Zollrechtlich tut sich auch 2023 ein bisschen was: von neuen Anforderungen an Exporteure durch das „ATLAS Release AES 3.0“ bis zu weiteren Pflichten für Importeure durch das „Import Control System2“. Was hinter dem Kauderwelsch steckt und was das neue Jahr für Ein- und Ausführer bereithält.
Zugegeben, die zollrechtlichen Änderungen zum Jahreswechsel wirken gemessen an der weltweiten politischen und wirtschaftlichen Lage eher bedeutungslos. Doch sind es gerade diese weltweiten Entwicklungen, die erheblichen Einfluss auf das Auslandsgeschäft haben, und so müssen Unternehmen sich auch 2023 wieder mit einigen Neuerungen beim Im- und Export auseinandersetzen.
Statistisches Warenverzeichnis kaum verändert
Etwas Positives gleich mal zu Beginn: Nach der umfassenden Revision des Harmonisierten Systems zu Beginn 2022 gibt es 2023 nur relativ geringe Änderungen des Statistischen Warenverzeichnisses – und das Statistische Bundesamt hat in gewohnter Weise eine Gegenüberstellung als Hilfe veröffentlicht. Außerdem können die nationalen Sammelnummern 9990 weiterhin verwendet werden – allerdings mit der Einschränkung, dass die Kombination mit einem anschließenden Versandverfahren nicht funktioniert.
Apropos Versandverfahren: Die Ukraine nimmt am gemeinsamen Versandverfahren teil.
Neue Zollsoftware für den Export in den Startlöchern
Soweit die erfreulichen Nachrichten. Dem gegenüber stehen viele Veränderungen, zum Beispiel das neue ATLAS Release AES 3.0, die mit neuen Anforderungen auf exportierende Unternehmen einhergehen. Die Übergangsfrist etwa für das neue Release der Zollsoftware ATLAS endet Mitte 2023, und die Änderungen werden alle Ausführer merken, beispielsweise durch neue Codierungen, Änderungen der Vorgangsnummer (MRN-Nummer) oder durch die sogenannte „Beteiligtenkonstellation“, also die Angabe zum zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Ausführer.
Importeure müssen mehr Daten liefern
Auch Importeure werden mit weiteren Anforderungen rechnen müssen. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass der Zoll zunehmend für die Sicherheit in der Lieferkette sorgen soll. Das „Import Control System2“ (ICS2), dessen zweite Phase im März 2023 an den Start geht, ist nach Darstellung der Europäischen Union ein „Zollsystem für Sicherheit und Gefahrenabwehr“, das zu „effektiven Zollkontrollen auf Risikobasis führen soll.“
Damit das funktioniert, werden zahlreiche Daten bereits an die EU-Behörden gemeldet, bevor die Waren in die EU gelangen. Für Importeure bedeutet dies aber vor allem, dass sie an Lieferanten oder Transporteure noch mehr Daten liefern müssen.
Gestellungsmitteilungen für die Schweiz jetzt elektronisch
Gerade bei Importen aus der Schweiz wird sich eine weitere Änderung bei der Zollabfertigung voraussichtlich stark bemerkbar machen: Die Übergangsregelung, wonach bei der Einfuhr im Landverkehr aus der Schweiz keine elektronische Gestellungsmitteilung erforderlich war, endete am 31. Dezember 2022, sodass fortan die Gestellungsmitteilung und die Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung elektronisch abgegeben werden müssen. Es gibt zwar einige Ausnahmen, etwa für Nutzer der Internet-Zollanmeldung oder bei Verwendung eines Carnet ATA, und gefordert sind in erster Linie die Transporteure, aber mit Wartezeiten bei der Abfertigung ist für alle zu rechnen.
Mehr zum Carnet ATA in der WiS 10/2022 oder unter www.wirtschaft-im-suedwesten.de Wenn Messestände …
Lieferantenerklärung im Auge haben
Auch hinsichtlich des Präferenzrechts sind Änderungen im Unionszollrecht (UZK) geplant, unter anderem soll die buchmäßige Trennung vereinfacht werden. Bisher liegen nur Ankündigungen vor, und eine Umsetzung ist nicht vor Mitte 2023 zu erwarten, es zeichnen sich jedoch durchaus Verbesserungen ab.
