Freiburg. Das Rundgummi hat ihr viele neue Kunden beschert. Denn anders als die meisten Handarbeitsgeschäfte konnte Manuela Weikums „Nadel & Faden“ während der ersten Coronawochen stets das begehrte Befestigungsmaterial für selbstgenähte Mund-Nasen-Masken verkaufen – bis zu tausend Meter täglich. Die geschäftige Unternehmerin hatte rechtzeitig einen zuverlässigen Schweizer Lieferanten aufgetan und postete jede neue Lieferung auf Facebook und Instagram. Ebenso das Angebot eigener Masken, Tipps zum Maskennähen und andere kreative Anregungen. Weikum nutzt die sozialen Medien fleißig, sie betreibt einen eigenen kleinen Onlineshop, und ihre Website wird in den Suchmaschinen gut gefunden. So hat sie das Einzugsgebiet ausgeweitet. Die Kundinnen und auch einige Kunden kommen aus der Ortenau, vom Hochrhein, aus dem Schwarzwald, der Schweiz und darüber hinaus, erzählt sie. Zum 25. Jubiläum ihres Ladens trafen Glückwünsche aus ganz Deutschland ein. Der Standort im Freiburger Gewerbegebiet Haid, den sie vor allem der günstigeren Miete wegen wählte, erweist sich als Vorteil – hier gibt es Parkplätze.
Weikum eröffnete Anfang Juli 1995 „Nadel & Faden“ im Freiburger Stadtteil Haslach, zog mit dem Geschäft 2008 auf die Haid, vergrößerte damit die Fläche von 100 auf 250 Quadratmeter und betreibt seither auch Freiburgs einziges Strickcafé. Dort können sich Kreative bei einem Getränk austauschen, und es gibt allerlei Kurse: Strick-, Häkel-, Webkurse und sogar eine Klöppelgruppe. „Ich hab mir einen Namen gemacht durch das große Angebot und Sortiment“, sagt Weikum. „So haben die Kunden nicht so viele Wege.“ Wolle, Stoff und Kurzwaren aus einer Hand, das gibt es sehr selten. Wie überhaupt die Zahl der Handarbeitsgeschäfte abnimmt – ganz im Gegensatz zum „Do-it-yourself“-Trend.
Natürlich strickt, stickt, häkelt und näht Weikum auch selbst, ebenso wie ihre zwei Mitarbeiterinnen. Das ist unerlässlich in einem Fachgeschäft, in dem die Kunden nicht nur Material, sondern auch Tipps benötigen. Die aufwendigen Schals und Tücher beispielsweise, die Weikum im eigenen Laden verkauft, entstehen abends vor dem Fernseher. „Meine Hände müssen beschäftigt werden“, sagt sie. Im Alter von fünf Jahren hat Manuela Weikum Stricken gelernt, seither ruhen ihre Finger und ihre Kreativität nicht mehr. Die Unternehmerin sprüht vor Ideen, bringt Anregungen von Reisen mit, testet immer wieder neue Materialien, recycelt alte Textilien und bestrickte auch eine Weile den öffentlichen Raum. „Urban Knitting“ hieß der Trend, Bäume, Brückengeländer, Fahrradständer und mehr mit bunter Wolle einzukleiden. Er breitete sich in Metropolen weltweit aus, scheiterte in Freiburg aber immer wieder an den Behörden. Deshalb hat Weikum auch aufgegeben. Immerhin: Drei Winter zierte ein gigantischer Strickhandschuh die drei Meter große Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, die auf dem Grundstück ihres Vermieters Avis steht.
Beruflich war Manuel Weikum zunächst einen weniger kreativen Weg gegangen. Sie wuchs in Todtnau bei ihrer Großmutter auf, wo es streng zuging. Für kreative Rebellion hätte es eine Ohrfeige gegeben. Ihre Berufswünsche Modezeichnerin oder Handarbeitslehrerin seien finanziell nicht zu verwirklichen gewesen, erzählt sie. Deshalb schlug Weikum die Beamtenlaufbahn ein. Sie startete im mittleren Dienst der Post, studierte später noch und startete als 30-Jährige ihre Karriere im gehobenen Dienst. Weikum schätzte die finanzielle Unabhängigkeit, die sich daraus ergab. „Ich wollte immer mein eigenes Geld haben“, sagt sie. Statt für eine weitere Beförderung entschied sie sich zehn Jahre später allerdings für die Selbstständigkeit – innerhalb von zehn Tagen. Der spontane Entschluss, die Strickmaschinenvertretung ihrer Vorgängerin zu übernehmen, die von heute auf morgen dicht gemacht hatte, war mutig, aber richtig. „Meine spontanen Ideen sind immer die besten“, sagt Weikum. Der zweite Standort in Waldkirch, den sie von 2001 bis 2011 betrieb, war auch so eine, denn mit der Übernahme des dortigen Ladens kam der Stoff in ihr Sortiment.
Man sieht es ihr nicht an, aber Manuela Weikum ist in diesem Jahr 65 geworden. „Leider wird man ja selbst 25 Jahre älter, wenn der Laden 25 wird“, sagt sie und lacht. Deshalb beginnt sie nun die Suche nach einer Nachfolge und will in etwa drei Jahren die Hälfte ihres Ladens verkaufen. Die andere plant sie selbst weiter zu nutzen für allerhand kreative Ideen. Einen richtigen Ruhestand im Wortsinn kann Manuela Weikum sich nicht vorstellen – „dafür bin ich noch viel zu agil“. Sie hat noch viel vor und möchte deshalb 120 Jahre alt werden.
kat