Freiburg. Der Slogan, der auf einem Banner im Eingangsbereich der Freiburger „CellGenix GmbH“ prangt, zeugt von Selbstbewusstsein: „GMP raw materials – we can“ ist darauf zu lesen. GMP steht für Good Manufacturing Practice, für die Methoden und Anforderungen an die Produktion von Medizin, und raw materials für die Rohstoffe dafür. Die Cell Genix GmbH, die im Mai ihr 25-jähriges Bestehen feiert, gehört in Deutschland zu den Pionieren in diesem Bereich was die Gentherapie bei der Krebsbehandlung angeht. An der Spitze des Unternehmens steht seit Beginn die promovierte, habilitierte und passionierte Medizinerin Felicia M. Rosenthal. Sie lebt für die Wissenschaft und für ihr Unternehmen. „Mein Antrieb ist es, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, die Medizin weiter voranzubringen“, sagt sie.
Dieses Anliegen entstand schon als Teenager: Ihr Vater, ein Chemiker, und ihre Mutter, eine Apothekerin, vermittelten ihr das Interesse für die Naturwissenschaften, und ein Onkel, der Arzt war, begeisterte sie für die Medizin. „Ich wollte mein Interesse für die Naturwissenschaften und die Medizin verbinden mit der Möglichkeit, Menschen zu helfen“, berichtet Felicia Rosenthal. Daher zog sie nach dem Abitur von Leverkusen, wo sie aufgewachsen war, zum Medizinstudium nach Mainz. Dabei und auch auf ihrem späteren wissenschaftlichen Weg halfen ihr vor allem ihre folgenden Eigenschaften: das Interesse, sich in bestimmte Themengebiete zu vertiefen, Frustrationstoleranz, wenn Versuche im Labor mal wieder nicht das erhoffte Ergebnis bringen, ein gewisser Ehrgeiz und vor allem ein langer Atem.
Außerdem ebneten zufällige Begegnungen Felicia Rosenthal den Weg. Da ein Kommilitone an der Universität Mainz von Roland Mertelsmann schwärmte, ein inzwischen emeritierter Medizinprofessor, der unter anderem für seine Forschung auf dem Gebiet der Gentherapie und Stammzellforschung bekannt ist, bewarb sie sich bei ihm. Er sollte ihr wissenschaftlicher Mentor werden. Als Mertelsmann 1989 einen Ruf an die Uni Freiburg erhielt, folgte sie ihm mit etwa 20 Kollegen, arbeitete als seine Assistenzärztin an der Uniklinik und betreute klinische Studien in der Krebsforschung für ihn. Mertelsmann begeisterte sich früh für die gentechnikbasierte Krebsforschung, die Kollegen in den USA betrieben. Einer der Pioniere auf diesem Feld, der auf Mertelsmanns Einladung an der Uni Freiburg einen Vortrag hielt, fragte Felicia Rosenthal während des Besuchs, ob sie nicht für ihre Habilitation bei ihm forschen wolle. „Eigentlich fing da die Geschichte von Cell Genix an“, sagt sie. Denn so kam sie für zwei Jahre ans renommierte New Yorker Krebsforschungszentrum Memorial Sloan Kettering Cancer Center. In New York lernte die damals 29-Jährige, wie man das Immunsystem mithilfe zuvor genetisch veränderter Tumorzellen stimulieren kann, sodass der Körper selbst die Krebszellen erfolgreich bekämpft, und wirkte an Studien dazu mit. Hier begann Felicia Rosenthal Anfang der 1990er-Jahre mit dem, was sie dann erst an der Freiburger Uniklinik gemeinsam mit Professor Mertelsmann sowie weiteren Mitstreitern und dann ab 1994 bei Cell Genix mit einigen von ihnen fortführte. Um unternehmerisches Know-how zu erlangen, machte Rosenthal nebenberuflich einen Master in Business Administration. Gell Genix war die erste Ausgründung aus der Uniklinik zu einer Zeit, als die Gentherapie bei der Krebsbehandlung noch in den Kinderschuhen steckte, und das erste Unternehmen in Europa, das in eigenen Laboren Zellen dafür kultivierte.
Seit mehr als zehn Jahren liegt der Schwerpunkt nicht mehr auf der Produktion dieser Zellen, sondern auf hochqualitativen Reagenzien, also Nährstoffen und Flüssigkeiten, die Zellen benötigen, um außerhalb des Körpers zu überleben und zu wachsen. Nun arbeitet Cell Genix als Zulieferer für Unternehmen wie es selbst einmal eines war. „Wir sind auf eine Marktlücke gestoßen und haben uns damit weltweit einen Namen gemacht“, sagt die Professorin. Über 500 Kunden hat Cell Genix weltweit, die meisten in den USA. Biotechnologie- und Pharmaunternehmen sind genauso darunter wie akademische Forschungslabore und Lohnhersteller. In Freiburg beschäftigt Cell Genix 60 Mitarbeiter, am Standort bei Boston in den USA fünf. Seit 2003 macht Cell Genix Gewinn, seit fünf Jahren wächst der Umsatz gut zweistellig.
Auch bei ihrem ehrenamtlichen Engagement übernahm Felicia Rosenthal eine Pionierfunktion: Um der jungen Branche eine Stimme zu geben, gründete sie mit Kollegen vor rund 15 Jahren den Verband BIO Deutschland, der heute alle namhaften Biotechnologieunternehmen zu seinen Mitgliedern zählt, und verantwortete etwa zehn Jahre lang im Vorstand die Finanzen. Auch die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Gentherapie hat sie Mitte der 1990er-Jahre mitgegründet. Im Industrieausschuss der IHK Südlicher Oberrhein ist die Medizinerin seit 1999 aktiv, seit 2006 als stellvertretende Vorsitzende. An diesem Ehrenamt reizt sie der Austausch mit Unternehmern anderer Branchen. Für ihre unternehmerische Leistung und ihr ehrenamtliches Engagement wurde Felicia Rosenthal Ende 2018 mit der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Über die Ehrung hat sie sich gefreut, betont aber zugleich. „Natürlich stehe ich vorne, aber es ist wichtig, dass man das Erreichte als gemeinschaftlichen Erfolg sieht.“
Auch wenn Felicia Rosenthal, so wie es für eine Wissenschaftlerin typisch ist, für ihre Arbeit lebt, nimmt sie sich Zeit für Hobbys und ihr Privatleben. Die Plakate aus dem Museum of Modern Arts von Künstlern wie Oscar Schlemmer, die in den Fluren von Cell Genix und in ihrem Büro hängen und die sie von ihren Jahren in New York mitgebracht hat, zeugen von ihrem Kunstinteresse. Nicht nur beruflich ist sie immer wieder unterwegs. Mit ihrem Ehemann reist sie einmal im Jahr nach Neuseeland, wo sie Land und ein Haus besitzen. Wenn sie sich darum kümmert, könne sie wunderbar entspannen, berichtet Felicia Rosenthal. Ihr zweiter Lieblingsort ist das Ferienhaus ihrer Eltern in Norditalien, wohin es beide ebenfalls jährlich zieht. Auch zu Hause in Freiburg nimmt sie sich regelmäßig Auszeiten, die sie am liebsten kochend mit ihrem Mann verbringt.
mae