Freiburg. Alfons Graf (61) ist zierlich, zäh und ein leidenschaftlicher Radfahrer. Zwischen Mitte März und Mitte Mai diesen Jahres hat er mit seinem Tourenfahrrad (beladen mit 35 Kilogramm Gepäck, darunter einem Zelt) Japan bereist. 2.800 Kilometer hat er zurückgelegt. Die Freundlichkeit und das zuvorkommende Wesen der Japaner, die landschaftliche Schönheit, die gute Organisation, die Pünktlichkeit und Reinlichkeit des Gemeinschaftswesens haben ihn begeistert. Seine Route führte ihn von Osaka über viele Abstecher zu vorher genau ausgesuchten Zielen auch kultureller Art nach Tokio. Übernachtet hat er in einfachen Unterkünften, immer wieder auch im Zelt oder im Freien.
Warum diese Reise? Vergangenes Jahr, zu seinem sechzigsten Geburtstag, hat er den Entschluss gefasst, sich einen ganz anderen Kulturkreis mit dem Rad zu erschließen und eine Auszeit vom Beruf zu nehmen. Seine Frau und die erwachsenen Kinder brachten dem Vorhaben Verständnis und Unterstützung entgegegen.
Das Ziel Japan hat auch mit Grafs Beruf zu tun. Zusammen mit Elisabeth Huber bildet er die Geschäftsführung der Freiburger Firma Taifun-Tofu GmbH mit den Marken „Taifun“ und „Tukan“. Graf ist Molkereimeister sowie Technischer Betriebswirt, und er stammt aus einer oberschwäbischen Käserfamilie. Nach seiner Berufsausbildung war er in verschiedenen Unternehmen für die Produktion von Milchpulver, Quark, Emmentaler und Camembert verantwortlich.
Nach Freiburg kam er im Jahr 1981 dank einer Anstellung bei der Breisgaumilch (heute Schwarzwaldmilch), wo er für die Joghurtaufbereitung zuständig war. Er wechselte nach einigen Jahren zu einem Pizzahersteller, dann wieder zurück zu Breisgaumilch. 1995 ging er zur Taifun-Tofu GmbH (ehemals Life Food, Taifun Tofuprodukte), wo er für die Qualitätssicherung und Produktentwicklung eingestellt wurde.
Bei dem damals kleinen Unternehmen eröffneten sich immer wieder neue Perspektiven, so beispielsweise 1997 mit dem Beginn des heimischen Soja-Anbaus und später mit der Erweiterung der Produktionsanlagen und den vielen Eigenkonstruktionen für die Tofuherstellung. Heute kommen die Sojabohnen, die Taifun verarbeitet, von 1.300 Hektar Anbauflächen im Oberrheintal und aus Regionen in Frankreich und Österreich: insgesamt 3.400 Tonnen im Jahr. Tofu, aus Sojabohnen hergestellt, wurde circa 2.000 vor Christus in China entwickelt, in Japan jedoch verfeinert und über die USA und Kanada bei uns in Deutschland verbreitet. Graf ist heute in der Geschäftsführung zuständig für die Technik, für Forschung und Entwicklung sowie den Bereich Sojaanbau und Sortenentwicklung. In Japan hat er sich die Vielfalt von Sojabohnen und die Produktion von Tofu angeschaut. Dort gibt es mehrere tausend „Tofureien“, häufig sind das Kleinbetriebe mit nur wenigen Beschäftigten. Tofu ist in Japan ein günstiges Grundnahrungsmittel, es gibt viele kleine Restaurants, hunderte von Rezepturen, Einfärbungen und Konsistenzen. Die Japaner, so erzählt Graf, lieben Tofu in weicherer Form, als es bei uns auf dem Markt ist. Sie schlürfen gerne das feine zarte Produkt.
Zufällig konnte er während seines Aufenhaltes eine Messe von Tofumaschinenherstellern in Tokio besuchen. Hier verkostete er nicht nur zahlreiche unterschiedliche Tofuqualitäten, sondern er lernte auch dieOrganisation „Tofu-Meister“ kennen. Diese hat circa 1.700 Mitglieder in Japan, bringt Wissen rund um Tofu in die Gesellschaft und kümmert sich um die Tofu-Qualität. Zwei Tofu-Meisterinnen – eine kannte übrigens die deutschen Taifun-Produkte und schwärmte besonders von Taifun Tofu Rosso – verschafften ihm wiederum Einblicke in die Struktur der Tofuproduzenten und Beziehungen zu den Maschinenherstellern. Einer der Maschinenbauer, ein mittelständischer Betrieb mit zwei- bis dreihundert Mitarbeitern, war inzwischen mehrfach in Freiburg. Da könnte sich eine für beide Seiten fruchtbare Geschäftsbeziehung anbahnen. Eine weitere Idee hat Graf mitgebracht: Bei der Produktion von Tofu entsteht aus den Hüllen der Sojabohnen ein Beiprodukt, das Taifun bislang als Viehfutter weiterverkaufte. Es heißt Okara. Die Japaner machen daraus beispielsweise Cracker, die laut Graf sehr wohlschmeckend sind. Überhaupt hat er manch neues Gericht aus Sojabohnen kennengelernt, beispielsweise einen Tofu-Donut. So war die Reise in doppelter Weise ertragreich, nicht nur als persönliches und Auszeiterlebnis, sondern auch als Ideenbringer für das Unternehmen, das in Freiburg mit 240 Mitarbeitern produziert, seine mehrere Dutzend Tofuprodukte in ganz Europa absetzt und vergangenes Jahr einen Umsatz von circa 35 Millionen Euro erzielt hat.
orn