Womit wir beim Thema der Lieferantenerklärung und den Präferenzabkommen wären: Langzeiterklärungen werden nach wie vor häufig für einen Kalenderjahreszeitraum ausgestellt, sodass viele Unternehmen regelmäßig mit der Neuausstellung befasst sind. Noch gibt es formell an dieser Stelle wenig Neues: Die Lieferantenerklärung bleibt in ihrem Wortlaut unverändert, und seit dem Abkommen mit Großbritannien hat es keine Erweiterung des Länderkreises gegeben. Beides wird sich ändern. Zum einen plant die EU grundlegende formelle Änderungen der Lieferantenerklärung, zum anderen sind Abkommen mit Neuseeland, Indonesien und weiteren Staaten in der Pipeline.
Unabhängig davon gilt es aber vor allem aus anderem Grund, dieses Jahr besonderes Augenmerk auf die Lieferantenerklärung zu legen: Durch die stark veränderten Lieferketten sowie die angestiegenen Preise im Einkauf von Vormaterialien, gehen Präferenzen gegebenenfalls verloren. Hersteller sollten daher ein Auge auf die internen Prozesse werfen und die Präferenzkalkulation(en) unbedingt prüfen.
Perspektivisch hat sich die EU vorgenommen, den UZK zu reformieren. Dabei geht es um übergeordnete Ziele wie die weitere Digitalisierung, eine verbesserte Zusammenarbeit mit anderen Behörden oder die Nachhaltigkeit. Auch die Prozesse stehen im Fokus, zum Beispiel, um dem zunehmenden elektronischen Handel zollrechtlich Rechnung zu tragen. Eigentlich soll es für die Wirtschaftsbeteiligten einfacher werden, etwa durch die „zentrale Zollabwicklung“. Momentan ist davon jedoch wenig erkennbar, durch Änderungen und Erweiterungen der Rechtsvorschriften wird das Zollrecht derzeit für Unternehmen eher weniger überschaubar und beherrschbar.
Embargos, Genehmigungen, Nullbescheide und das Bafa
Ebenso regelmäßig wie die Warentarifnummern ändert sich auch die Dual-Use-Liste, denn technische (und politische) Entwicklungen gilt es zu berücksichtigen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) hat dazu einen unverbindlichen Überblick über die Änderungen veröffentlicht, der Betroffenen als Arbeitshilfe dient.
www.bafa.de – Güterlisten
Darüber hinaus müssen die länderbezogenen Embargos fortlaufend geprüft werden, an erster Stelle Russland. Das letzte Sanktionspaket wurde im Oktober verabschiedet, es bleibt den Wirtschaftsbeteiligten nichts anderes übrig, als sich sehr akribisch durch die Vorschriften zu arbeiten, um eventuelle Geschäfte auf ihre Zulässigkeit zu prüfen. Das Bafa bietet neben umfangreichen Informationen auf der Homepage auch eine Hotline zu diesem Thema an.
Bafa-Hotline zum Russland-Embargo: 06196 908-1237, Montag bis Donnerstag 8.30 bis 16 Uhr, Freitag bis 15 Uhr
Die Allgemeinen Genehmigungen (AGG), die es Exporteuren in bestimmten Fällen leichter machen, genehmigungspflichtige Güter auszuführen, sind ebenfalls zum Teil aktualisiert worden. In einigen AGGs wurde die Ukraine als begünstigtes Land aufgenommen, bei anderen AGGs wurden Länder wie etwa China aus dem Kreis der Begünstigungen gestrichen. Auch dazu informiert das Bafa auf seiner Homepage.
