem. Wir füttern so nicht nur unsere Mägen, sondern gleichzeitig den ohnehin monströs großen globalen Müllberg.
Weitere Infos
- Mehr zu den Details, wer wann welche Mehrweglösung anbieten muss, unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de/titelthemen/mehrweg-kommt
- IHK-Merkblatt zu den neuen Mehrwegvorschriften und wie Gastronomen sie handhaben über.
- Broschüre „Mehrweg für Speisen und Getränke zum Mitnehmen“ des Umweltbundesamtes speziell für die Gastronomie. www.uba.de
- Webseite „Essen in Mehrweg“: Hervorragendes gemeinsames Infoangebot verschiedener Umwelt- und Nachhaltigkeitsverbände. Bietet Kurzübersichten zu den neuen Regeln in vier Sprachen, Hinweise zur Spülhygiene und zur Verkaufspersonalschulung fürs Befüllen. Umfangreiche Übersicht und Vergleich über die zurzeit verfügbaren Mehrwegsysteme, Hilfen zur Entscheidungsfindung sowie Tipps für das Installieren einer eigenen Mehrweglösung. www.esseninmehrweg.de
- Dehoga-Merkblatt „Mehrwegverpackungspflicht in der Gastronomie ab 2023“ (für Dehoga-Mitglieder). www.dehogabw.de
- Das Verpackungsgesetz als PDF zum Herunterladen unter www.gewerbeaufsicht.baden-wuerttemberg.de Verpackungsgesetz
deshalb nicht schon vorher angeboten und verwendet worden wären. Neu ist aber: Seit 1. Januar sind alle Gastronomen per Verpackungsgesetz verpflichtet, ihren Gästen eine Alternative zur Einweg- und damit Wegwerfverpackung anzubieten – und diese auch wieder zurückzunehmen.
Und, wie klappt es so? „Sehr schleppend“, antwortet Georg Wiengarn auf die Frage nach seinen Erfahrungen. Der 48-Jährige betreibt neben einem Hotel auch den Schnellimbiss Foodbox unweit der Triberger Wasserfälle. Das System habe sich in der Schwarzwaldregion noch nicht durchgesetzt. „Hier kommt keiner mit dem Mehrwegbecher, um ihn in Stuttgart, Köln oder Frankfurt wieder zurückzugeben“, sagt Wiengarn.
So sind drei Viertel der angeschafften Erstausstattung noch da. Ungenutzt. Ein Betrieb mit regelmäßig wiederkehrender Kundschaft habe vielleicht andere Erfahrungen. Zur Foodbox aber kommen wenig Stammgäste, sondern „die Oma aus Schweden, die Familie aus Israel“, so Wiengarn – eben viele Touristen, von denen kaum einer einen Pfandbecher dabeihat oder mitnehmen möchte. Erst recht keinen Essensbehälter, in dem er eine Gulaschsuppe, eine Portion Pommes oder einen Burger wegtransportieren würde.
Kunden lassen Mehrweg (noch) links liegen
Ähnlich äußert sich Martina Sanseverino. Sie betreibt ein Pizza-Ristorante am Fußballstadion in Rottweil. Im Oktober 2022 hat sie knapp 700 Euro in die Ausstattung des Münchner Mehrweganbieters Recup/Rebowl investiert. Diverse Werbemittel machen ihre Kunden auf das Take-away-Angebot aufmerksam. Aber auch sie sagt: „Es ist schwierig, das System zu etablieren.“ Die komplette Speisekarte bietet sie zum Mitnehmen an. „Die Schalen und Becher haben eine super Qualität, da kann man nicht meckern.“ Und obwohl das Mitnahmegeschäft eigentlich gut laufe, frage ein Großteil der Kundschaft nicht nach Mehrweggeschirr.
Könnte es am Pfandpreis liegen? Der liegt bei einem Euro für den Recup-Becher und bei fünf Euro für die Rebowl-Schale mit Deckel. „Bestellt eine Familie Pizza und Pasta beispielsweise für insgesamt 60 Euro, dann kommen noch mehr als 20 Euro Pfand dazu“, rechnet die Restaurantchefin vor. „Ich glaube, das ist für viele Familien einfach viel Geld.“ Dennoch, im Prinzip sei die Idee der Mehrwegverpackungen absolut sinnvoll: „Wir wissen alle, wie viel Müll produziert wird“, hält sie an ihrer Entscheidung fest.
Daniela Hermann, Projektleiterin Tourismus, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, bestätigt die Eindrücke der beiden Mitgliedsunternehmen: „Mehrweg ist nicht das große Thema.“ Schon im November sei das Interesse an den Informationsangeboten der IHK eher gering gewesen. Ihre Theorie lautet: Die einen wissen Bescheid und haben ein Mehrwegsystem schon lange erfolgreich im Einsatz, viele andere aber haben gar nicht verstanden, worum es geht, einige sitzen es möglicherweise auch aus.
Manche Regionen sind schon weiter
Große Unterschiede gibt es in der Tat, das macht ein Besuch im Restaurant Sol am Konstanzer Ebertplatz deutlich. Hier hat sich das Mehrwegsystem längst etabliert, berichtet Geschäftsführer Tiberius Triff. Schon mit der Eröffnung im November 2014 hat er voll auf die Karte Vegifood gesetzt.
Nachhaltigkeit war mir schon immer wichtig“, erzählt der 48-Jährige. Die Bedienungstheke im früheren Friseursalon hat er aus dem nachwachsenden Rohstoff Bambus selbst gezimmert. Plastikbesteck sucht man hier vergebens. 2018 wurde das Recup-System eingeführt, Ende 2020 kamen die Rebowl-Schalen hinzu. „Ich hatte mich damals auch als Versuchsbetrieb bei Recup angemeldet“, blickt Triff zurück.
Heute nennt er Zahlen, die wohl nur wenige erreichen: 2022 wurden im Sol 6.737 Recup-Becher gefüllt, 5.109 zurückgeben. 2.988 Rebowl-Schalen gingen raus, 2.840 kamen gegen Pfand zurück. Es ist offensichtlich: In der Studentenstadt Konstanz ist das Interesse an den Mehrwegbehältern größer als auf dem Land, Tiberius Triff ist zudem als Anbieter nicht allein auf weiter Flur: Eine Studentin beispielsweise, die morgens zur Uni radelt und auf ihrem Weg im Sol den ersten Kaffee einfüllen lässt, kann den Becher bei diversen Restaurants in der Altstadt abgeben, sich dann mit einem Take-away-Essen an den Seerhein setzen und den Behälter auf dem Rückweg im Sol wieder abgeben. Oder sie nimmt ihn mit nach Hause, steckt ihn in die Spülmaschine, und der WG-Mitbewohner befüllt die Schale für die Mittagspause am nächsten Tag, bevor sie anderswo in der Stadt den Weg zurück ins Pfandsystem findet.
Eine derartige Kreislaufwirtschaft – so die einhellige Einschätzung aller Gesprächspartner – ist an sich nur zu begrüßen. Letztlich müssen die Kunden mitmachen. Mag sein, dass es – wie bei vielen anderen Umbrüchen in der Gesellschaft – einfach seine Zeit braucht, bis sich das neue System durchsetzt.
Text: Benedikt Brüne
Bild: Adobe Stock, Olaf Kunz
IHK Hochrhein-Bodensee:
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IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
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IHK Südlicher Oberrhein:
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