So einiges an rechtlichen Änderungen, die zum Jahreswechsel auf Unternehmen zukommen, haben wir bereits in vorangegangenen WiS-Ausgaben vorgestellt. Nachfolgend aber noch einmal eine ergänzte Zusammenfassung über das, was kommt und was man dazu wissen muss.
Elektronische Krankschreibung
Ab dem 1. Januar 2023 ist der gelbe Schein zur Krankmeldung von Arbeitnehmern an den Arbeitgeber und die Krankenkasse Geschichte. Der Arbeitnehmer ist zwar weiterhin zur unverzüglichen Mitteilung seiner Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber verpflichtet. Seine Krankendaten werden jedoch elektronisch vom Arzt an die Krankenkasse übermittelt. Auch Aufenthalts- und Entlassungsdaten der Krankenhäuser werden elektronisch an die Krankenkasse übermittelt. Dort kann der Arbeitgeber die Daten dann abrufen.
Eine Anfrage nach der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) kann beispielsweise über ein systemgeprüftes Entgeltprogramm an den zentralen Kommunikationsserver aller gesetzlichen Krankenkassen gestellt werden, woraufhin der Arbeitgeber spätestens am Tag nach der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit eine Benachrichtigung über das Vorliegen der eAU bekommt. Die eAU gilt nicht für privat Krankenversicherte, Minijobber in Privathaushalten sowie bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Privatärzten oder Behandlungen im Ausland.
Midijob-Grenze steigt
Die Grenze des Einkommens für sogenannte Midijobs steigt zum 1. Januar 2023 von 1.600 auf 2.000 Euro Brutto im Monat. Niedrigverdiener mit einem Bruttoeinkommen von 520,01 Euro (also jenseits eines Minijobs) bis zu dieser Grenze müssen keine Lohnsteuer und geringere Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Für Arbeitgeber wird der Bereich, in dem ein erhöhter Arbeitgeberanteil zu zahlen ist, damit auf 2.000 Euro erhöht: Erst ab dieser Obergrenze trägt er den regulären Arbeitgeberanteil.
Arbeitnehmerfreizügigkeit verlängert
Die Regelung zur Arbeitnehmerfreizügigkeitsbescheinigung, die die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und dem Kosovo erlaubt, wurde bis zum 31. Dezember 2023 verlängert. Dabei sollte der Arbeitsvertrag so ausgestaltet werden, dass eine gültige Visumserteilung zum Eintrittsdatum gegeben ist beziehungsweise zur Voraussetzung für den Vertragsschluss gemacht wird.
Pflicht zur elektronisch unterstützten Betriebsprüfung
Ab dem 1. Januar 2023 ist die Übermittlung der notwendigen Daten für die Entgeltabrechnung im Rahmen der Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung über ein elektronisches Entgeltabrechnungsprogramm verpflichtend. Schon seit 2012 war dies optional möglich. Arbeitgeber können jedoch formlos einen Antrag bei dem für die Betriebsprüfung zuständigen Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung stellen, um für die Zeiträume bis zum 31. Dezember 2026 von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung befreit zu werden.
Rentner dürfen mehr hinzuverdienen
Ab 2023 entfällt die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten; bei Erwerbsminderungsrenten werden die Hinzuverdienstgrenzen deutlich angehoben. Mit dem Gesetz gehen zudem bürokratische Erleichterungen einher. So müssen sie beispielsweise ihren Sozialversicherungsausweis nicht mehr bei neuen Arbeitgebern vorlegen, da diese die Sozialversicherungsnummer bei der Rentenversicherung digital abrufen können.
Neue Mitteilungspflichten nach Gewerbeordnung
Die Gewerbeordnung enthält ab Januar 2023 einige praktisch wichtige Neuregelungen: Für Gewerbe mit Zuverlässigkeitsprüfung wird eine Mitteilungspflicht beim nachträglichen Personenwechsel allgemein geregelt. Solche Mitteilungspflichten bestehen bereits, beispielsweise für Immobilienmakler. Sie werden nun auf alle von der Zulässigkeitsprüfung erfassten Gewerbe ausgeweitet. Entsprechende Melde-/Anzeigepflichten gelten künftig auch bei der Änderung des Namens: Namensänderungen, sowohl von natürlichen als auch juristischen Personen, sind nach der neuen Norm den Gewerbeämtern anzuzeigen.
Und auch die Finanzbehörden treffen neue Mitteilungspflichten. Sie müssen den Gewerbeämtern Informationen zur Aufgabe eines Betriebs übermitteln, die eine Abmeldung von Amts wegen zulassen. Zudem werden die Mitteilungspflichten an die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betrieblichen Altersversorgungen (EIOPA) erweitert. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und der EIOPA verbessert werden. Zuletzt wurde die Weiterbildungspflicht für Immobilienmakler und Wohnimmobilienverwalter einem neuen Bußgeldtatbestand unterworfen, der bei Nichterfüllung greifen soll.
Hinweisgeber schützen
Sogenannte Whistleblower sollen nach einer EU-Richtlinie in Zukunft mehr Schutz genießen. Obwohl die Umsetzungsfrist bereits am 17. Dezember 2021 abgelaufen ist, werden die entsprechenden Regelungen erst 2023 in Kraft treten, voraussichtlich noch im ersten Quartal. Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sind danach verpflichtet, ein Hinweisgeberschutzsystem einzuführen. Eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 gilt für private Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten.
