Zum Start in die neue Messesaison eine Bilanz über das zurückliegende Meetingjahr und ein Ausblick auf die anlaufende Saison. Die Auswirkungen
der Lockdowns scheinen Geschichte zu sein – aber auch nicht alle Themen werden künftig gut laufen.

Region. Mehr als 330 Messen sind für 2024 in Deutschland geplant, wie der Ausstellungs- und Messe-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (AUMA) Anfang Januar in Berlin prognostizierte – das wären etwa so viele wie 2023, dem Jahr, das wieder rundlief nach den Covid-Lockdowns. Beim „FAMA Fachverband“, in dem 38 Unternehmen der Branche, darunter etwa auch die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH & Co. KG (FWTM), organisiert sind, wird ebenfalls ein positives Fazit für das vergangene Jahr gezogen und Wachstum vorhersagt. Und auch die Veranstaltungsbranche, kurz MICE (für: Meetings Incentives Conventions Exhibitions), nimmt wieder Fahrt auf.
Die Besucher sind zurück, die Aussteller nicht alle
„In den Fachmessebereichen konnten wir bei den Aus-stellerzahlen zu 90 bis 100 Prozent gegenüber dem Vor-Corona-Referenzjahr 2019 aufholen, die Besu-cherzahlen sind nahezu auf Vorkrisenniveau ange-kommen“, erklärt der „FAMA“-Vorstandsvorsitzende Henning Könicke. Allerdings mit Ausnahmen – der Er-folg ist immer auch abhängig von der Branchenkon-junktur – und dem Fachkräftemangel, was sich etwa auf Gastronomiefachmessen zeigt: Da kommt nicht wie früher die gesamte Belegschaft auf die Messe, sondern der Chef allein oder mit einer Begleitperson und berichtet anschließend der Mannschaft daheim. „Die Messen werden zwar von der gleichen Anzahl an Unternehmen genutzt, aber nicht mehr von der glei-chen Personenzahl“, so Könicke.
Zu beobachten sei außerdem, dass es gerade Ausstel-ler, Verbände oder Partner aus den asiatischen Ländern noch nicht wieder so stark zurück nach Deutschland ziehe, wie es vor der Pandemie der Fall war. Das liege zum einen daran, dass nationale Absatzmärkte stärker genutzt wurden, aber auch daran, dass erst recht zögerlich wieder Visa erteilt wurden.
Engpass Personal
Bei den B2C-Messen – den Verbrauchermessen, die sich direkt an den Endkunden wenden – waren laut Könicke im vergangenen Jahr erst zwischen 70 bis 80 Prozent der Aussteller wieder am Start, während bei den Besuchern kaum noch eine Differenz zu 2019 spürbar sei: Der Informationsbedarf und der Erlebnishunger ist auch in diesem Segment hoch. „2023 war es zum ersten Mal wieder möglich, von Anfang Januar bis Ende Dezember Veranstaltungen zu machen, besucherseitig sind wir bei den Veranstaltungen wieder auf Vor-Corona-Niveau, bei den Ausstellern sind wir da noch nicht“, stellt auch Victoria Vehse, Abteilungsleiterin bei der Messe Freiburg, fest. Es gibt unter den zwölf bis 13 Eigenformaten einige, mit denen die Messe nah rankommt an die Zahlen aus den guten Zeiten vor Corona – aber auch Bereiche, wo das nicht der Fall ist. Vehse führt, ähnlich wie Könicke, beispielhaft den Fachkräftemangel an: „Wir sind sehr gastrolastig in Freiburg, da tun sich Aussteller derzeit schwerer, paral-lel zum eigenen Lokal die Teilnahme bei Ausstellungen möglich zu machen.“

KI wird auch in der Messewirtschaft relevant
Als einen Megatrend in der datengetriebenen Messe-branche sieht Könicke die künstliche Intelligenz (KI) – die hilft, Veranstaltungen vorzubereiten und zu gestalten. Für die Zukunft erwartet der „FAMA“ einen deutlichen Schub bei den Themen Big Data und KI. Darum kommt niemand herum, der die sogenannte Gen Z, die junge Generation, adressieren will: „Wir beobachten gespannt, wie sich diese Generation auf das Live-Erlebnis Messe einlässt.“ Den Stellenwert des Themas unterstreicht auch die Verleihung des „FAMA-Messe-Impuls-Preises 2023“ an die junge Akademikerin Sarah Hunke, die sich mit dem Messebesuchsverhalten der Gen Z beschäftigt – die Reise geht zu digitalen Applikationen, neuen Needs und Erwartungshaltungen sowie zur KI-basierten Form der Kommunikation. Schon jetzt werde deutlich, dass nicht wie früher fünf bis zehn spezifische Messen genutzt werden, so Henning Könicke, um sich zu informieren, sondern eher ein bis zwei zentrale Plattformen, die mehr Themen abdecken. Doch noch zählt das Live-Erlebnis vor Ort, noch ist der Quadratmeter die harte Währung der Messewelt.
