Offenburg. Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Sagt man. Charlotte Rottenecker ist so eine – auch, wenn sich die zierliche 84-Jährige im Leben nicht mit solchen Überlegungen aufgehalten hätte. Zu beschäftigt.
Jahrzehnte stand Charlotte Rottenecker tatkräftig hinter ihrem Mann, der vor 50 Jahren den Offenburger Fachbetrieb für Rollläden und Jalousien, die „Kurt Rottenecker GmbH“, gründete. Seit seinem Tod 2009 ist sie auch die „offizielle“ Chefin und hat die Zügel fest in der Hand. Dass die zwölfköpfige Mannschaft sie liebevoll „Oma“ nennt – kein Problem: „Ich bin ja auch eine“, sagt sie. Charlotte Rottenecker spürt, dass sie den Respekt ihrer Leute genießt – vielleicht auch, weil diese wissen, dass da eine starke Frau mit großem Herzen zugange ist.
Dass Ehemann Kurt 1972 aus seiner aussichtsreichen Festanstellung beim Spülmaschinenhersteller Hobart in die Selbstständigkeit wechselte – bei dieser Entscheidung war seine Frau gewiss eine treibende Kraft. Und wenn sie in ihren Erinnerungen an die spannenden 1950er bis 1970er Jahre kramt, versteht man auch, warum.
„Mit 20 war ich Mutter, mein Mann mitunter bis zu drei Monate auf Montage“, beginnt Charlotte Rottenecker ihre Rückschau. Als agile junge Frau fühlte sie sich nicht ausgelastet, vermisste die Arbeit im Burda Modenverlag, wo sie einige Jahre nach ihrer Ausbildung an der höheren Handelsschule tätig war. Das war Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre. Die wilden 68er drückten da noch die Grundschulbank und Emanzipation war, wenn überhaupt schon, nur unterschwellig ein Thema.
Aber die damals 25-jährige Charlotte brauchte keine Impulse von außen: „1963 habe ich ein Café eröffnet“, erinnert sie sich. Einfach, weil sie es wollte. In ihrem Café Weingarten in der Offenburger Oststadt trafen sich dann so ziemlich alle selbstständigen Handwerker, die in der Stadt Rang und Namen hatten: „Ich habe alles mitbekommen, was so Thema war“, erzählt sie. Auch deshalb riet sie ihrem Mann zur Selbstständigkeit. Die 1970er wurden zum Jahrzehnt der Um- und Aufbrüche, die Rotteneckers nahmen die Bewegung auf – und starteten durch, wie man heute sagen würde.
Im April dieses Jahres feierte das Unternehmen seinen 50. Geburtstag. Kurt Rottenecker verstarb vor 13 Jahren, Charlotte Rotteneckers Sohn Rainer ist mit seinen 64 Jahren bereits in den Ruhestand gewechselt, der dennoch genug Arbeit für ihn bereithält: Betriebsgelände und Wohnhaus brauchen einen Kümmerer. Charlotte Rotteneckers Enkel Raphael Rottenecker und Jessica Macht arbeiten beide in wichtigen Positionen im Betrieb: Der 31-Jährige als Handwerker und in der Ablaufplanung des Unternehmens, die 35-Jährige verantwortlich für die Administration.
Auf die Frage, ob sie nicht loslassen möchte, zeigt sich Charlotte Rottenecker selbstbewusst: „ES lässt mich nicht los“. Sie fühlt sich willkommen, respektiert, gebraucht – und der Erfolg des Unternehmens gibt ihr Recht. „Wir betreuen alle Offenburger Schulen und vier Krankenhäuser in der Ortenau, wenn es um die Instandhaltung und Reparaturen von Rollläden und Jalousien geht“. Arbeit gibt es en masse.
Charlotte Rottenecker weiß auch um den Fachkräftemangel – und ist doch wenig berührt davon: „Wir erhielten vor einigen Monaten eine Initiativbewerbung. Der junge Mann war beeindruckend und wir haben ihn eingestellt. Auf die Frage, warum er sich ausgerechnet uns ausgesucht habe, bekamen wir die Antwort, dass man darüber spricht, was wir hier für ein super Betriebsklima haben.“
Solcherart „Gerüchte“ machen Charlotte Rottenecker stolz und geben ihr und ihren Enkeln Recht in dem, was sie tun: Das Unternehmen führen wie eine Familie und die Familie ins Unternehmen integrieren. So hat die Chefin auch ihre eigene Mutter zwölf Jahre lang bis zu deren 100. Geburtstag noch bei sich gehabt und ist zwischen Büro und der darüberliegenden Wohnung gependelt. Für sie einfach eine Selbstverständlichkeit. Und wenn die „Oma“ sieht, dass da der eine oder andere Mitarbeiter hungrig aus der Wäsche schaut, weil er die Mittagspause durchgeschafft hat, eilt sie nach oben in ihre Küche und organisiert eine Mahlzeit. „Schaffen ist mein Hobby“, meint sie achselzuckend. Sich selbst versorgt sie in der Mittagspause mit einer Butterbrezel, gekocht wird am Abend.
Ob Charlotte Rottenecker ihr Leben noch einmal genau so leben würde? „Auf jeden Fall“, sagt sie überzeugt. Dass sie sich in der heutigen Zeit vielleicht ganz anderen Hürden gegenübersähe, hält sie für denkbar. Ein Patentrezept hat sie trotzdem: „Man muss die richtigen Menschen um sich haben!“
dg