Kappelrodeck. Einer von 150.000 – das ist Wilfried Trapp. Aber ein ganz Besonderer. 150.000 Unternehmer mussten und müssen sich zwischen 2018 und 2022 mit ihrer Nachfolge befassen. Das schätzt das Institut für Mittelstandsforschung. Für den Inhaber und Geschäftsführer des Kappelrodecker Unternehmens Baumann + Trapp GmbH war es 2017 so weit. Mit 66 Jahren informierte er seinen Mitgesellschafter und Geschäftsführungskollegen Dieter Baumann und auch die Mitarbeiter: „Ich werde aufhören! Und ich muss weg, damit ich wegkomme.“ So recht glauben wollte ihm das keiner. Ausgerechnet er, der das Unternehmen mit aufgebaut hatte. Er, der Produkte entwickelte, den Vertrieb entscheidend mit voranbrachte. Und dann beriet er ja auch noch Städte und Gemeinden bei der Gestaltung und Ausstattung ihrer Spielräume. Vor allem Kommunen zwischen Karlsruhe und Freiburg hatten sich in den letzten Jahren auf ihn, sein Know-how und auf die Produkte seines Unternehmens verlassen. Rund 1.300 Spielflächen waren so zwischen 1993 und 2017 zusammengekommen.
Wenn Wilfried Trapp heute, vier Jahre später, auf diesen Wendepunkt in seinem Leben schaut, trübt keine Wehmut den Blick. Der inzwischen 70-Jährige lächelt unter dem grauen Schnauzer. Er hat ein entspanntes und vor allem abgeschlossenes Verhältnis zu seiner Berufsbiografie. Lässig reicht er seinen stichpunktartigen Lebenslauf über den Tisch im sonnendurchfluteten Wintergarten seines Hauses in Kappelrodeck. „Lassen Sie uns lieber über die Reise reden!“ Und schiebt mit diesen Worten das dazugehörige Buch hinterher, das im vergangenen Jahr erschienen ist: „Ahoi 66 – Mit Bahn, Auto und Containerschiff um die halbe Welt“ (Verlag Seitenweise, 29,80 Euro).
Die Reise: 58.000 km weit. 138 Tage lang. Er hat sie unternommen, weil er eine Zäsur wollte. Einen Abstand zwischen dem Geschäftsführer der Baumann + Trapp GmbH und dem Privatmann. Wie beiläufig setzt er sich damals sein Reiseziel: „Ich komme dich Weihnachten besuchen“, meint er zu seinem Sohn, der gerade für eine Traineestelle in Australien ist. Allerdings bucht er sich keinen Flug bei Qantas Airways. Wilfried Trapp wählt die Entschleunigung. Er packt einen Rucksack und kauft sich besondere Tickets: Für den ICE nach Berlin, von dort mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Peking, weiter mit einem chinesischen Zug nach Hongkong – und dann auf das Containerschiff „Aglaia“ mit Kurs auf Brisbane. Dort kommt er einen Monat nach seiner Abreise aus Deutschland an.
Was Wilfried Trapp erlebt, ist die Freiheit von den alltäglichen Zwängen – außer der mit den Kilometern an Land und auf See beginnt er noch eine andere Reise: die zu sich selbst. „Das war für mich als Kopfmensch ziemlich ungeplant“, erinnert er sich. Und als er australischen Boden betritt, bemerkt er auch: „Ich bin noch gar nicht fertig damit!“ Wilfried Trapp verbringt Zeit mit seinem Sohn. Es schließen sich viele Autokilometer durch Australien an. Leonard Cohen, Neil Young, Bob Dylan – sie begleiten ihn auf seiner Reise. Der Datenstick fürs Autoradio ist ein Geschenk des Kapitäns der Aglaia.
„Man braucht schon an die 100 Tage, bis der Kopf endlich leer ist“, schätzt Wilfried Trapp. In seinem Kopf war viel – nicht zuletzt, weil sein Herz so lange nicht überlaufen durfte. Als das jüngste seiner drei Kinder zweieinhalb Jahre alt war, starb seine Frau Uli. „Es folgten die härtesten Jahres meines Lebens.“ Parallel baute er sein Unternehmen auf: „So verstrichen die Momente, in denen ich die eigene Trauer hätte aufarbeiten können. Es war so viel zu tun – ich kam einfach nicht dazu“, resümiert Trapp.
Dazu nutzte er dann die Reise. Er nahm noch einmal Abschied von seiner Frau – und Abschied von seinem Dasein als Chef des eigenen Unternehmens. Ein schwieriges Adieu, denn: „Das ist der Abschied von der geliebten Arbeit, dem emotionalen Erleben eines funktionierenden Teams. Man muss es erst mal spüren, dass man auch als Mensch ohne berufliche Leistungen seinen Wert behält.“ So ganz unvorbereitet ließ er sein Team aber nicht in die Zeit ohne ihn laufen. „Bereits 2012 stellten wir einen Planer ein, der mich in diesem Bereich ersetzte“, erzählt Trapp. Auch für sich selbst bereitete er – von der Reise einmal abgesehen – die Zeit nach dem Ausstieg vor: Er gründete ein Planungsbüro für besondere Spiel- und Freizeiträume. So ist er auch heute noch als Berater tätig – und natürlich als Autor.
Wilfried Trapp führte auf seiner Reise Tagebuch und fotografierte intensiv. „Ich habe zunächst für meine Kinder geschrieben, denen ich einen Blick auf meinen Werdegang und auch auf die Liebe zu ihrer Mutter geben wollte“, beschreibt er die Gründe dafür. Als die drei die Reisenotizen gelesen hatten, rieten sie dem Vater zur Veröffentlichung: „Sie meinten, dass auch fremde Menschen Nutzen daraus ziehen könnten“. Er publizierte. Die letzte Seite beschließt er mit: „Auf der 138 Tage langen Reise hat der intensive Rückblick auf Vergangenes in Verbindung mit alltagsfreien Gedanken meinen Lebenskompass neu justiert. Die 58 ‚ereignisarmen‘ Tage mit viel Zeit und Ruhe auf den Containerschiffen hatten in dieser Hinsicht daran den wertvollsten Anteil.“ Und die wirklich letzten Worte im Buch lauten wie die eines Philosophen: „Alles hat seine Zeit.“
dg