Villingen-Schwenningen. Das Glück hat bekanntlich viele Facetten. Als im Sommer 2022 ein Unwetter über dem Campingplatz Sandseele auf der Reichenau im Bodensee tobt und eine mächtige Pappel auf das Gelände und einen Wohnwagen kracht, ist es großes Glück, dass dabei niemand verletzt wird. „Wenn der Baum uns getroffen hätte – wir hätten keine Chance gehabt“, erinnert sich Joachim Spitz. Sein Wohnwagen, in erster Reihe am Ufer platziert, bleibt unversehrt.
Glück, das einem zufällt – und Glück, das man sich erarbeitet: Über beide Varianten kann der 53-jährige Unternehmer aus Schwenningen und frisch gekürte Träger der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg viel erzählen. Mit Herzblut und Hartnäckigkeit setzt er sich seit vielen Jahren für sozial benachteiligte Kinder ein – und hat damit ein kleines bisschen Glück in den Alltag dieser Kinder gezaubert.
Ein TV-Bericht über Kinderarmut war 2008 der Stein, der alles ins Rollen brachte. Schnell stellte Joachim Spitz fest, dass es dieses Problem auch in seiner Heimatstadt Villingen-Schwenningen gab. Also finanzierte er Schulmahlzeiten für Kinder aus sozial schwachen Familien. Der Erfolg dieser Aktion beflügelte seinen Ehrgeiz, ehrenamtlich mehr zu bewegen. Im Mittelpunkt steht heute die 2010 gegründete „ProKids“-Stiftung, unter deren Dach alle Aktionen stattfinden.
Manchmal sind es schon die kleinen Spenden, die eine große Wirkung entfalten. So zahlte Prokids kürzlich Kindern, die beim Landschulheim-Aufenthalt sonst immer „Nein“ sagen müssten, ein Taschengeld – um zum Beispiel auch mal mit Eisessen gehen zu können. „Diese Kinder sind immer Außenseiter“, erklärt Spitz. „Aber sie sind unsere Zukunft. Über die anonyme Spende ermöglichen wir ihnen ein Stück Teilhabe.“
Wegen ihrer existenziellen Dimension ist die Babyklappe im Schwenninger Franziskusheim vielleicht das bekannteste Prokids-Projekt. Seit 2012 konnte die Stiftung bereits fünf Neugeborenen das Leben retten: ein Segen nicht nur für die Kinder, auch für die Mütter, die sich in einer Notlage befinden, und für Eltern, die keine Kinder bekommen können. Schön ist, dass manche Betroffene den Schutz von Vertraulichkeit und Anonymität aufgeben und sich persönlich bei Joachim Spitz bedanken: „Wenn es Sie nicht gäbe, hätte ich keine Familie!“ Mit diesen Worten habe sich ihm eine Frau an den Hals geworfen, als er einmal in Stuttgart verspätet und abgehetzt zu einem TV-Auftritt eingetroffen war.
Joachim Spitz weiß aus eigenem Erleben, was die Betroffenen bewegt: Die drei Sterne, die er sich auf den rechten Unterarm hat tätowieren lassen, stehen für seine drei Sternenkinder, denen ein Leben auf dieser Erde verwehrt blieb. Der vierte Anlauf ist heute 17 Jahre alt, 90 Kilo schwer und spielt als Verteidiger im Eishockey-U20-Team der Schwenninger Wild Wings Future in der Deutschen Nachwuchsliga. Mit seiner Ausbildung im Familienbetrieb von Papa Joachim läutet Maximilian die dritte Generation der Spitzdruck GmbH ein, die seine Großeltern Thea und Hans-Jürgen Spitz 1975 gegründet hatten.
Dass er sich so intensiv für Kinder engagieren kann, verdankt Joachim Spitz seinem zehnköpfigen Team, allen voran Bruder Michael, mit dem er sich die Geschäftsführung des Unternehmens teilt. „Alle halten mir den Rücken frei“, betont Spitz. „Ich bin nur der, der vornedran steht.“ Um seine Ideen umzusetzen, ist er oft unterwegs, viel im Auto, viel am Telefon.
Das ist mittlerweile sein Arbeitsalltag, auch wenn sein Herz – das merkt man schnell beim Rundgang durch seine Druckerei, gemeinsam mit Hund Mailo – weiterhin für den erlernten Beruf schlägt. Deshalb hat Joachim Spitz auch 15 Jahre lang den für seine Profession zuständigen Prüfungsausschuss bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg geleitet.
Schulmahlzeiten, die Babyklappe, ein Prokids-Treff mit Hausaufgabenbetreuung und einer jährlichen Weihnachtswunschaktion, eine Teeniemütter-Wohngemeinschaft, das Boxing-Projekt Fight for your life, die Online-Freiwilligenbörse www.ehrenamt-vs.de und der Street-Workout-Park am Vorderen See in Schwenningen: Die Liste der realisierten Ideen ist beeindruckend – ebenso wie die dafür verliehenen Anerkennungen, vom Lea-Mittelstandspreis bis zur aktuell verliehenen Staufermedaille.
„Ihre Leidenschaft und Ihr Idealismus tragen dazu bei, unsere Gesellschaft ein Stück menschlicher zu machen, Eigensinn in Gemeinsinn zu verwandeln und Verbindungen zwischen den Menschen zu schaffen“, sagte Jürgen Roth, Oberbürgermeister der Stadt Villingen-Schwenningen, bei der Verleihung der Medaille Anfang Januar. Der Rathauschef gehört zu den vielen Prokids-Unterstützern aus Politik, Wirtschaft und Sport, die dem Firmenchef und Prokids–Gründer im Imagefilm der Stiftung Lob zollen. Sie alle honorieren die Leistung eines Mannes, der sich selbst auf der Sonnenseite des Lebens sieht und deshalb hart dafür arbeitet, ein Stück vom Glück weiterzugeben.
Text und Bild: Benedikt Brüne
Bild: Joachim Spitz an einer seiner Druckmaschinen, auf der auch Papiere für die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg produziert werden. Im Hintergrund eine 107er Harley Davidson – soviel Zeit für Hobby muss bei allem Ehrenamt sein.