Wu Ken, seit einem Jahr chinesischer Botschafter in Berlin war von den 2.200 Gästen des Neujahrstreffs mit Spannung erwartet worden. Er schilderte den Zustand der chinesischen Wirtschaft, die ökonomischen Beziehungen zwischen China und Deutschland und forderte die Deutschen auf, gemeinsam mit China den Multilateralismus zu bewahren und ein enges Miteinander zwischen den beiden Ländern zum gegenseitigen Nutzen weiter anzukurbeln.
IHK-Präsidentin Birgit Hakenjos-Boyd stellte in ihrer Begrüßungsansprache fest, dem Freihandel blase derzeit der Wind des Wandels ziemlich ins Gesicht. Ein chinesisches Sprichwort besage, dass die einen Schutzmauern bauen, die anderen Windmühlen, wenn ein solcher Wind des Wandels bläst. Die Chinesen bauten Windmühlen. Damit sei es ihnen gelungen, viele Millionen Menschen ihrer Bevölkerung während der vergangenen Jahre aus bitterer Armut zu befreien. Die chinesische Erfolgsgeschichte sei unter anderem auch von deutschen Unternehmen, die in dem großen Land mit Niederlassungen oder Produktionsstätten arbeiteten, mitgeschrieben worden. Das Land Baden-Württemberg exportiere mehr als jedes andere Bundesland ins Reich der Mitte – nicht nur tolle Autos oder Spitzenmaschinen, sondern zum Beispiel auch die in China sehr beliebten Kuckucksuhren. Aus dem IHK-Bezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg seien rund 100 Unternehmen in China tätig. Sie hoffe, dass da noch mehr passieren werde. China sei schon lange nicht mehr verlängerte Werkbank, sondern in manchen Bereichen Innovationsführer. Allerdings brauche fortlaufendes Wachstum in China auch eine weitere Öffnung des Marktes. Auf beiden Seiten forderte die IHK-Präsidentin noch mehr Wissen und Verständnis für das jeweilige Gegenüber, gerade angesichts von Herausforderungen wie der neuen Seidenstraße, Industrie 4.0 oder dem Umweltschutz. Aber auch der Kulturaustausch sei wichtig, beispielsweise mit der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen, an der viele chinesische Studierende eingeschrieben sind. Produkte und Ideen made in Germany hätten in China einen ebenso guten Ruf wie etwa das Konzept der dualen beruflichen Bildung, umgekehrt spielten hier zahlreiche Innovationen in den Bereichen Digitalisierung, Datenverwertung und Mobilität eine Rolle.
Wu Ken verwies auf das stabile chinesische Wachstum angesichts der zunehmenden Instabilität und Unsicherheiten der Weltwirtschaft. In den vergangenen 40 Jahren seit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft sei diese um durchschnittlich 9,5 Prozent im Jahr gewachsen, im vergangenen Jahr um etwa sechs Prozent, da man mittlerweile mehr Gewicht auf Qualität des Wachstums statt auf reine Quantität legt. Bei 1,4 Milliarden Einwohnern gebe es inzwischen eine Mittelschicht von mehr als 400 Millionen Menschen. Die Ansprüche dieser Schicht richteten sich sowohl auf mehr Dienstleistungen in den Bereichen Tourismus, Gesundheit, Bildung und Altersversorgung, wodurch ein enormer neuer Markt entstanden sei, andererseits aber auch auf bessere Produktqualitäten. Wu Ken nannte hier als Beispiel „BBE“, ein geflügeltes Wort, das (Daimler-)Benz, BMW und Audi bedeutet. Erfolgsrezept bei der chinesischen wirtschaftlichen Entwicklung sei die Reform- und Öffnungspolitik. Diesen Weg wird sein Land weiter gehen, so der Botschafter. Erst kürzlich seien ein neues Reformpaket veröffentlich und diverse Gesetze zu ausländischen Investitionen verabschiedet worden, so das System der Inländerbehandlung vor dem Markteintritt und die Negativliste, die den Schutz der ausländischen Investitionen garantieren würden. Gleichbehandlung von Investoren stehe nun im Mittelpunkt, aber darüberhinaus umfassten die neuen Gesetze auch Fragen wie Schutz des geistigen Eigentums und rechtliche Verpflichtungen. Dies werde auch für die Unternehmen aus Deutschland das Investitionsumfeld transparenter und nachhaltiger machen. Circa 6.000 deutsche Firmen seien in China tätig, umgekehrt würden auch immer mehr chinesische Unternehmen in Deutschland investieren, so zum Beispiel kürzlich die Firma CATL mit dem Bau eines Elektrofahrzeug-Batteriewerks in Thüringen, wo 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Wu Ken beklagte die Verschärfung der deutschen Investitionsüberprüfung, die sich vor allem an chinesische Unternehmen richte. Erstmal überhaupt habe das Bundeswirtschaftsministerium sich gegen eine Übernahme durch Ausländer im Falle von Tech S.A.T. durch die chinesische Qing‘an Group ausgesprochen. In China frage man sich, warum Deutschland seine Tür zuschlägt, während die Tür Chinas sich doch immer weiter öffne. Wu Ken forderte Deutschland auch auf, im eigenen Interesse deutlich gegen Unilateralismus und Protektionismus einzutreten. Er brach darüberhinaus eine Lanze für Huawei. Es gebe in China kein Gesetz, das für Unternehmen die Erhebung ausländischer Daten fordere, sondern im Gegenteil habe die Regierung die chinesischen Unternehmen immer wieder aufgefordert, sich im Ausland streng an die lokalen Gesetze zu halten. Er plädierte für ein faires nicht-diskriminierendes Umfeld für alle Unternehmen, einschließlich chinesischer Firmen. Es gebe im übrigen keinerlei Verdachtsmomente gegen Huawei, wie die Angela Merkel im Bundestag gesagt habe. Es müsse also die Unschuldsvermutung – ein schönes deutsches Wort, so Wu Ken – gelten. Der chinesische Botschafter stellte auch das kürzlich zwischen China und den USA unterzeichnete Handelsabkommen vor, wo sich die beiden Länder auf den Feldern geistiges Eigentum, Technologietransfer, Lebensmittel und Agrarprodukte, Finanzdienstleistungen, Währungskurse und Handel geeinigt hätten. In diesem Sinne – Kooperation statt Konfrontation, Dialog statt Konflikt – gelte es auch zwischen China und Deutschland fortzufahren. Für 2020, in China das Jahr der Ratte, wünschte er seinen Zuhörern viel Erfolg. Die Ratte sei in China Symbol für Weisheit, Ausdauer und Vitalität.
Text: upl
Bilder: Marc Eich