Schramberg. Peter Renz (78) ist gelungen, wovon viele sprechen, was aber nur wenigen tatsächlich gelingt: Er hat ein Buch über die „Knotenpunkte meines Lebens“ geschrieben. Solche Knotenpunkte gab es viele und spannende für den mit der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichneten und seit 45 Jahren von der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg bestellten Sachverständigen, der bis heute als einer von nur ganz wenigen in Deutschland auch vor Gericht tätig ist. Zusammen mit Co-Autor Daniel Oliver Bachmann erzählt Renz in flüssigem und leicht lesbarem Stil auf 260 Seiten aus seinem Leben.
1967 übernahm er von seinen Eltern deren Heimtextiliengeschäft in Schramberg. Zuvor hatte er Industriekaufmann und Textilingenieur gelernt beziehungsweise studiert und Lehr- und Wanderjahre in verschiedenen Städten absolviert. Dies nicht immer im textilen oder Teppichbereich: So brachte er bereits als sehr junger Mann mit originellen Ideen ein Bistro in Paris auf die Erfolgsspur. In München begann seine Liebe zum Orientteppich als Verkäufer in einem Geschäft, das mit antiken Teppichen handelte. Er war und ist bis heute fasziniert von den handgeknüpften, einmaligen, in Formen, Farben, Mustern und Größen ganz unterschiedlichen Stücken aus Persien (heute Iran), der Türkei, der kaukasischen Region und den mittelasiatischen Ländern bis hin nach China. Für ihn war klar: Wenn er das bereits von seinem Großvater gegründete Geschäft in Schramberg übernimmt, so wollte er einen Handel mit Orientteppichen aufbauen. Dafür fehlte aber das Geld. Für ein respektables Lager brauchte man damals bereits eine halbe bis eine Million Mark. Da kamen Renz Eigenschaften zugute, die ihn seither sein ganzes Leben begleiten – eine ausgesprochene Begabung zum Handeln sowie das Entwickeln und Realisieren immer neuer Marketingideen. In den Anfangsjahren verkaufte er für eine Partnerfirma an die 70 kleine Nurdachhäuser, die er zuvor mit Gardinen, Teppichböden und Wohnaccessoires ausgestattet hatte. Eine zweite Einnahmequelle war die Verpachtung eines großen historischen Gebäudes, dem elterlichen Geschäft benachbart und von ihm als idealer Standort für seinen Orientteppichhandel gekauft, zunächst als Diskothek.
Auf dieser Basis konnte Renz mit dem Verkauf von Orientteppichen beginnen. Das Wissen dazu hatte er sich aus der Literatur, bei erfahrenen Kollegen – die ihn erst einmal als Konkurrenten nicht ernst nahmen – und bereits sehr früh auf Reisen nach Persien angeeignet und seither ständig erweitert. Renz, so berichtet er, war seit Mitte der Sechzigerjahre sicher 80 Mal in Persien und viele weitere Male in anderen Ländern. In Teheran verbindet ihn eine tiefe Freundschaft mit einer traditionsreichen Teppichhändlerfamilie. Diese Familie verfügt bis heute über weitreichende Beziehungen in die Teppichknüpfdörfer auch im hintersten Winkel des Landes. Unter seinen deutschen Kollegen wurde er so bekannt, dass er für die hundert Häuser der „Gilde International“ Chefeinkäufer wurde. Die Geschäfte der Orientteppichhäuser in Deutschland liefen jahrzehntelang gut, sogar sehr gut, bis ab Ende der Siebzigerjahre sich die Mode hin zu erst farbigen, dann puristischen Einrichtungen änderte und der Orientteppich weniger gefragt war. Dazu kam, dass billige Massenware aus Indien und China den Markt überschwemmte. Das Ansehen der Branche litt.
Renz konnte sich dem entziehen, indem er nach wie vor auf Qualität setzte und seine unkonventionellen Verkaufsaktionen erfolgreich waren. Zum Beispiel brachte er zum 100. Jubiläum seines Einrichtungshauses 100 afghanische Teppiche an den Mann, die er zuvor auf dem Schramberger Marktplatz ausgelegt hatte. Auch gelangen ihm immer wieder eigentlich sachfremde Erfolge: So erwarb er auf einer Indienreise eine Sammlung von 60 kolonialen Spazierstöcken, die sich wider Erwarten in Deutschland außerordentlich gut weiterverkauften, oder er begann mit Rioja-Weinen zu handeln – auch die erfreuten sich guter Nachfrage. Darüber hinaus organisierte er für eine ganze Reihe von Kollegen, die aufgeben wollten, Räumungsverkäufe: Innerhalb von vier Wochen wurden jeweils die gesamten Lagerbestände zu günstigen Preisen veräußert und bescherten so den Inhabern häufig traditionsreicher Häuser einen sorgenfreien Lebensabend. Neben all dem engagiert sich Peter Renz bis heute sozial. So unterstützt er seit Jahrzehnten eine Mädchenschule in Iran. Und in Erinnerung an seinen Vater, der aus seiner Erfahrung als Soldat in Frankreich ein glühender Verfechter der deutsch-französischen Freundschaft war, stiftete er einen großen Teppich für die Kathedrale in Reims.
Die politische Entwicklung im Iran seit der Machtübernahme der Ajatollahs betrachtet Renz mit einiger Sorge, auch wenn sie ihn nicht davon abhielt, unter erschwerten Umständen Teppiche nach Deutschland zu importieren. Das sei in jüngster Vergangenheit aufgrund des US-amerikanischen Embargos noch schwieriger geworden. Peter Renz möchte noch ein bis zwei Jahre weitermachen und mit 80 aufhören. Nachdem das Heimtextiliengeschäft seiner Eltern jahrzehntelang von seiner Frau geführt worden war, hat er dieses bereits im Jahr 1990 aufgegeben und war seither mit seinen Orientteppichen an verschiedenen Standorten in Schramberg präsent. Derzeit betreibt er sein Geschäft in den historischen Gebäuden der ehemaligen Majolika-Fabrik. Er ist einer der letzten großen Kenner der Orientteppichwelt in Deutschland. Seinen Ruhestand werden viele seiner 7.000 Kunden bedauern.
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