Andreas Owen ist ein Pionier in Sachen Suchmaschinenmarketing. Das neueste Projekt des Konstanzers ist das Start-up „wirsindhandwerk.de“.
Konstanz. Arbeiten in einem Online-Start-up klingt hektisch, stressig. In den Räumen von „wirsindhandwerk.de“ geht es indes still und entspannt zu. Das liegt vielleicht an der beruhigenden Wirkung des Seerheins, der direkt vor den Fenstern des Büros in der Konstanzer Bleichestraße vorbeiplätschert. Und auch der Chef der Internetplattform, die etwas mehr als ein Jahr alt ist, knapp zehn Mitarbeiter zählt und jüngst mit dem Cyber One Award des Landes ausgezeichnet wurde, strahlt eine große Ruhe aus. Andreas Owen (48) kocht erstmal Ingwertee, ehe er von sich und seinem Werdegang erzählt. Eine „Herzensangelegenheit“ nennt der Unternehmer sein jüngstes Projekt. Damit will Owen, der seit der Sanierung seines Häuschens ein großer Fan von guten Handwerkern ist, dem Berufsstand „eine digitale Heimat geben“, dessen guten Ruf in die digitale Welt transportieren. Das Leitbild „fair.ehrlich.wertschätzend“ drückt seine eigene Überzeugung aus.
„wirsindhandwerk.de“ ist Owens sechstes Start-up, die erste eigene Firma hatte er noch während des Studiums gegründet. Dabei war für den Sohn chinesischer Eltern eigentlich ein ganz anderer Karriereweg vorprogrammiert: Interkulturelles Management lautete das Ziel. Andreas Owen, der in Göttingen geboren wurde und im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie nach Konstanz zog, machte Abitur am Wirtschaftsgymnasium und studierte Internationale Beziehungen und Management an der Universität Konstanz sowie in Shanghai. Ein Praktikum bei Siemens hatte er bereits absolviert und war „drauf und dran bei VW einzusteigen“. Doch stattdessen gründete er gemeinsam mit einem Kommilitonen die Firma „Global Business Contact“. Das war Mitte der 1990er-Jahre, das Internet startete gerade seinen Siegeszug, und die beiden Studenten erkannten, wie viel da passiert. Ihre Geschäftsidee: Sie vermittelten Geschäftskontakte zwischen Firmen, die selbst noch keinen Anschluss an das neue weltweite Netz hatten. „Wir merkten, dass man über Suchmaschinen sehr viel Resonanz bekommt“, erzählt Andreas Owen. Mit dem Know-how, wie man sich da positioniert, gründete er sein zweites Unternehmen, die Suchtreffer AG, noch bevor Google bekannt war. Das Timing passte: Ende der 1990er boomte die New Economy, Investoren pumpten viel Geld in Start-ups, die schnell groß und bekannt werden wollten. Davon profitierte die Suchtreffer AG, die selbst rasch wuchs, bald 80 Mitarbeiter beschäftigte und auch das Platzen der Internetblase überlebte, weil sie reale Umsätze machte. Andreas Owen gilt noch heute als Pionier in Sachen Suchmaschinenmarketing.
Obwohl andere ihn drängten, in Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt zu ziehen, blieb er Konstanz treu. „Ich bin ganz bewusst hiergeblieben, weil diese Region extrem viel Potenzial hat“, sagt Owen. Und vor allem, weil es am Bodensee ein bisschen beschaulicher zugeht als in den Großstädten, deren „War of Talents“ Owen scheute, also den Kampf um die besten Köpfe. Er bildete seine Mitarbeiter lieber selbst aus, die es ihm mit Treue dankten. 2007 kaufte die Schweizer Mediengruppe Goldbach die Suchtreffer AG auf, taufte sie um in Goldbach Interactive AG und entwickelte sie in Richtung Multichannelmarketing. Owen begleitete sein Baby noch ein Stück, ehe er sich vor sechs Jahren aus dem Vorstand zurückzog. „Ich wollte mich neu erfinden“, berichtet er. Andreas Owen war Anfang 40, hatte viel Zeit und ein kleines finanzielles Polster, um sich zu fragen, was das Leben sonst hergibt. Er reiste, widmete seiner Familie und seinen Freunden viel Zeit und achtete sehr auf sich selbst: Bewegung, Ernährung, Gesundheit und die richtige geistige Haltung. Owen betreibt seit er zwölf ist Taekwondo und weiß, dass die wahre Kampfkunst nicht nur physischen, sondern auch unsichtbaren Gegnern wie Stress oder Schmerz gilt.
Neben den privaten Wünschen erfüllte er sich auch berufliche. Das Netzwerk für Digitalunternehmen Cyberlago war so einer. 2011 initiierte Owen es als eine Art Unternehmerstammtisch, 2013 folgte die Vereinsgründung. Seine Idee: Er wollte der Digitalwirtschaft in der Region ein Gesicht geben, die Hidden Champions rund um den Bodensee sichtbar machen. „Ich bin der Region und dem See so verbunden“, sagt Owen. „Man lebt hier wie im Paradies.“ Er schätzt die hohe Lebensqualität, die Nähe zum Wasser, zu den Hochschulen und zur Schweiz, zu Österreich und Liechtenstein. Deshalb setzt er sich dafür ein, dass sich die digitalen Akteure vernetzen, um – so wie er selbst – hierbleiben zu können. Mit Erfolg: Cyberlago zählt mittlerweile über 80 Mitgliedsfirmen und -hochschulen in allen vier Ländern rund um den See und hat gerade sein fünfjähriges Bestehen gefeiert. Owen agiert immer noch als Vorstandsvorsitzender, doch seit auch dieses Kind selbst laufen kann, widmet er sein Herzblut dem nächsten Projekt „wirsindhandwerk.de“. Die Idee einer Empfehlungsplattform fürs Handwerk treibt den Unternehmer schon länger um, weil er den Schreiner seiner Küche unbedingt positiv bewerten wollte. Aber wo? Während Hotels, Ärzte oder Anwälte längst auf entsprechenden Portalen im Internet beurteilt werden, gab es diese Möglichkeit für Handwerker hierzulande bisher nicht. Owen reizte es, die Welt des Handwerks kennenzulernen, die sich von der der Internetunternehmen deutlich unterscheidet. Der Digitalpionier trat an, die „Heldengeschichten des Handwerks“ zu erzählen und scheint damit mal wieder eine Lücke entdeckt zu haben.
Woher nimmt er bei all den Aktivitäten seine Ruhe? Wie schafft er es, achtsam mit sich selbst umzugehen? „Das hängt mit der Haltung zusammen“, sagt Owen. Es sei eine Lebensphilosophie, wie man grundsätzlich mit dem Digitalen umgehe. Wenn man es nicht als Teufelszeug betrachte, sondern als etwas Normales, Hilfreiches, dann erzeuge es auch keine negative Energie und lasse anderen Herzensdingen ausreichend Raum.
Text/Bild: kat