Live-Erlebnisse für alle Generationen bieten
Im Endverbraucherformat ist das Trend, was in der Region gerade angesagt ist und was die Kunden interessant finden. Das sind bei der Messe Freiburg allen voran die Themen Kulinarik, Erleben, Alltagsthemen. „Endverbraucher kämpfen mit Basisproblemen wie Kostendruck, steigenden Energiepreisen, Fachkräftemangel – nicht mit KI, Gen Z und Co.“, erklärt Abteilungsleiterin Vehse. Sie hat strategisch auf der Agenda, wieder mehr im B2C-Bereich aktiv zu werden: „Da gibt es ein Potpourri an Möglichkeiten, da muss man immer auch schauen, was braucht die Region? – Das ist eine Aufgabe für das neue Jahr. Was jetzt schon gut geht, sind Special-Interest-Formate, die aus Verbrauchermessen herausgelöst wurden, wie zum Beispiel das Thema Caravan. „Man kann grundsätzlich sagen, wenn man sich auf Themen fokussiert, laufen sie besser, als was man so im Gemischtwarenladen anbietet“, sagt Vehse.
Liebe geht durch den Magen
Gesellschaftliche Entwicklungen schlagen selbstverständlich auch auf die Eventplanung durch. Beispiel Catering. Der private Megatrend – vor allem in der jüngeren Generation – zu nachhaltigerer, vegetarischer oder veganer Ernährung und verstärkter Ausrichtung auf regionale Produkte und Hersteller, führt auch in der Messe- und Eventplanung zu entsprechenden Forderungen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Meeting Expectations: The Future of Meetings & Events“ der Accor-Gruppe aus dem Oktober 2023.
Danach erwartet rund die Hälfte der befragten Eventplaner (46 Prozent) mehr Herkunftsnachweise und -angaben bei den Speisen auf dem Catering-Buffet. Immerhin schon gut jeder Dritte (36 Prozent) möchte weniger Fleisch auf der Speisekarte sehen. 38 Prozent wünschen sich vom Veranstalter mehr vegane Produkte.
Text: uh
Bild: Adobe Stock/patarapong
Rein digitale Messeformate sind out
Eine große Herausforderung für Veranstalter mit eige-nem Gelände, wie die Messe Freiburg, sind laut Victoria Vehse die Kosten – Stichwort Strom. Man kann die Mehrausgaben nicht 1:1 an die Kunden weitergeben. Dann wäre eine Teilnahme schnell nicht mehr interessant. Es gilt, sich wirtschaftlich so aufzustellen, dass möglichst viel abgepuffert werden kann, und zu schauen, an welchen Preisschrauben doch gedreht werden muss – „Das ist ein Spagat“, gibt Vehse zu. Das Bodensee Forum konnte 2023 die Entgeltordnung anpassen und etwas an die Kunden weitergeben, auch gab es noch die Strompreisbremse. Jetzt, wo die Präsenzveranstaltungen zurück sind, muss sich erst noch zeigen, wie sich die Energiepreise auf das Messejahr 2024 auswirken werden.
