Villingen. „Wann ist für Sie ein Tag ein guter Tag?“ Darüber muss Tanja Broghammer nicht lange nachdenken. „Wenn ein Kunde etwas Tolles für sich bei uns gefunden hat und er sich freut. Dann freue ich mich mit – und es ist ein guter Tag“, erklärt sie eloquent. Deshalb sei der Beruf des Einzelhändlers vor Ort so schön, ergänzt sie mit einem kleinen Seitenhieb auf die Onlinekonkurrenz: „Ich muss nicht erst auf eine Dankesmail warten. Ich bekomme die Wirkung meiner Arbeit direkt mit.“
Seit 21 Jahren und in der dritten Generation leitet die 51-Jährige gemeinsam mit ihrem Bruder Patrick das Modehaus Broghammer – oder eher die Modehäuser. Was vor 80 Jahren als Maßschneiderei des Großvaters auf 40 Quadratmetern begann, erstreckt sich nicht zuletzt seit ihrer Übernahme auf inzwischen 1.200 Quadratmeter, verteilt auf ein Herrenmode-Haus und zwei Geschäfte für Damen in der Villinger Innenstadt. Zudem bietet man individuelle Bestickungen für Firmenbekleidung an. 16 Mitarbeiter plus Familie – die Eltern Broghammer helfen immer noch gerne mit, wenn sie gebraucht werden.
Dass Tanja Broghammer mal im „schönsten Beruf“ der Welt landet, war lange keine ausgemachte Sache für sie. Nach dem Abitur schlägt ihr Herz für den Journalismus, sie studiert Politikwissenschaften, Geschichte und Ethnologie, macht nebenbei Radio, recherchiert Fernsehbeiträge. „Es hat den Horizont geöffnet, es war keine vertane Zeit“, sagt sie rückblickend. Und doch zündet der Funken nicht so recht. Da ist das etablierte Fachgeschäft der Eltern – wäre doch schade drum. Und der Drang, selbstbestimmt zu arbeiten, mit dem sie als Unternehmerkind aufgewachsen ist: „Für eine Nachrichtensendung recherchieren Sie abendfüllendes Material. Was bleibt, sind 90 Sekunden. Da mache ich doch lieber etwas, wo sich die gesamte Arbeit, die ich reinstecke, auch widerspiegelt“, begründet sie ihren Entschluss, auch noch Textilbetriebswissenschaften in Nagold zu studieren. Als Test, ob der Funke zündet.
Und das tut er. Mit Anfang 30 steigt Tanja Broghammer ins elterliche Geschäft ein, gemeinsam etablieren sie neben der Herren- zügig auch wieder die Damenmode und setzen zum Beispiel schon auf das Concept-Store-Konzept lange, bevor es in jeder Fußgängerzone en vogue ist. Als sich bei Tanja Brogmann das dritte Kind ankündigt, quittiert ihr Bruder seinen Job als Exportfachmann und folgt ihr ins Unternehmen.
Tanja Broghammer expandiert gern, brütet auch auf Wochenendspaziergängen Verkaufskonzepte aus. „24/7 eben. Aber das ist auch das Schöne am eigenen Laden. Wir können jederzeit Ideen entwickeln und umsetzen.“ Immer dabei: der Teamgedanke. Voneinander und miteinander lernen. Broghammers sind seit Jahren Teil einer Erfa-Gruppe aus 16 Facheinzelhändlern vornehmlich aus Baden-Württemberg. Man benchmarkt untereinander, bespricht Ideen, kann im Team hochwertigere Prospekte stemmen. „Das ist ein Riesenschatz an Erfahrungen“, stellt die Unternehmerin fest.
Ein Schatz, den sie gerne teilt, etwa als Mitglied im Einzelhandelsausschuss der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Oder im Unternehmernetzwerk GVO, wo sie mit ihrem Kollegen Rainer Böck den Einzelhandel in Villingen vertritt. „Man ist nur so gut wie seine Umgebung – und deshalb muss man auch einen Teil seiner Energie in seine Umgebung investieren“, erklärt sie ihren regen Einsatz. – Ein Engagement, das ihr auch durch die Coronazeit hilft, in der man wegen der hohen Inzidenzen im Kreis lange geschlossen bleiben musste und in der nicht immer verständliche Coronaregeln die Nerven strapazieren. „Zusammen mit der IHK und der Erfa-Gruppe haben wir einiges auf die Beine gestellt“, berichtet sie. So fühle man sich nicht ganz so ohnmächtig angesichts dieser einzigartigen Bewährungsprobe – fürs Unternehmen, für die ganze Branche.
Trotz Onlineshopping- und Fast-Fashion-Boom glaubt Tanja Broghammer an die Zukunft und die Daseinsberechtigung des Facheinzelhandels: „Etwa 20 Prozent der Menschen besuchen noch Modefachgeschäfte – die Zahl ist seit Jahren recht stabil – und legen Wert auf gute Beratung.“ Geschäftsführer, die in einem guten Anzug überzeugen müssen. Großformatige Menschen, die nicht alles tragen können. Kunden, die wegen der Ansprache kommen. „Für die sind wir da.“
Was Tanja Broghammer große Sorge bereitet, ist die drohende Verödung in den Fußgängerzonen: „Unsere Innenstädte sind so schön. Mit alter Substanz, mit Aufenthaltsqualität. Wir dürfen diesen Schatz nicht aufs Spiel setzen.“ – Und jeder habe es mit seiner Kaufentscheidung in der Hand, wie es weitergeht.
Text: uh
Bild: IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg