Freiamt. „Aus vollem Galopp in den Stall“: So beschreibt Heidrun Abels die Entscheidung zur Schließung sämtlicher Bühnen und Veranstaltungsorte im November. 40 Termine musste die Künstleragentin verschieben. Aber wohin? Was ist mit dem Dezember? Es gibt ja keine Planungssicherheit und das seit März. „Wir hatten ausverkaufte Veranstaltungen“, sagt Abels. „Wir sind ja keine kleine Klitsche. Wir arbeiten mit sehr renommierten Künstlern.“ Drei auch aus dem Fernsehen bekannte Namen hat ihr Denzlinger Management derzeit exklusiv unter Vertrag: Sissi Perlinger, Heinz Gröning und Ausbilder Schmidt. Von Anfang an betreute es bundesweit bekannte und auch internationale Künstler. Ihr gemeinsamer Nenner ist, dass sie genreübergreifend arbeiten, beispielsweise Kabarett, Comedy und Musik vereinen. Die „Mezzoecke“ nennt Abels ihre Nische zwischen den großen Hallenfüllern wie Mario Barth und dem Kleinkunstbereich. Bislang hat sie damit und davon gut leben und auch Rücklagen bilden können. Bis zu diesem Frühjahr.
Heidrun Abels stammt aus Düsseldorf, wo sie nach dem Abitur zunächst die Verwaltungsakademie besuchte und unter anderem bei der Stadt im Kulturamt arbeitete. Anschließend studierte sie Theaterwissenschaften, jobbte nebenher und kam so in Kontakt mit der Kleinkunstszene, mit Buchung und Management von Künstlern. Mit diesem Wissen und ihrem verwaltungswissenschaftlichen Hintergrund startete Heidrun Abels 1984 in die Selbstständigkeit und gründete ihre eigene Agentur. Als Ort dafür suchte die Rheinländerin sich das Freiburger Umland aus, das sie vom Weinkauf der Eltern kannte und mochte. Viele Jahre hatte die Firma ihren Sitz in Denzlingen und beschäftigte etwa ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Vor fünf Jahren zogen Heidrun Abels und ihr Mann Wulf Brinksma, mittlerweile ihr einziger Mitarbeiter, nach Freiamt. Sie wollte reduzieren, hat nun nur noch die drei genannten Künstler exklusiv unter Vertrag. In Hochzeiten waren es wesentlich mehr. Man kennt ihren Namen in der Branche, die Künstler kommen auf sie zu.
Abels übernimmt alle administrativen Aufgaben, erledigt alles Juristische, jedes Schreiben („Ich kümmer mich richtig um die“) und bekommt dafür 20 Prozent der Gage. Ihre Provision wird in diesem Jahr etwa die Hälfte unter dem Vorjahreswert liegen, das Minus betrug schon im November 46.000 Euro, berichtet Abels – die 9.000 Euro Soforthilfe schon eingerechnet. Und dabei gehe es ihr und ihren Künstlern noch vergleichsweise gut. Sie hätten gestreamt und „geschaut, dass irgendetwas reinkommt“, seien im Sommer in Autokinos oder Gärten aufgetreten, und im Herbst lief schon wieder einiges, wenn auch deutlich kleiner. Abels, deren Aufgabe nach dem neuerlichen Lockdown es war, dutzende Termine zu verschieben, berichtet von Veranstaltern die am Telefon weinten, weil sie hohe Summen investiert haben und jetzt vor dem Ruin stehen. Das lässt die sonst so fröhliche Rheinländerin nicht kalt. Zudem sorgt sie sich über jüngere Kollegen, „die im Moment ziemlich perspektivlos überlegen müssen, ob sie die selbstständige Arbeit weiter wagen können“. Ihnen gehe es viel schlechter.
Und nun? „Ich muss gucken, dass ich meine Künstler über die harte Zeit bringe.“ Ihre Ruhestandspläne hat die 64-Jährige erstmal verschoben. „Ich kann jetzt nicht einfach den Griffel fallen lassen.“ Abels geht davon aus, dass die Zuschauer nicht vor 2022 zurückkommen. Sie will so lange weitermachen, bis alle verschobenen Termine tatsächlich stattfinden. Um ihre Branche ist ihr bang: „Die Kollateralschäden der jetzigen Beschränkungen sind noch gar nicht absehbar“, meint Abels.
kat