Feldberg. Den Nine-to-Five-Job hinter sich lassen und woanders komplett neu beginnen: Das wollen viele – Thomas und Martina Zepf aus Randen gehören zu den wenigen Mutigen, die diesen Schritt gegangen sind. Für ihren langgehegten Traum vom Leben als Hüttenwirte haben sie vor rund einem halben Jahr ihren Alltag mit Einfamilienhaus und Festanstellung auf Eis gelegt. „Ursprünglich wollten wir uns dieses Abenteuer für später aufheben, eher gegen Rente. Aber das Schicksal hat entschieden, dass es schneller geht“, schmunzelt Thomas Zepf.
Als die Weidegemeinschaft der Sankt Wilhelmer Hütte um den Jahreswechsel 2021/22 herum neue Pächter suchte, stand für den Leiter eines Möbelhauses und die Steuerfachangestellte schnell fest: Diese Chance müssen wir nutzen! „Da wir selbst leidenschaftliche Wanderer sind, kannten und mochten wir die Hütte bereits von unseren Touren. Kurzerhand haben wir ein Geschäftsmodell entwickelt und uns damit beworben“, sagt Martina Zepf.
Und das kam an: Im Frühjahr folgte ein Auswahlgespräch, bei dem sich das Ehepaar laut eigener Aussage mit seinem Spirit und seinem Fokus auf regionale Speisen, selbstgemachten Kuchen und einem ausgeprägten Servicegedanken am Gast gegen seine Mitbewerber hatte durchsetzen können.
Wenn beide über ihr neues Leben auf der höchstgelegenen Almhütte Baden-Württembergs berichten, strahlen die Gesichter. Trotz herausfordernder neuer Aufgaben sei ihnen der Wechsel in die Selbstständigkeit leichtgefallen. Seit Mai kümmern sich Thomas und Martina Zepf nicht nur von Donnerstag bis Montag um das leibliche Wohl ihrer Gäste. Sie sind zudem für die fünf zur Hütte gehörenden Wiesen und damit eine Fläche von rund 100 Hektar verantwortlich. „In den Sommermonaten müssen wir auch nach den ein- bis dreijährigen Jungrindern der Bauern schauen, die dann Tag und Nacht auf den Weiden stehen“, erklärt Thomas Zerf, der bislang ebenso wenig Erfahrung mit Viehhaltung hatte wie seine Frau.
Umso wichtiger ist für die Neulinge das ausführliche Briefing der Bauern gewesen. „Jetzt wissen wir, worauf wir achten müssen. Wenn eine Kuh lahmt oder länger abseits der Herde steht, informieren wir die jeweiligen Besitzer. Und das momentan lieber noch einmal zu oft.“ Gastgeber, Handwerker und ein bisschen Cowboy-Lifestyle – wer auf der Hütte lebe, profitiere davon, ein flexibles Allround-Talent zu sein.
So romantisch man sich das Dasein als Hüttenwirt auch immer vorstellen mag: Dahinter verbirgt sich viel Arbeit. Über den Abgleich von Vision und Realität sagt Thomas Zepf: „Wir führen einen richtigen Wirtschaftsbetrieb, müssen Personalentscheidungen treffen und uns jeden Tag aufs Neue gut aufstellen, um unseren Gästen den bestmöglichen Service bieten zu können. Das haben wir anfangs etwas unterschätzt, ebenso wie den erfreulicherweise großen Zuspruch von Einheimischen und Touristen.“
Martina Zepf findet ihren neuen Job dennoch sehr erfüllend. Insbesondere den entschleunigenden Bezug zur Natur: „Man vergisst hier oben leicht den Wochentag und ist mit den Gedanken im Hier und Jetzt. Es ist für uns einfach ein anderes Arbeiten, das uns mehr erfüllt, als jeden Tag vor dem PC zu sitzen.“
Dabei betonen beide, dass sie ihre Entscheidung nicht aus Unzufriedenheit mit ihren Arbeitgebern heraus getroffen hätten. Im Vordergrund stand der Wunsch nochmal etwas anderes im Leben zu machen und die Suche nach einem neuen Lebensgefühl. „Sonst hätten wir uns auch in unseren Branchen selbstständig machen können“, sagen beide mit Nachdruck.
Und wie reagieren Familie und Freunde, wenn man sich um die 50 aus dem gewohnten und sicheren Umfeld herauswagt? „Anfangs waren viele überrascht“, erinnert sich Hüttenwirtin Martina Zepf. „Dennoch haben wir viel Zuspruch erhalten, auch wenn die Mehrheit selbst nicht bereit gewesen wäre, etwas aufzugeben. Unterm Strich fanden alle, dass die Entscheidung gut zu uns passt und haben uns diesen Weg absolut zugetraut.“ Das eigene unternehmerische Risiko stufen die Zepfs als überschaubar ein. Im Einfamilienhaus wohnen aktuell die beiden erwachsenen Söhne, sodass der Weg zurück ins Tal für sie jederzeit offen ist.
So weit soll es aber gar nicht kommen. Der Pachtvertrag der Sankt Wilhelmer Hütte läuft insgesamt vier Jahre mit der Option auf Verlängerung. Und mindestens so lange wollen Thomas und Martina Zepf ihr neues Leben auch durchziehen – am liebsten sogar bis zur Rente.
ks