Denzlingen. „Mut tut gut“ steht auf einer Karte auf Regula Schöllys Schreibtisch. Es könnte das Motto der Karriere der Denzlinger Unternehmerin sein. Denn Regula und ihr 2016 verstorbener Mann Werner Schölly bewiesen immer wieder den Mut, neue Wege zu gehen. Schon der erste Schritt in die Selbstständigkeit und ins Ausland war mutig. 1977 übernahmen die beiden Schweizer die deutsche Tochter des Optikspezialisten Volpi und verlegten deren Sitz von Hessen nach Denzlingen. Dort hatten sie ein Reihenhaus gemietet. „Im Dach war das Büro, im Keller das Lager, dazwischen haben wir gewohnt“, erzählt Regula Schölly in ihrer angenehm ruhigen Art und mit eindeutigem Schweizer Akzent, den sie sich erhalten hat.
Mutig war auch die Entscheidung 1983, sich von Volpi zu trennen und selbst in die Produktion einzusteigen – zunächst in den gemieteten Räumen einer Schlosserei. Und mutig waren vor allem der Schritt von der Industrie in die Medizintechnik 1985 sowie die Kooperation mit Intuitive, dem Hersteller von roboterassistierten Chirurgiesystemen seit 1999. „Wir hätten nie so ein Wachstum erfahren, wenn wir nicht diesen Mut gehabt hätten“, sagt Regula Schölly. Ihr Familienname steht heute für ein weltweit tätiges Medizintechnikunternehmen mit 750 Mitarbeitern, davon 400 am Hauptsitz in Denzlingen, und einem Jahresumsatz von rund 166 Millionen Euro. Die Tuttlinger Aesculap AG ist seit Langem mit gut einem Viertel der Anteile an Schölly beteiligt; der Rest ist nach wie vor in Familienbesitz. Mut hat Regula Schölly schließlich damit bewiesen, das Unternehmen zu behalten und zukunftsfähig aufzustellen. Für diese herausragenden unternehmerischen Leistungen hat sie kürzlich die Wirtschaftsmedaille des Landes erhalten.
„Man kann schon in eine Aufgabe hineinwachsen“, sagt sie beim Gespräch in ihrem Büro, das ähnlich bescheiden wirkt, wie die Chefin selbst. Sie hat weder Studium, noch Abitur und habe sich deshalb „immer durchgefragt“, um dahin zu kommen, wo sie heute ist.
Von Beginn an kniete sich Regula Schölly voll ins Unternehmen rein und behielt das auch nach den Geburten ihres Sohnes Reto sowie ihrer Tochter Claudia bei. Es musste halt irgendwie gehen, sie kannte es nicht anders. „Ich habe eigentlich immer gearbeitet“, berichtet Regula Schölly. Schon als Kind halfen sie und ihre beiden Schwestern selbstverständlich in der elterlichen Bäckerei. Später führte sie das Büro für den Metallbetrieb ihres Schwiegervaters, und dann baute sie mit ihrem Mann das eigene Unternehmen auf. Die Rollenverteilung der beiden Schöllys war von Anfang an klar: Werner Schölly, der kreative Chaot mit dem ausgeprägten Gespür für Trends, war für das Technische und den Verkauf zuständig. Regula Schölly, die Strukturierte und Einfühlsame, die gerne plant, wenig dem Zufall überlässt und Menschen gut einschätzen kann, kümmerte sich um Organisation, Finanzen und Personal. Sie merkt, was die Leute können, wer für welche Aufgabe am besten geeignet ist. Die richtigen Leute hat Regula Schölly mitunter auf ungewöhnliche Art angeworben, beispielsweise beim Elternbeirat in der Schule, wo sie eine Mutter akquirierte, deren Auftreten ihr gefallen hatte. Die meisten Mitarbeiter danken ihr diesen Einsatz mit geringer Fluktuation und hoher Loyalität. Etliche Andenken rund um ihren Arbeitsplatz, etwa ein Gemälde von Azubis oder die Collage eines Teams, zeugen von dem besonderen Verhältnis. Auch bei der Suche nach einem Nachfolger für ihren erkrankten Mann half der Unternehmerin ihr Gespür: Sie ahnte das Interesse des Mikrosystemtechnik-Professors Holger Reinecke, der damals im Schölly-Beirat war, und sprach ihn gezielt an.
Die vergangenen zehn Jahre waren eine anstrengende Zeit für Regula Schölly. Die Krankheit und der Tod ihres Mannes forderten ihr sowohl privat als auch im Unternehmen alles ab. Umstrukturieren, optimieren, modernisieren: Es gab so vieles zu regeln. Regula Schölly will, ihrem Naturell entsprechend, der nächsten Generation einen geordneten Betrieb übergeben. Sohn Reto, ein promovierter Wissenschaftler, forscht an der Uni Freiburg. Tochter Claudia, eine Betriebswirtin, arbeitet seit einigen Jahren im Familienunternehmen und ist gerade in Elternzeit. „Ich finde gut, dass sie das genießt. Ich konnte das ja nicht“, sagt Regula Schölly. Ihr eigener Ausstieg soll sanfter verlaufen als der ihres Mannes. Sie bereitet ihn jetzt allmählich vor – einige Jahre nach dem regulären Rentenalter. Die genaue Zahl möchte sie nicht an die große Glocke hängen. Aber man sieht sie der eleganten Dame ohnehin nicht an.
Und dann? Endlich mehr Zeit haben. Und vielleicht wieder nach Afrika reisen. Der Kontinent fasziniert sie, die Natur, die Menschen, die Tiere. Sie kann sich vorstellen, ihr Engagement dort weiter auszubauen. „Es gibt so viele gute Projekte, die eine Unterstützung verdienen“, sagt Regula Schölly. „Da gibt es noch viel zu tun.“
kat