Weitere Details: WiS 10-2022 sowie www.wirtschaft-im-suedwesten.de – Anlaufstellen für Whistleblower
Neuerungen 2023 im Auslandsgeschäft
Auch zollrechtlich tut sich im neuen Jahr so einiges: von neuen Anforderungen an Exporteure durch das „ATLAS Release AES 3.0“ und zusätzlichen Pflichten für Importeure durch das „Import Control System2“ über das gemeinsame Versandverfahren auch mit der Ukraine bis zur Pflicht zur elektronischen Gestellungsmitteilung bei Einfuhren aus der Schweiz. Was 2023 für Importeure und Exporteure bereit hält, lesen Sie in der Februarausgabe der Wirtschaft im Südwesten oder vorab schon online unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de/praxiswissen/neuerungen-auslandsgeschaeft
Lieferketten sauber halten
Das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten (LkSG) ist seit dem 1. Januar 2023 in Kraft. Zunächst verpflichtet es in Deutschland ansässige Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten im Inland dazu, entlang ihrer globalen Lieferketten menschenrechtliche und ausgewählte umweltrechtliche Sorgfaltspflichten zu beachten und entlang der Lieferkette zu adressieren. Darunter fallen beispielsweise Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen und sofortige Abhilfe bei festgestellten Rechtsverstößen. Zudem müssen Unternehmen Zugang zu Beschwerdeverfahren ermöglichen. Der Grad der Verpflichtung ist abgestuft nach der Einflussmöglichkeit des Unternehmens. Es ist zu empfehlen, die Sorgfaltsmaßnahmen zu Nachweiszwecken zu dokumentieren. Ab 2024 sind dann alle in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten im Inland vom Anwendungsbereich des LkSG umfasst.
Weitere Details: WiS 9-2022 sowie www.wirtschaft-im-suedwesten.de – Lieferketten nachhaltig aufstellen
Vorgehen gegen Datenschutzverstöße
Eine wesentliche Änderung des Datenschutzrechts könnte im Januar 2023 auf Unternehmen zukommen: Am 12. Januar 2023 will der Bundesgerichtshof seine Entscheidung zu einem Fall verkünden, in dem es unter anderem um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen Mitbewerber gegen Datenschutzverstöße der Konkurrenz vorgehen können (Az. I ZR 222/19 und I ZR 223/19). In der Praxis dürften sich daraus ganz erhebliche Konsequenzen ergeben.
Digitalisierung bei Handelsregisteranmeldungen
Die Digitalisierung im Gesellschaftsrecht geht voran. Bereits seit dem 1. August 2022 können Handelsregisteranmeldungen online beglaubigt werden, ab dem 1. August 2023 wird die Möglichkeit zur Online-Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen auf alle Unternehmensformen sowie auf Anmeldungen im Partnerschafts-, Genossenschafts- und Vereinsregister ausgeweitet. Darüberhinaus soll künftig das notarielle Verfahren der Online-Beurkundung bei GmbHs nicht nur bei Bargründungen, sondern auch bei Sachgründungen möglich sein und auf Gründungsvollmachten erweitert werden. Zudem kann die Beglaubigung der Verpflichtung zur Abtretung von Geschäftsanteilen im Gesellschaftsvertrag ab dem 1. August 2024 online erfolgen.
Harmonisierung im Stiftungsrecht
Zum 1. Juli 2023 tritt die Änderung des Stiftungsrechts in Kraft, mit der die Stiftungsgesetze der Länder im Bürgerlichen Gesetzbuch vereinheitlicht werden. Geregelt werden unter anderem Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Änderungen der Stiftungssatzung, die Möglichkeit der Verwendung von Umschichtungsgewinnen, die Haftungsbeschränkung von Organmitgliedern sowie die Zusammenlegung von Stiftungen. Ab dem 1. Januar 2026 wird ein neues Stiftungsregister eingerichtet, in das sich alle bürgerlich-rechtlichen Stiftungen verpflichtend eintragen müssen. Weil die Änderung sowohl für neue als auch bereits bestehende Stiftungen gelten, sollten die betroffenen Unternehmen Zeit für die Umsetzung der neuen Regelungen eingeplanen.
Text: Barbara Mayer, Advant Beiten
Bild:Adobe Stock/deagreez
Meldepflicht für digitale Torwächter
Am 1. November 2022 ist das Gesetz über Digitale Märkte (Digital Markets Act/DMA) in Form einer Verordnung in Kraft getreten. Es wird ab dem 2. Mai 2023 anwendbar sein. Ab dann müssen potenzielle „Gatekeeper“ innerhalb von zwei Monaten, spätestens bis zum 3. Juli 2023, der Kommission mitteilen, wenn ihre zentralen Plattformdienste die im Gesetz über digitale Märkte festgelegten Schwellenwerte erreichen. Daraufhin prüft die Kommission, ob das betreffende Unternehmen die Kriterien erfüllt, und benennt es als Gatekeeper. Danach haben diese Gatekeeper sechs Monate Zeit, spätestens bis zum 6. März 2024, um die Anforderungen des Gesetzes über digitale Märkte zu erfüllen.
orwächter/Gatekeeper müssen verschiedene Gebote und Verbote beachten. Dabei geht es um Selbstbegünstigungsverbote, Regelungen zur Datennutzung und zur Dateninteroperabilität bis hin zu Diskriminierungsverboten und fairen Bedingungen.
Das Gesetz über Digitale Märkte soll sicherstellen, dass auf großen zentralen Onlineplattformen, die als Torwächter/Gatekeeper fungieren, nicht auf unfaire Geschäftspraktiken zurückgegriffen wird. Gatekeeper können zum Beispiel Onlinedienste sozialer Netzwerke, Onlinesuchmaschinen, Onlinewerbedienste, virtuelle Assistenten und Webbrowser sein, wenn sie einen zentralen Plattformdienst bereitstellen, welcher gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient und sie einen erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt ausüben.
mc