Ortenberg. Hinter jeder Unternehmensentwicklung verbirgt sich auch eine menschliche. Wie seine Firma Schäfer Kunststofftechnik GmbH hat Joachim Schäfer in den zurückliegenden Jahren Höhen und Tiefen erlebt. Er hat Ängste ausgestanden, neue Einsichten gewonnen und sich sehr verändert. Über diese für ihn herausfordernde Zeit hat er ein Buch geschrieben – in sechs Wochen, wie eine Therapie. „Unsere Erfolgsinsolvenz“ bietet äußerst persönliche Einblicke.
Doch zunächst die unternehmerischen Fakten: Schäfer Kunststofftechnik wurde 1963 von Joachim Schäfers Vater Günter in Ortenberg gegründet. Das Unternehmen zog bald nach Offenburg-Elgersweier, spezialisierte sich auf Kunststoffzubehör für Forschungseinrichtungen wie Laborwannen oder Reagenzglasständer und beschäftigte schnell drei Dutzend Mitarbeiter. Mit dem Betrieb wuchs die Geschäftsführung: Zunächst stieg Arno Schäfer, der Bruder des Gründers, mit ein, später Sohn Joachim Schäfer. 2008 zog die Firma in einen Neubau zurück nach Ortenberg. Als der Onkel ausschied, übernahm Joachim Schäfer dessen Anteile. Der Vater holte vor seinem Ruhestand einen weiteren Geschäftsführer und einen familienexternen Gesellschafter ins Unternehmen. Seit der Insolvenz 2014 führt Joachim Schäfer das Unternehmen als alleiniger geschäftsführender Gesellschafter. Die Zahl der Mitarbeiter ist seither auf knapp 100 gestiegen, und der Kundenkreis hat sich erweitert. Schäfer entwickelt und fertigt heute anspruchsvolle Kunststoffteile für Labor- und Automatisierungstechnik, Maschinenbau, Medizintechnik sowie Leuchtenhersteller – beispielsweise Maschinenverkleidungen, Diffusoren für Leuchten oder Präzisionsteile für Labore.
Joachim Schäfer ist ein Jahr jünger als sein Unternehmen. Er wurde 1964 in Offenburg geboren, wuchs in und mit der Firma auf. „Ich hab mit fünf Jahren schon mit Plexiglas gearbeitet, hab daraus Puppenküchen für meine Cousinen gebaut“, berichtet er. Dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium Offenburg folgten der Wehrdienst, während dem er als Funkmechaniker auf einem Flugplatz arbeitete, und ein Maschinenbaustudium – „der Vater wollte das so“. Joachim Schäfer aber nicht, deshalb verließ er die Hochschule nach einem Jahr und machte stattdessen eine Ausbildung im Sondermaschinenbau sowie anschließend die Weiterbildung zum Techniker und startete dann im Familienbetrieb. „Ich hab’ Gas gegeben“, erzählt er. Er entwickelte neue Produkte, akquirierte zusätzliche Kunden und stellte das Unternehmen als Systempartner statt als bloßen Kunststoffverarbeiter auf. Umsatz und Rendite stiegen. Allerdings sorgte der Erfolg des Juniors für Begehrlichkeiten, weshalb die Stabübergabe missglückte. Neubau, Erbfolge, Auszahlungen: Es wurde nur noch ums Geld gestritten. 2008 kulminierte der Zwist, der Junior stieg erst aus, dann wieder ein. Er wendete die Insolvenz zunächst ab, ein paar Jahre später war sie dann unausweichlich. Allerdings hatte der Gesetzgeber da schon die Möglichkeit der Insolvenz in Eigenverwaltung geschaffen, und die nutzte Joachim Schäfer. Mit viel Energie hat er seine Widersacher überwunden und das Unternehmen auf einen neuen Kurs gebracht. Auf dem ist „Schäfer vollendet“, wie sich das Unternehmen nennt, seither sehr gut unterwegs. 2019 kletterte der Umsatz im zweistelligen Bereich, und selbst die Pandemie dieses Jahr sorgte für keine Delle, zumal man das Portfolio um neue Produkte ergänzte.
Rückblickend sieht Joachim Schäfer die Krise ab 2008 als Basis für diesen Erfolg. Aber der Weg war hart, der Unternehmer zwischendrin seelisch am Ende: Burn-out, Suizidgefahr. „Die Angst vor dem Leben war so groß, dass mir der Tod erlösend erschien“, berichtet er. Seine Therapeutin ließ ihn unter Hypnose vom World Trade Center springen – das half ebenso wie die Erkenntnis: „Nur ich selbst kann mich heilen.“ Mithilfe von mehreren Trainern stellte er sich seinen Ängsten und „baute Mauern ab, die ich um mein Herz herum errichtet hatte“. Heute wundert Joachim Schäfer sich, wie er all die Jahre agiert hat. Der Mensch steht für ihn jetzt im Mittelpunkt, er lebt Achtsamkeit, sich und anderen gegenüber. Die Kommunikation mit den Mitarbeitern bleibt für den Chef indes eine Herausforderung. „Meine Worte kommen bei den Mitarbeitern anders an, als ich sie meine.“ Deshalb lässt er weiterhin einmal pro Monat seinen Coach als Dolmetscher kommen. Es sei ein Prozess. „Ich nenne ihn: emotionale Evolution“, sagt Schäfer.
kat