Müllheim. Die Konzentration, wenn man eine Route angeht, die Kraft, die man einsetzt, und die Kameradschaft: All das liebt David Holmes am Klettern. Auch bei seinem Ehrenamt als Bergretter braucht der Müllheimer Unternehmer den Willen, in schwierigen Situationen gemeinsam mit den Kollegen Leistung zu bringen – schließlich hängt an ihrem Einsatz nicht selten ein Menschenleben. Dass der drahtige Australier, der hauptberuflich Gründer und Geschäftsführer der Kletterretter GmbH ist, einem Unternehmen für Kletterprodukte, die Mentalität für diese Art von Freiwilligenarbeit hat, zeigte sich zufällig bei einem Raftingausflug: Ein Mann geht über Bord, Holmes greift reflexartig zu und zieht ihn wieder ins Gummiboot. Das Gefühl habe er nie wieder vergessen, sagt er.
Dass er der richtige Mann für die „Ruhe im Sturm“ ist, gibt ihm einige Zeit später auch ein Businesscoach mit. Dieses Gespräch ist lange vergessen, bis Holmes 2017 in der Lokalzeitung liest, dass die Ortsgruppe Sulzburg Bergwachtanwärter sucht. „Nach ein paar Minuten des Treffens hatte ich den Mitgliedsantrag schon unterschrieben“, erzählt der 39-Jährige. Seither hilft er regelmäßig Menschen, die bei Outdoor-Aktivitäten in Not geraten. Erst als Anwärter in Ausbildung und seit Anfang dieses Jahres – nach diversen anspruchsvollen Prüfungen – als vollwertiger Bergretter.
Das Treffen mit David Holmes findet in der Boulderkitchen Freiburg statt. Die Betreiber der Kletterhalle sind Vertriebspartner für die von ihm entwickelte Handcreme „KletterRetter“. Das Produkt ist dort so beliebt, dass die Tube es sogar als Deko auf die Tafel mit den Schwierigkeitsgraden der Klettersteige geschafft hat. Seine Leidenschaft fürs Klettern hat Holmes nicht nur sein Hobby und sein Ehrenamt beschert, sondern auch sein Unternehmen, über das er die Handcreme sowie weiteren Kletterbedarf vertreibt.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang in Down Under. Dort arbeitete der gebürtige Australier als Informatiker für den deutschen Siemenskonzern. Stephanie, eine deutsche Kollegin, nimmt ihn in eine Kletterhalle mit. Kaum betritt er das Gebäude, ist es um ihn geschehen. Der Sport lässt ihn nicht mehr los. Auch die Kollegin nicht: Die beiden sind heute verheiratet und haben zwei Kinder. Das Paar reist viel, klettert viel. Letzteres zieht die Hände in Mitleidenschaft. Die rauen Klettergriffe und das Magnesium trocknen Hände stark aus, oft kommt es zu schmerzhaften Rissen. Holmes testet alle möglichen Feuchtigkeitscremes, aber keine überzeugt ihn. In seiner Küche probiert er Rezepte mit Panthenol, Calendulaöl und dem Wirkstoff Ectoin aus. Mit Erfolg. Er zeigt im Interview seine Hände – und tatsächlich: Glatt und gesund. „Dass ich mal Handmodell werde, hätte ich auch nicht gedacht“, lacht Holmes. Mit seiner Frau zieht er 2010 nach Deutschland und arbeitet zunächst weiter für Siemens. Den Gedanken, sich selbstständig zu machen, hegt er längst. Während seines Masterstudiums schreibt er den Businessplan für den Vertrieb der Kletterretter-Creme. 2013 geht der Webshop, den der Informatiker selbst programmiert hat, online. Eine gut bezahlte Arbeitsstelle aufzugeben, um Handcreme zu vertreiben: „Mich haben schon einige gefragt, ob ich spinne.“ Doch das Produkt entwickelt sich zum Bestseller. Heute beschäftigt Holmes fünf Angestellte und will Richtung Europa expandieren.
In seinem stetig wachsenden Kletter- und Outdoor-Sortiment finden sich diverse plastikfreie Produkte. Die Handcremeverpackung besteht aus halb so viel Kunststoff wie herkömmliche Kosmetiktuben. „Natur- und Umweltschutz ist für mich nicht einfach ein Trendthema“, sagt der Familienvater. Als jemand, der viel draußen unterwegs ist, schmerze ihn der Anblick zugemüllter Landschaften. Der Unternehmer organisiert und unterstützt deswegen unter anderem Clean-up-Days, bei denen Gruppen nach dem gemeinsamen Klettern Unrat einsammeln. Sein Engagement für die Umwelt, das Sponsoring von Athleten und die Tätigkeit bei der Bergwacht nennt Holmes „der Klettergemeinde etwas zurückgeben“. Dass er diese spontanen Bergwacht-einsätze gemeinsam mit seiner Frau, die ebenfalls ein Unternehmen führt, möglich machen kann, erfülle ihn mit Dankbarkeit. Denn egal, ob er gerade mit den Kindern spielt oder in einem Meeting sitzt, wenn der Pager piepst, lässt er alles stehen und liegen und fährt zum Einsatz. – Nach dem Gespräch zieht Holmes die Kletterschuhe an, um noch eine Stunde zu bouldern. Es sei denn natürlich, der Alarm geht los.
db