„Rein digitale Messeformate sind fast auf Komplett-Null zurückgefahren“, sagt Könicke. Hybridkonzepte sind noch übrig, gerade im Kongress- und Konferenzgeschäft ist das mittlerweile gang und gebe, aber nicht in steigender Anzahl. Die Digitalisierung sei für Messeveranstalter derzeit eher eine Chance, das Thema Customer Journey ernsthafter anzugehen und zu gestalten und Messen barrierefreier zu gestalten oder niederschwellige Angebote machen zu können, damit die Messeteilnahme weniger aufwendig werde. „Im Endverbrauchersegment ist hybrid aktuell gar kein Thema mehr“, berichtet Vehse.
Digital zugeschaltete Referenten statt digitale Besucher
Ruth Bader vom Konstanzer Bodensee Forum bemerkt, dass nach der digitalen Zeit Präsenzveranstaltungen wieder mit mehr Liebe, Aufwand und Wertschätzung geplant werden. Auch bei ihr im Haus seien reine Onlineveranstaltungen kein Thema mehr. „Aber Tagungen und Kongresse finden weiterhin auch hybrid statt, oft aus Nachhaltigkeitsgründen, um möglichst klimaneutrale Kongresse anzubieten. Man fliegt nicht mehr Referenten für einen Vortrag von weit weg ein, es wird vielmehr bewusst auf Zuschaltungen gesetzt oder komplett hyb-rid im digitalen Zwilling.“ Hybrid sind von den Tagungen und Kongressen beim Bodensee Forum im vergange-nen Jahr 20 Prozent gewesen, 2022 waren es noch 30 Prozent.
In 2024 wird man aufgeholt haben
Die größten Herausforderungen für das neue Messe-jahr sieht der „FAMA“-Vorsitzende in den steigenden Energiepreisen: „Das Thema hat uns schon 2023 sehr stark beschäftigt und ist leider noch nicht gelöst. Wir werden weiterhin Messehallen beheizen, belüften, kli-matisieren müssen.“ Zudem werde der Fachkräfte-mangel die Branche gerade im Dienstleistungssegment weiter beschäftigen.
„Außerdem wird uns als Veranstaltern immer klarer, dass wir uns mehr und mehr um die gezielte Besucher-einladung kümmern müssen, um die Attraktivität von Messen hochzuhalten – und ganz wichtig, um den Be-suchern auch klarzumachen, welche Mehrwerte sie durch den Messebesuch generieren können“, blickt Henning Könicke in die Zukunft. Sein Fazit: Das Mes-segeschäft wird 2024 noch stärker zurückkommen und aufholen zu 2019 als das Vorjahr – 2023 könnte damit sogar übertroffen werden. Auch Victoria Vehse von der Messe Freiburg zeigt sich sehr zuversichtlich nach einem erfolgreichen Jahr 2023.
Beim Bodensee Forum mit eher kleinen Verkaufsaus-stellungen, Karrieremessen und Gesundheitsthemen ist 2024 bereits extrem gut gebucht und 2025 fängt an vollzulaufen, es wird wieder mit einem viel größeren Vorlauf geplant, wie Bader berichtet: „Wir sind jetzt wirklich raus aus dieser Coronadelle.“ Für das kommu-nale Haus sind die klammen öffentlichen Kassen eine der größten Herausforderungen, zudem die Preisstei-gerungen bei den Personaldienstleistern – beim Cate-ring, Service oder Technikdienstleister angefangen. Auch die Konkurrenz zur Schweiz ist damit Thema: So manche Fachkraft dürfte abgewandert sein.
Neuer Schwung auch auf dem Meetingmarkt
Laut einer Umfrage der französischen Hotel- und Gas-tronomiegruppe Accor rechnet für 2024 die Mehrheit (80 Prozent) der Experten auch mit steigenden Ausga-ben in der Veranstaltungswirtschaft (MICE) über alle Meetinggrößen hinweg. Jeweils mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Umfrageteilnehmer erwarten eine zah-lenmäßige Steigerung von kleinen und mittelgroßen (unter 100 Teilnehmern) und großen (mehr als 100 Teilnehmer) Meetings, rund die Hälfte (57 Prozent) geht auch von einer Zunahme von Veranstaltungen mit mehr als 300 Teilnehmern aus.
Text: Mirjam Fischer
Bilder: Bilder: Adobe Stock/ engel.ac (oben), (KOTO unten)
Den Messekalender für die Region für die Monate Februar bis einschließlich Juli finden Sie im Heft auf Seite 60.