Konstanz. Bettina Gräfin Bernadotte zeichnet mit ihrer Handfläche eine Diagonale in den Raum. Von links unten nach rechts oben. „Viele denken, Lebenswege sind so“, sagt die Mainau-Geschäftsführerin. Steil ansteigend, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. „Viele machen sich nicht bewusst, dass die meisten Lebenswege so sind“, erklärt sie weiter und beschreibt ein wellenförmiges Auf und Ab mit ihren Händen.
Will sagen: Auch in den Biografien der Besten und Erfolgreichsten gibt es Höhen und Tiefen, gerade Strecken und Kurven, Rückschritte und Erfolge. Wenn die Gräfin dies Jugendlichen erklärt, die die Akademie der Mentor Stiftung Deutschland besuchen, weiß sie genau, wovon sie spricht. Auch ihr eigener Lebensweg führte nicht schnurstracks in die Geschäftsleitung des Familienbetriebs ihrer Eltern.
Bettina Gräfin Bernadotte wuchs mit vier jüngeren Geschwistern auf dem Schloss der Insel Mainau auf. Schon nach dem Abitur hat sie den Bodensee verlassen, um in Madrid zunächst Kunstgeschichte zu studieren. Es folgten weitere Stationen, unter anderem drei Jahre an der Dualen Hochschule in Ravensburg mit gleichzeitiger Ausbildung im Europa-Park Rust, der Abschluss als Tourismus-Betriebswirtin sowie der Berufseinstieg in einer Lindauer Unternehmensberatung. Gelernt habe sie insbesondere, anfängliches Heimweh und die Angst vor dem Unbekannten zu überwinden, sich anzustrengen, um ein Ziel zu erreichen, und dass es wichtig ist, immer wieder den Horizont zu erweitern.
Seit 2007 steht Bettina Gräfin Bernadotte, Jahrgang 1974, an der Spitze der Mainau GmbH – eine erfolgreiche Geschäftsfrau mit Verantwortung für das prominente Familienerbe, aber auch für 150 fest angestellte Mitarbeiter, 30 Auszubildende und während des Blumenjahrs von März bis Oktober viele weitere Arbeitskräfte. Als Privatunternehmen ohne öffentliche Subventionen erwirtschaftet die Mainau GmbH einen Jahresumsatz von rund 27 Millionen Euro. Alleiniger Gesellschafter ist die von ihren Eltern gegründete gemeinnützige Lennart-Bernadotte-Stiftung.
Mit ihrer unternehmerischen Schaffenskraft, ihrer Kreativität und ihren Visionen präge Gräfin Bernadotte nicht nur die Region Bodensee, sie sei auch Vorbild für junge Unternehmerinnen, würdigte Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut die Leistung der dreifachen Mutter und ihres Teams bei der Verleihung der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg im Mai 2022. „Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Insel Mainau eine Vorreiterrolle in den Bereichen Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz einnimmt“, sagte die Politikerin weiter und fokussierte damit den zweiten großen Motivationsstrang von Gräfin Bernadotte: Wer die Blumeninsel besucht, soll sie mit erholsam-intensiven Naturerlebnissen wieder verlassen.
Dieser Anspruch hat Tradition. Bereits 1961 formulierte ihr Vater Lennart Graf Bernadotte die „Grüne Charta von der Mainau“ (mehr dazu auf www.mainau.de). Und vor schon 25 Jahren, 1998, wurde die Mainau nach den Vorgaben des Europäischen Umweltmanagementsystems „EMAS“ zertifiziert – damals als erster Tourismusbetrieb und einziger botanischer Garten Europas. Aktuell arbeitet das Mainau-Team an dem Ziel, im Jahr 2030 klimaneutral zu sein nach Scope 1+2. „Das Geschäftsmodell, Menschen mit Natur zu begeistern, funktioniert“, interpretiert die Gräfin die Verleihung der Wirtschaftsmedaille. „Das wird wahrgenommen und wertgeschätzt. Ich habe mich unglaublich gefreut über die Auszeichnung – auch für unser Team, das mit viel Herz bei der Sache ist.“
Sie gesteht: Dass viele Menschen so wenig für den Klima- und Naturschutz tun, lässt sie manchmal verzweifeln. Und dass die Erderwärmung auch dort sichtbar wird, wo sie aufgewachsen ist, beobachtet sie oft mit Wehmut. 1999 hat ein Hochwasser die Insel vom Bodanrück abgeschnitten, im Januar 2021 beschädigte ein Schneefall zehn Bäume schwer. „Wir waren zwei Tage nur damit beschäftigt, den Schnee von den Bäumen zu schütteln“, erinnert sich Gräfin Bernadotte. „Die halbe Rhododendron-Anlage lag am Boden.“ Aber sie betont: „Es entstehen immer wieder Chancen daraus. Wir haben die Pflanzen ganz weit zurückgeschnitten und das Gelände neugestaltet, heute sieht es richtig toll aus.“
Weitermachen, nicht stehenbleiben, das Beste draus machen. Diese Einstellung vermittelt sie als Schirmherrin der Europa-Miniköche, als Initiatorin des Projekts Europa-Minigärtner oder eben als Chefin der Mentor Stiftung Deutschland. 2016 als eigenständiges Mitglied der internationalen Mentor Föderation gegründet, die wiederum von der schwedischen Königin Silvia und der WHO 1994 aus der Taufe gehoben worden war, setzt sich die Stiftung für Jugendliche und ihre Zukunftsperspektiven ein. Und ihre Adelsfamilie unterstützt die Gräfin auch heute: Als Schwedens Monarchin im Oktober auf der Mainau zu Besuch war, taufte sie mit Bodensee-Wasser eine neu gezüchtete „Mentor Rose“. Ein Teil der Erlöse aus dem Verkauf geht an die Mentor Stiftung Deutschland.
Benedikt Brüne