Donaueschingen. Starkoch? Junger Wilder? Manuel Ulrich passt in keine Klischees. So dezent und zurückhaltend, wie sich die holzverkleideten Gebäude des noblen Hotelkomplexes in die sanften Hügel des Donaueschinger Golfplatzes ducken, so natürlich und unprätentiös wirkt der Küchenchef des Ösch Noir. Das Gourmetrestaurant, das der Öschberghof im Zuge seiner 60 Millionen Euro teuren Renovierung und Erweiterung gebaut und erst vor zwei Jahren eröffnet hat, ist in dieser kurzen Zeit schon in die kleine Riege der Zwei-Sternehäuser aufgestiegen (mehr zum aktuellen Guide Michelin hier). Und Ulrich ist der Mittelpunkt dieser schnellen Erfolgsgeschichte, bei der allerdings seit November die Pausentaste gedrückt ist. Das Hotel hat seit Mitte März wieder für Geschäftsgäste geöffnet, doch das Restaurant verharrt im Lockdown, das siebenköpfige Küchenteam in der Kurzarbeit. In Jeans und Pullover sitzt Ulrich an einem der ungedeckten Tische des leeren Restaurants und berichtet von seinem Werdegang und seiner Motivation.
Der 34-Jährige ist nur wenige Kilometer vom Öschberghof entfernt aufgewachsen, in Heidenhofen, einem Donaueschinger Ortsteil mit rund 250 Einwohnern. Hier wohnt er auch jetzt wieder zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die in der Gästebetreuung des Öschberghofs arbeitet. Woher er sein Talent zum Kochen hat, weiß Ulrich nicht – „meine Familie hat gar nichts mit Gastronomie am Hut“. Die Mutter arbeitet als Bankkauffrau, der Vater ist Werkzeug- und Formenbauer. Aber: Daheim wurde gekocht, und der junge Manuel hat dabei immer schon gerne zugeschaut und mitgemacht. Samstags backten sein jüngerer Bruder und er regelmäßig Pizza. Er schaute gerne Tim Mälzers Kochsendungen und kochte freiwillig auf Jugendfreizeiten. Nach dem Abitur 2006 am Donaueschinger Fürstenberg-Gymnasium und dem Zivildienst in einer Rehaklinik entschied er sich deshalb gegen ein Chemiestudium und für die Ausbildung zum Koch. „Meine Eltern waren skeptisch, aber ich war happy damit“, erzählt Ulrich. Die Arbeitszeiten störten ihn nicht, zumal der Öschberghof – als Mitgründer des Vereins „Fair Job Hotels“ – darauf achtet, dass diese erfasst werden und wenig oder keine Überstunden anfallen. Außerdem sei er nachtaktiv, sagt Ulrich. Die Entscheidung habe er nie bereut. Kein Wunder, bei der Laufbahn.
Der damalige Küchendirektor des Öschberghofs Peter Schmidt erkannte die Motivation und Neugier von Manuel Ulrich. Schon während der Ausbildung übertrug er ihm viel Verantwortung. Und als Ulrich nach einer Wintersaison in Österreich in seinen Ausbildungsbetrieb zurückkehrte, begann Schmidt, ihn in die Erweiterungspläne einzubeziehen. „Ich hatte immer Lust, weiterzukommen und etwas Kreatives zu machen“, berichtet Ulrich. Schmidt sei sein kulinarischer Ziehvater gewesen. Ein großes Vorbild, ebenso wie die Küchenchefs der Zwei- und Drei-Sternehäuser, in die er zur Vorbereitung seiner neuen Funktion ging. Michelinsterne waren das erklärte Ziel des Ösch Noir. Deshalb arbeitete Ulrich ein Jahr bei Christoph Rüffer im Restaurant Haerlin in Hamburg und ein halbes Jahr unter dem – damals noch und jetzt wieder – Drei-Sterne-Koch Torsten Michel in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn. „Ich hätte vielleicht mehr angucken können, aber irgendwie hat es mich immer hier gehalten, es hat alles gepasst“, sagt Manuel Ulrich. Er ist ein zufriedener, positiver Mensch. Schätzt Qualität, freut sich über gute Zutaten wie einen wildgefangenen Steinbutt aus der Bretagne, aber auch über gute Pasta oder ein Vesper daheim.
Kulinarische Komponenten zu neuen und überraschenden Kompositionen zusammenzustellen, ein abwechslungsreiches und stimmiges Menü daraus aufzubauen, es auszuprobieren und schließlich für die Gäste zuzubereiten – „das ist spannend“, findet Ulrich. Zusammen mit seinem Sous-Chef Julian Lechner tüftelte er Mitte März am Ostermenü und hoffte, dass es diesmal – im Gegensatz zum Novembermenü – zum Einsatz kommt. Bis dahin kocht Manuel Ulrich zu Hause Schmor- und andere Gerichte, für die er sonst nicht genügend Zeit findet. Außerdem fotografiert er gern. Und er hat zusammen mit einigen Kollegen aus Küche und Service – passenderweise nicht lang vor dem Lockdown – das Golfen angefangen, die Platzreife erlangt und ist Vereinsmitglied geworden. Deshalb ist er derzeit mit Golfschläger statt Kochlöffel in den Donaueschinger Hügeln zugange.
kat