Drei engagierte Reden – von einem neuen und einem wiedergewählten Kammerpräsidenten sowie einem Außenminister – prägten den Neujahrsempfang der IHK Hochrhein-Bodensee im Bodenseeforum in Konstanz. Und natürlich viele Gespräche in lockerer Atmosphäre.
Appelle für mehr Klimaschutz richteten alle drei Redner an die 1.030 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Den Anfang machte der dienstjüngste, der im Dezember zum Präsidenten der Handwerkskammer Konstanz gewählte Werner Rottler. „Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Handwerk – dieser Dreiklang existiert schon lange“, sagte er und nannte das Prinzip Reparieren statt Wegwerfen als einen Beleg dafür. Familiengeführte mittelständische Unternehmen seien an sich nachhaltig. „Wir müssen den Mittelstand hegen und pflegen“, sagte er daher und forderte die Anwesenden auf, im Netzwerk zu agieren und mit Respekt die Herausforderungen von morgen anzugehen.
Wie wichtig es sei, die Zukunft nachhaltig zu gestalten, betonte auch Thomas Conrady, der im Dezember als Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee wiedergewählt worden war. Die Herausforderung dabei sei die Geschwindigkeit der Veränderungen. „Das Problem ist nicht, dass das Klima sich wandelt. Es hat sich schon immer gewandelt.“ Das Problem sei vielmehr die Geschwindigkeit dabei. „Wir beobachten eine Veränderung im Zeitraffer.“ Die rasante Gletscherschmelze in der Schweiz nannte er genauso als Beispiel dafür wie die riesigen, unkontrollierbaren Buschbrände in Australien. Eine enorme Geschwindigkeit stellte Conrady auch bei der Digitalisierung fest und führte die explosionsartige Steigerung der Leistungsfähigkeit sowie der speicherbaren und auswertbaren Datenmengen an. Darin liege ein riesiges Potenzial – angefangen von der Steuerung des Verkehrs bis hin zu passgenauen Dienstleistungen. „Das ist eine gute Botschaft“, sagte Conrady und formulierte Visionen wie: Autos, die miteinander kommunizieren, keine Staus, keine Verkehrstoten.
Conrady: „Veränderungsintelligenz nötig“
Um all diese Herausforderungen angehen zu können, sei „Veränderungsintelligenz“ nötig, betonte er. Die Erfolge der Vergangenheit müssten in Produkte und Prozesse investiert werden, mit denen die Zukunft gewonnen werden könne. Beispielsweise sollten wir uns Gedanken machen, wie die Innenstädte angesichts des sich wandelnden Einzelhandels und Verkehrs in zehn Jahren aussehen sollen. Drei Aspekte hält Conrady für besonders wichtig, um die rasanten Veränderungen zu meistern. Erstens Bildung. Zweitens Ruhe bewahren. Er riet, etablierte Produkte und Geschäftsmodelle erst dann aufzugeben, wenn man etwas Neues hat. Der Verzicht auf innerdeutsche Flüge sei nur sinnvoll, wenn die Bahn pünktlich sei. Als Drittes nannte Conrady die Lebensbedingungen vor Ort – von den Straßen bis zur Breitbandversorgung. Schließlich wünschte er den Anwesenden „dass sie bei allem Innovationsdruck nicht die Ruhe und das Selbstvertrauen verlieren, dass wir es können“.
Asselborn: „Ein einmaliges Friedensprojekt“
Der Dienstälteste der drei, der Ehrengast und Hauptredner Jean Asselborn, seit 2004 luxemburgischer Minister und für Auswärtiges, Migration sowie Asyl zuständig, mahnte: „Wir dürfen nicht vergessen, dass Europa ein einmaliges Friedensprojekt ist.“ Natürlich sei Europa nicht perfekt, aber bei uns sei es viel besser als in vielen Regionen der Welt. Sodann nahm Asselborn die aktuellen Herausforderungen der Europäischen Union in den Blick – von Klimaschutz über Migration bis hin zu verschiedenen internationalen Konflikten. Besorgnis bereitet ihm vor allem die „Verrohung des politischen Diskurses in vielen Mitgliedstaaten“. Der Minister betonte: „Die neue Rechte ist nicht salonfähig und darf es niemals werden.“ Die EU sei eine Wertegemeinschaft mit Grundprinzipien wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und Solidarität zwischen den EU-Staaten. Asselborn forderte eine faire Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten. Den Klimawandel nannte er „eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte“ und forderte, die Klimaziele müssten auf EU-Ebene fest verankert werden. Der „Green deal“ umfasse alle Wirtschaftsbereiche, der Strukturwandel müsse als Chance begriffen werden und es müsse allen klar sein, dass man Klimaneutralität nicht mir Kernenergie erreichen könne.
Asselborn wies auf die schwierigen Verhandlungen über den EU-Haushalt hin und sagte, es wäre wünschenswert, die Fördermittel an das Einhalten der Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Er bedauerte den Brexit und äußerte zugleich die Hoffnung auf ein stabiles Abkommen für eine künftige Zusammenarbeit. Anschließend betonte er seine Verbundenheit mit der Schweiz. Das Freihandelsabkommen von 1972 habe seine Grenzen erreicht, sagte Asselborn und äußerte die Hoffnung, dass das nun vorliegende Rahmenabkommen trotz der innenpolitischen Diskussionen in der Schweiz noch in Kraft treten könnte. Sorge bereiten ihm die Spannungen zwischen den USA und dem Iran, die instabile Lage sowohl in Irak als auch in Libyen und der ungelöste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Trotz all dieser ernsten Themen hatte auch Heiteres in seiner Rede Platz: „Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Schornsteinfeger zusammen gesehen“, sagte er mit Blick in den Saal. „So viele gibt es in ganz Luxemburg nicht.“
Text: Susanne Maerz, Bilder: Oliver Hanser