Vor allem bei der Exportkontrolle ist die Sorge in Unternehmen groß, dass aufgrund der sehr zahlreichen unterschiedlichen Vorschriften unbeabsichtigt gegen Genehmigungspflichten verstoßen wird. Da viele Unternehmen aus diesem Grund „vorsorglich“ eine Genehmigung beantragen – oder einen Nullbescheid – gibt es bei der Behörde nun Überlegungen, die Genehmigungen kostenpflichtig zu machen, um den Druck auf die Exporteure zu erhöhen, eigenverantwortlich zu prüfen und das Bafa zu entlasten.
Von Ägypten bis Schweiz – länderspezifische Änderungen
Neben den Exportkontrollvorschriften müssen Unternehmen auch in den Zielländern verschiedenste Anforderungen erfüllen, in erster Linie bei den Dokumenten und Verfahren. Neu seit Januar 2023 ist beispielsweise die Anforderung einer Freiverkäuflichkeitsbescheinigung für bestimmte Produkte, die nach Tunesien geliefert werden, sowie die Aufhebung der Akkreditivpflicht bei Geschäften in Ägypten. Schon länger in der Umsetzung ist der Wunsch der Türkei, in offiziellen Dokumenten den Ländernamen „Türkiye“ zu verwenden als Ersatz für den englischen Begriff „Turkey“. Und auch innerhalb der EU gibt es Änderungen, denn Kroatien hat am 1. Januar 2023 als 20. Mitgliedsstaat den Euro eingeführt.
Besonders genau schauen deutsche Unternehmen immer auf Großbritannien und die Schweiz, mit denen eine hohe wirtschaftliche Verflechtung besteht. Für beide Destinationen gibt es Positives zu vermelden. Die Briten haben den Übergangszeitraum für die Anerkennung der CE-Kennzeichnung verlängert, und so können Unternehmen die CE-Kennzeichnung noch bis Ende 2024 auf dem britischen Markt verwenden, bevor zwingend das britische UKCA-Label erforderlich ist.
Vorher bereits wird es bei Lieferungen in die Schweiz interessant, denn ab dem 1. Januar 2024 hebt die Schweiz ihre Zölle auf Indus-triegüter vollständig auf, eine Maßnahme, die für deutsche Exporteure im Bereich des Präferenzrechts eine deutliche Reduzierung des Aufwands mit sich bringen wird. Ebenfalls für Januar 2024 vorgesehen ist eine Mehrwertsteuererhöhung in der Schweiz von derzeit 7,7 auf 8,1 Prozent (Normalsatz).
Das neue LkSG
Zu guter Letzt bleibt vielen Unternehmen nicht erspart, sich mit ihren Lieferketten zu befassen: das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG) ging am 1. Januar 2023 an den Start. Auch wenn zunächst nur sehr große Unternehmen unmittelbar in der Pflicht sind, wird es nicht ausbleiben, dass auch kleinere Betriebe als Zulieferer die Auswirkungen spüren.
Das LkSG soll die Einhaltung grundlegender Menschenrechts- und Umweltstandards in globalen Lieferketten durchsetzen. Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind und mehr als 3.000 Mitarbeiter haben, sind davon direkt betroffen. Sie werden dazu verpflichtet, ihre gesamten Lieferketten zu überprüfen und dies zu dokumentieren. Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten werden dann ab 2024 in die Pflicht genommen.
Alle vom LkSG betroffenen Unternehmen müssen regelmäßig einen Bericht über die Einhaltung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten erstellen und veröffentlichen. Grundlage ist ein Fragebogen, der von der für das LkSG zuständigen Stelle – das altbekannte Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) – erarbeitet wurde. Dafür hat das Bafa ein elektronisches Portal zur Verfügung gestellt.
www.bafa.de – Lieferketten
Zudem werden auch Unternehmen, die noch nicht unter das LkSG fallen, aber direkter Zulieferer von Unternehmen sind, die darunterfallen, zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten angehalten. Zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen gehören zum Beispiel die Einrichtung eines Risikomanagements und die Durchführung einer Risikoanalyse, die sofortige Ergreifung von Abhilfemaßnahmen bei festgestellten Rechtsverstößen und die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens.
Texte: toe/sb
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Weitere Details: WiS 9-2022 sowie www.wirtschaft-im-suedwesten.de – Lieferketten nachhaltig aufstellen